(Paris) Das Coronavirus fordert keine Toten mehr, doch die Coronamaßnahmen der Regierungen bleiben weiterhin unerbittlich. Die erzeugte Panik fordert gnadenlosen Tribut. Da die Kirchenverantwortlichen mit besonderem Eifer die staatlichen Maßnahmen unterstützten und übernahmen, gilt das besonders für den kirchlichen Bereich. Das Marienheiligtum von Lourdes wurde frühzeitig geschlossen, Online-Messen bringen nur wenig Spenden ein und das mit dem Heiligtum zusammenhängende Gastgewerbe liegt am Boden.
Italien war am 7. März das erste Land, das radikale Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus verhängte. Bis heute ist unklar, was und wer die Entscheidungsträger dazu bewogen hat. Bekannt ist inzwischen nur, daß es die Experten nicht waren, die offiziell die Regierung beraten. Dem italienischen Beispiel folgten dann die allermeisten westlichen Regierungen.
Die Italienische Bischofskonferenz untersagte bereits am 6. März, einem Sonntag, alle Gottesdienste und eilte damit der Regierung voraus. Die Direktion des Marienheiligtums von Lourdes war noch schneller und eifriger. Bereits am 1. März wurden die Wasserbecken „bis auf weiteres“ geschlossen. Daran hat sich seither nichts geändert. Es war nicht der Staat, der zur Schließung zwang, sondern eine von den Kirchenverantwortlichen getroffene Entscheidung. Das französische Gesundheitsministerium untersagte erst am 8. März Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern, die Radikalmaßnahme einer Ausgangssperre trat am 17. März in Kraft.
Am 3. März schrieb Prof. Roberto de Mattei zur Entscheidung der Wallfahrtsdirektion:
„Wenn sich in Europa eine Epidemie ausbreitet, dann gibt es einen Ort, auf den zurückgegriffen werden sollte, ein unfehlbar geschützter Ort, und der ist das Heiligtum von Lourdes. Lourdes ist der Ort der Heilung für die Seele und den Körper schlechthin. Wer in Lourdes im selben Wasserbecken wie ein Coronavirus-Patient baden würde, wäre sicher, nicht angesteckt zu werden, weil die Wasserbecken von Lourdes keine Orte der Sünde, sondern des Glaubens sind. Es ist der Glaube, nicht die Medizin, der Wunder ermöglicht. Das Wunder ist ein Göttliches Eingreifen, das allen menschlichen Kräften überlegen ist, und wer die Möglichkeit des Wunders leugnet, der leugnet auch die Existenz Gottes. Wer den wundertätigen Charakter des Lourdes-Wassers leugnet, wer befürchtet, daß die Wasserbecken von Lourdes Ansteckungen hervorrufen könnten, leugnet die Kraft Gottes, leugnet die Verheißungen Unserer Lieben Frau und leugnet die Bedeutung von Lourdes. Wenn die Wasserbecken geschlossen werden, könnte man ebensogut das Heiligtum von Lourdes schließen.“
Genauso kam es. Am 17. März, parallel zur staatsweiten Ausgangssperre, gab Msgr. Olivier Ribadeau Dumas, der Rektor des Heiligtums, die vollständige Schließung des Heiligtums bekannt. Ribadeau Dumas selbst betonte bei dieser Gelegenheit, daß dergleichen seit der Errichtung des Heiligtums nie der Fall war, nicht einmal als Ende des Ersten Weltkrieges die Spanische Grippe in Europa tobte, die eine echte Epidemie war und ein Vielfaches an Toten forderte: in Frankreich rund 240.000 im Vergleich zu den aktuell 30.513 „Coronatoten“. Wie in ganz Europa sind auch in Frankreich die virologischen Folgen des Coronavirus seit Anfang April im Abklingen. Die Zahl der Coronatoten belief sich zu jenem Zeitpunkt auf weniger als 5.000. Ab dem 3. April wurden, wie auch in anderen Ländern, darunter Italien, die Todesfälle in den Altersheimen und anderen Sozialeinrichtungen eingerechnet, also Menschen, die symptomlos starben. Sie wurden in vielen Fällen erst posthum positiv getestet. Entsprechend schnellte die Zahl der Toten nach oben.
Zwei Monate blieb das Marienheiligtum vollständig gesperrt. Der „Glaube“ an das Virus war größer als der an Gott. Erst am 16. Mai erfolgte eine „Teilöffnung“. Die Wasserbecken sind nach wie vor geschlossen und der Zugang zum Heiligtum ist durch eine Reihe von ebenso strengen wie zweifelhaften „Sicherheitsmaßnahmen“ eingeschränkt, die – welche Ironie – „der Gesundheit“ der Menschen dienen sollen.
Zog es in anderen Krisenzeiten die Menschen verstärkt in die Kirchen, zeitigt das Coronavirus die gegenteilige Wirkung. Aus Italien wird berichtet, daß Familien und Kinder aus den Kirchen des Novus Ordo „verschwunden“ sind. Eine richtige Epidemie drängt zu Gott, eine falsche …
Die italienische Tageszeitung Libero titelt heute provokant:
„Lourdes wirkt keine Wunder mehr und riskiert den Konkurs.“
Das Marienheiligtum und das Städtchen Lourdes sind nach Paris die zweitgrößte Reisedestination Frankreichs. Damit verbunden sind entsprechende Infrastrukturen des Hotel- und Gastgewerbes. Auch sie zahlen den Preis dafür, daß das Heiligtum nur „zur Hälfte“ offen ist. Der Pilgerstrom ist versiegt. Von 137 Hotels hatten Ende Juli nur vier (4) geöffnet. Seither dürften es nicht mehr geworden sein, da mit 1. August die Coronamaßnahmen von der Regierung wieder verschärft wurden.
Auch das Heiligtum selbst ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Wallfahrtsdirektor Ribadeau Dumas nennt ein Defizit von acht Millionen Euro. Die Wallfahrtsdirektion ersuchte inzwischen den Staat um Hilfe.
„Es bräuchte ein Wunder oder einen Herbst der Gottesmutter, um Lourdes wieder auf die Beine zu bringen.“
Was die Zeitung Libero damit sagen will: Lourdes ist einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Welt. Durch die Coronamaßnahmen von Kirche und Staat wurden dem Heiligtum die Pilger und der Stadt die Touristen entzogen – und damit auch Einkünfte und Arbeitsplätze.
Das Paradox wurde von Roberto de Mattei bereits Anfang März benannt: Ein Ort, an den die Menschen in der Not pilgern, vor allem um Genesung von Krankheit zu erlangen, wurde aus Angst vor einer Krankheit geschlossen.
Die nackten Zahlen legen die Verhältnisse und das Dilemma offen. Das Städtchen mit 14.000 Einwohnern wird (wurde bis Corona) jährlich von sechs Millionen Menschen besucht. Entsprechend eng ist der Ort mit dem Heiligtum verwoben. Er ist von diesem abhängig.
Zwei Monate kam wegen des „Lockdowns“ gar niemand. Seither hat der Pilgerstrom wieder zu fließen begonnen, bewegt sich allerdings auf reduziertem Niveau, was nicht zuletzt wiederum auf die Maßnahmen der Wallfahrtsdirektion zurückgeht, da der Zugang zum Heiligtum streng reglementiert ist.
Zugleich – und in direktem Widerspruch dazu – fehlte es seit Juli nicht an Initiativen, um die Aufmerksamkeit auf Lourdes zu ziehen. Am 16. Juli, dem Jahrestag der letzten Marienerscheinung, fand eine „Welt-Online-Wallfahrt“ statt mit Zelebrationen, Prozessionen und Rosenkränzen in zehn Sprachen.
Doch die Virtualisierung der heiligen Liturgie und der Frömmigkeitsübungen bleibt in ihrer Wirkung begrenzt. Besonders spürbar wird das am versiegenden Spendenfluß. Die Kassen des Heiligtums sind leer. Nach einem halben Jahr des Stillstands fand am 14. August aus Italien zwar wieder die erste organisierte Wallfahrt der OFTAL, des 1932 gegründeten Werks für den Transport von Kranken nach Lourdes, statt, doch in Summe ist von einer Normalisierung noch keine Rede.
„Die Regierung kann nicht zulassen, daß Lourdes stirbt. Sie weiß, daß das Heiligtum der Motor der Wirtschaftskraft von Lourdes ist. Arbeiten wir also zusammen an einer gemeinsamen Aktion“, meinte Msgr. Ribadeau Dumas in Anspielung auf die Tatsache, daß Lourdes auf der ganzen Welt eine Visitenkarte Frankreichs ist.
Für Frankreich gewagte Worte, die auch prompt die Wächter der Laicité auf den Plan riefen. Die strenge Trennung von Staat und Kirche müsse gewahrt bleiben, ließen sie wissen.
Bedenklicher ist, daß die zuständigen Kirchenverantwortlichen nicht mehr daran zu glauben scheinen, daß Gott auf die Fürsprache Mariens in Lourdes Wunder wirkt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Lourdes-france.org/Youtube (Screenshots)/privat