Die EU setzt Prioritäten – und es sind keine christlichen. Diese Prioritäten sprechen eine deutliche Sprache. Während familienpolitische Initiativen aus der Förderung gedrängt werden, inbesondere christliche, öffnen sich immer neue finanzielle und politische Räume für die Ausweitung und Unterstützung von Abtreibung – auch über nationale Grenzen und die EU-Außengrenzen hinweg.
Konkret verweigerte die Europäische Kommission zuletzt der Föderation katholischer Familienverbände in Europa (FAFCE) sämtliche beantragten Fördermittel. Die Entscheidung trifft eine Organisation, die seit Jahrzehnten im europäischen Raum tätig ist und sich mit ihren Projekten unter anderem dem Schutz von Kindern, der digitalen Sicherheit Jugendlicher und der Bekämpfung sozialer Isolation widmet – Themen, die Brüssel offiziell selbst als vorrangig bezeichnet.
Als Begründung nennt die Kommission Defizite bei der Umsetzung der europäischen Gleichstellungs- und Genderkriterien. Mit anderen Worten: Nicht fachliche Mängel, sondern weltanschauliche Abweichungen vom vorherrschenden linken ideologischen Rahmen scheinen ausschlaggebend gewesen zu sein. Eine Organisation, die Ehe und Familie auf der Grundlage von Mann und Frau versteht, paßt offenbar nicht mehr in das von der Kommission gewünschte Bild der EU-Gesellschaft.
Gleichzeitig treibt das Europäische Parlament Initiativen voran, die darauf abzielen, den Zugang zu Abtreibung und damit die Tötung ungeborener Kinder zu fördern und finanziell abzusichern – selbst dann, wenn Frauen dafür in andere Mitgliedstaaten reisen. Öffentliche Stellen sollen Kosten übernehmen, organisatorische Hürden abbauen und die Tötung unschuldiger Kinder als grenzüberschreitende Dienstleistung etablieren. Der Schutz der Kinder spielt in diesen Debatten exakt keine Rolle. Das Kind ist das große Abwesende, das nie genannt wird, das nicht existiert, wortwörtlich zu Tode geschwiegen wird.
Diese Gleichzeitigkeit wirft grundlegende Fragen auf. Die EU erklärt den demographischen Niedergang Europas regelmäßig zur existentiellen Herausforderung. Doch statt diejenigen zu stärken, die Ehe, Familie und Kinder fördern, entzieht sie ihnen die Mittel. Statt Leben zu schützen, investiert sie in dessen Beendigung schon vor der Geburt. Parallel werden die Schleusen für die Massenmigration großzügig geöffnet und als „alternativlos“ erklärt.
Aus christlich-lebensbejahender Sicht ist dieser Kurs nicht nur politisch kurzsichtig und zukunftsvernichtend, sondern auch moralisch verwerflich. Die christliche Soziallehre betont seit jeher die unantastbare Würde jedes Menschen – unabhängig von Entwicklungsstand, Leistungsfähigkeit oder gewünschter Existenz. Das ungeborene Kind ist kein abstraktes Konzept, sondern ein Menschenleben, das Schutz verdient. Es ist ein Mensch mit unveräußerlichen Rechten, die ihm durch willkürliche Rechtsbeugung entzogen werden. Statt seinen Schutz sicherzustellen, wird die Finanzierung seiner Vernichtung sichergestellt.
Hinzu kommt ein ordnungspolitischer Aspekt: Die Verträge der EU verpflichten zu weltanschaulichem Pluralismus und zur Achtung der religiösen Überzeugungen ihrer Bürger. Die Förderpolitik wird aber faktisch dazu genutzt, bestimmte ethische Positionen systematisch auszuschließen. Dadurch wird Neutralität zur Fiktion und Ideologie zur Voraussetzung politischer Teilhabe.
Der Entzug vergleichsweise geringer Mittel für Familienverbände signalisiert, welche Stimmen in Europa erwünscht sind – und welche nicht. Wer für das Leben eintritt, für stabile Familien und für eine Kultur der Verantwortung, muß damit rechnen, marginalisiert zu werden. Die linke Mehrheit mit christdemokratischem Aufputz in der EU will das so.
Die EU steht an einem Scheideweg. Sie kann entweder die Familie als Keimzelle der Gesellschaft ernst nehmen und den Schutz des Lebens als Fundament seiner Werteordnung begreifen, von der Mehrheitsvertreter vollmundig sprechen, aber offenbar keine Ahnung mehr haben, was das bedeutet. Oder es setzt weiterhin auf eine Politik, die demographische Realität zwar beklagt, aber gleichzeitig einen lebensfeindlichen Kurs finanziert.
Die Frage ist nicht, ob die EU eine Wertebasis hat. Die Frage ist, welche Werte sind es – und für wen gelten sie noch.

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