Inzwischen ist es offiziell, was seit Anfang November kolportiert wurde: Papst Leo XIV. hat für den 7. und 8. Januar ein außerordentliches Konsistorium einberufen. Das neue Jahr 2026 wird gleich nach Epiphanie mit einem Ereignis beginnen, das die Kirche zuletzt im Februar 2014 gesehen hat.
Die Kardinäle erhielten die Einladung bereits am 7. November von Kardinaldekan Giovanni Battista Re übermittelt. Papst Leo XIV. erwartet die Purpurträger aus aller Welt am Nachmittag des ersten Mittwochs im neuen Jahr und erneut am folgenden Morgen, an dem eine Konzelebration am Altar der Kathedra Petri im Petersdom vorgesehen ist. Die Einberufung eines außerordentlichen Konsistoriums liegt in der alleinigen Zuständigkeit des Kirchenoberhaupts und erfolgt, wie im Codex Iuris Canonici festgelegt, „wenn besondere Erfordernisse der Kirche oder die Schwere der zu behandelnden Angelegenheiten es nahelegen“. Auffallend an dieser Einberufung ist jedoch das Fehlen jeglicher Begründung – eine Abweichung vom bisherigen Brauch.
Zur Zeit erreicht eine „weihnachtliche“ Botschaft des Papstes alle Kardinäle, in der die Agenda des Konsistoriums näher erläutert wird. Leo XIV. verfaßte persönlich ein Schreiben, um seine Mitbrüder in der Kardinalswürde daran zu erinnern, daß sie als wichtigste Mitgestalter der Weltkirche eine zentrale Rolle einnehmen. Diese Rolle war während des bergoglianischen Pontifikats stark reduziert worden. Franziskus zog es vor, Entscheidungen im engsten Getreuenkreis zu treffen – zunächst noch in dem von ihm eingesetzten, sogenannten C9-Kardinalsrat, der später auf einen C6-Rat schrumpfte. Doch die eigentlichen Entscheidungen fielen auch nicht dort, sondern in Santa Marta, wobei wechselnde Kardinäle bei Gelegenheit eingebunden wurden. Franziskus lud zwar 2022 alle Kardinäle zu einer Sitzung über Praedicate Evangelium nach Rom ein, der neuen Konstitution zur Reform der Römischen Kurie, doch jede sinnvolle Diskussion blieb aus, da die Reform bereits drei Monate zuvor in Kraft getreten war. Franziskus signalisierte nach dem Auftaktdebakel beim Konsistorium von Februar 2014, daß eine organisierte, also institutionelle Mitarbeit des Kardinalskollegiums unerwünscht war.
Die begrenzte Einbindung des Kardinalskollegiums gehörte zu den zentralen Kritikpunkten am Vermächtnis Bergoglios. Leo XIV. machte sich dieser Kritik bewußt: Bereits zwei Tage nach seiner Wahl kündigte er in einem ersten Gespräch mit den Kardinälen an, sich regelmäßig mit ihnen zu beraten – ein Schritt, der die objektive Marginalisierung des Kollegiums auf das Konklave beenden sollte. Nach dem ersten Halbjahr seines Pontifikats konkretisierte er dieses Versprechen und bat die Kardinäle, sich auf das Konsistorium im Januar 2026 vorzubereiten. Dies verknüpfte er allerdings mit seinem Vorgänger, indem er die Purpurträger aufforderte zwei bergoglianische Schlüsseltexte erneut studieren: Evangelii Gaudium und Praedicate Evangelium. Warum aber?
Diese Lektüre dient sowohl der Reflexion über die Perspektive der Kirche als auch der Neujustierung der Römischen Kurie. In seiner nunmehrigen Botschaft thematisiert Leo XIV. zudem die Synodalität – eines der zentralen Schlagworte des Bergoglio-Pontifikats – interpretiert nun jedoch im Sinne der kirchlichen Gemeinschaft: Synodalität soll vor allem zur Communio führen.
Und schließlich: Ein weiteres Thema des Briefes betrifft die Liturgie. Seit der Einführung von Traditionis custodes 2021 ist sie zum Brennpunkt innerkirchlicher Debatten geworden. Das Konsistorium könnte daher eine Gelegenheit bieten, über den Umgang mit dem wachsenden Gewicht „traditioneller“ Gläubiger zu diskutieren. Leo XIV. hat sich die Versöhnung in der Kirche und die Einheit zum Ziel gesetzt, wie er nach seiner Wahl mehrfach betonte. Das Konsistorium könnte der entscheidende Hebel sein, mit dem er der Erreichung dieser Ziele näherkommen möchte. Dabei ist derzeit noch völlig offen, wie er den Spagat zwischen den Brüchen der Nachkonzilszeit und der Tradition bewerkstelligen möchte und erst recht, wie er die Wunden heilen möchte, die das argentinische Pontifikat dem Leib Christi geschlagen hat. Fest steht offenbar nur, daß die Frage Tradition und der Umgang mit ihr, also den traditionsverbundenen Gemeinschaften und Gläubigen, auf der Arbeitsliste des ersten US-amerikanischen Papstes weit oben steht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ

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