Unumkehrbar? Keineswegs

Kirchliche Entscheidungen sind nur so fest wie der Wille ihres Urhebers


Verschiedene Eingriffe von Papst Franziskus sorgten im römischen Klerus für Unmut. Dazu gehörte auch die Neueinteilung der Diözese Rom. Leo XIV. machte sie nun rückgängig. Ein Präzedenzfall?
Verschiedene Eingriffe von Papst Franziskus sorgten im römischen Klerus für Unmut. Dazu gehörte auch die Neueinteilung der Diözese Rom. Leo XIV. machte sie nun rückgängig. Ein Präzedenzfall?

Seit Jah­ren hört man aus bestimm­ten Krei­sen das­sel­be Lied: Was ein­mal von Papst Fran­zis­kus fest­ge­legt wur­de, – das gel­te auch unter Leo XIV., wenn es vom „ver­ehr­ten Vor­gän­ger“ stammt – sei sakro­sankt, für alle Zei­ten in Stein gemei­ßelt, gera­de­zu mit gött­li­cher Unter­schrift ver­se­hen. Jede Ände­rung, jede Rück­nah­me, jede Kor­rek­tur? Undenk­bar! Wer so spricht, prä­sen­tiert sich gern als uner­schüt­ter­li­cher Hüter des berg­o­glia­ni­schen Erbes – doch das ist ein Trug­bild. Es trifft allen­falls inso­fern zu, als Papst Fran­zis­kus den Anspruch erhob, „irrever­si­ble Pro­zes­se“ in Gang zu set­zen. Doch Leo XIV. zeig­te gestern, daß ein ein­zi­ger Feder­strich genügt, um das ver­meint­lich „Unum­kehr­ba­re“ umzukehren.

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Denn dis­zi­pli­na­ri­sche kirch­li­che Nor­men sind kei­ne Stein­ta­feln vom Sinai, und wer sie so behan­delt, soll­te viel­leicht tief durch­at­men und vom mora­li­schen Sockel stei­gen und die Rea­li­tät auf sich wir­ken las­sen. Die­se Rea­li­tät lau­tet: Was von Gott erlas­sen, kann von Men­schen nicht geän­dert wer­den; was aber von Men­schen erlas­sen, kann von Men­schen geän­dert wer­den. Immer vor­aus­ge­setzt, der Wil­le dazu besteht.

Im ver­gan­ge­nen Pon­ti­fi­kat schien der eiser­ne Grund­satz oxy­diert zu sein. Ein beson­ders anschau­li­ches Bei­spiel dafür lie­fert die jüng­ste Ent­schei­dung von Papst Leo XIV., der kei­ner­lei Hem­mung zeigt, eine gewich­ti­ge Maß­nah­me sei­nes unmit­tel­ba­ren Vor­gän­gers zu revidieren.

Die Neu­ein­tei­lung der Diö­ze­se Rom, wie sie Fran­zis­kus woll­te. Der histo­ri­sche Kern wur­de nicht nur auf­ge­löst, son­dern auf die vier peri­phe­ren Sek­to­ren aufgeteilt

Am 26. Novem­ber 2025 ver­öf­fent­lich­te der Hei­li­ge Stuhl das Motu pro­prio Immo­ta manet, das die von Fran­zis­kus ein­ge­führ­te Neu­ord­nung der Diö­ze­se Rom rück­gän­gig macht. Das Motu pro­prio La vera bel­lez­za (Die wah­re Schön­heit) aus dem Jahr 2024, das den histo­ri­schen Zen­trums­sek­tor, die Stadt Rom inner­halb der Aure­lia­ni­schen Mau­ern, mit ihren fünf Prä­fek­tu­ren auf­lö­ste. Doch nicht nur das: Er teil­te das Gebiet der Alt­stadt, also des histo­ri­schen Rom, auf die vier übri­gen Sek­to­ren auf, die so erst 1966 von Paul VI. geschaf­fen wor­den waren. Das Älte­re wur­de vom Jün­ge­ren ver­schlun­gen – von den Peri­phe­rie­sek­to­ren, den von Fran­zis­kus so beton­ten „Rän­dern“. Ja, es wur­de regel­recht aus­ge­löscht, indem die über Jahr­tau­sen­de gewach­se­ne Ein­heit zer­schla­gen wurde.

Der Sek­tor des histo­ri­schen Rom unter Bene­dikt XVI.

Jeder Sek­tor der Diö­ze­se Rom wird von einem Weih­bi­schof gelei­tet. Papst Fran­zis­kus wies noch im Janu­ar 2023 mit einem Dekret die­se Auf­ga­ben so zu, berief dann aber 2024 römi­sche Weih­bi­schö­fe auf Bischofs­stüh­le oder an die Römi­sche Kurie, sodaß der­zeit nur zwei Sek­to­ren einen Weih­bi­schof haben. 

Mit Immo­ta manet neu­tra­li­siert Leo XIV. nun den berg­o­glia­ni­schen Eingriff.

Leo XIV. betont aus­drück­lich, er respek­tie­re die dama­li­gen Beweg­grün­de – doch zugleich stellt er klar, daß sich die Situa­ti­on im Ver­lauf des Hei­li­gen Jah­res grund­le­gend anders dar­ge­stellt habe: Nicht die Beson­der­heit des Zen­tral­be­reichs sei her­vor­ge­tre­ten, aber sei­ne inne­re Ein­heit und Homo­ge­ni­tät. Fol­ge­rich­tig ord­net er an, daß die fünf Prä­fek­tu­ren wie­der zu einem ein­zi­gen Zen­tral­be­zirk zusam­men­ge­führt wer­den und die­ser in die Gesamt­struk­tur der Diö­ze­se inte­griert wird.

Das Dekret tritt unmit­tel­bar mit der Ver­öf­fent­li­chung im Osser­va­to­re Roma­no in Kraft und setzt alle ent­ge­gen­ste­hen­den Bestim­mun­gen außer Kraft, gleich­gül­tig, wie gewich­tig sie einst erschie­nen sein mögen.

Damit wird ein Wunsch des römi­schen Kle­rus erfüllt. Die Inter­ven­ti­on von Fran­zis­kus hat­te im Kle­rus star­ken Unmut ausgelöst.

Die wich­ti­ge­re Bot­schaft ist jedoch unüber­hör­bar: Es gibt kei­ne „unum­kehr­ba­ren“ Ver­wal­tungs­ak­te, und schon gar kei­ne, die aus rei­ner Ehr­furcht vor einer frü­he­ren Auto­ri­tät unan­ge­ta­stet blei­ben müß­ten. Leo XIV. demon­striert ein­drucks­voll, daß selbst gewich­ti­ge Ent­schei­dun­gen über­dacht, kor­ri­giert oder ver­wor­fen wer­den kön­nen. Im kon­kre­ten Fall revi­dier­te Leo XIV. mit einem Motu pro­prio ein Motu pro­prio sei­nes Vor­gän­gers, das erst Anfang Okto­ber 2024 erlas­sen wor­den war. Die Halt­bar­keits­dau­er der berg­o­glia­ni­schen Maß­nah­me belief sich auf weni­ger als zwölf Monate.

Es spricht also nichts dage­gen, daß Leo XIV. eben­so ent­schlos­sen das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des von Juli 2021 durch ein eige­nes Motu pro­prio neu­tra­li­siert. Was für die Diö­ze­se Rom gilt, soll­te für die Tra­di­ti­on noch weit mehr gelten.

Manch einer mag dar­über schockiert sein. Aber viel­leicht zeigt sich hier schlicht, was man­cher nicht wahr­ha­ben will: Tra­di­ti­on ist kein Still­stand – sie ist Bewe­gung. Und manch­mal bedeu­tet Bewe­gung eben, das jüngst Gesetz­te wie­der zu lösen.

So ein­fach ist das. Und so unüber­seh­bar. Wenn man es denn sehen will. Und wenn der Gesetz­ge­ber Wil­len zeigt. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Dio­ce­si di Roma/​MiL (Screen­shots)

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