Der neue Mann für die Bischöfe – Papst Leo XIV. zeigt erstmals seinen Stil

Personalentscheidung mit Signalwirkung


Der Karmelit Erzbischof Filippo Iannone ist neuer Präfekt des römischen Bischofsdikasteriums
Der Karmelit Erzbischof Filippo Iannone ist neuer Präfekt des römischen Bischofsdikasteriums

Papst Leo XIV. ernann­te gestern einen neu­en Prä­fek­ten für das Dik­aste­ri­um für die Bischö­fe – eine zen­tra­le Behör­de inner­halb der Römi­schen Kurie. Das Bischofs­dik­aste­ri­um ist für die Vor­be­rei­tung der Bischofs­er­nen­nun­gen welt­weit zustän­dig. Beson­de­re Auf­merk­sam­keit galt die­ser Per­so­nal­ent­schei­dung, da Leo XIV. – als Robert Kar­di­nal Pre­vost – vor sei­ner Wahl selbst an der Spit­ze die­ser Behör­de stand. Schon in den ver­gan­ge­nen Mona­ten war daher mit Span­nung erwar­tet wor­den, wen er als sei­nen Nach­fol­ger beru­fen und wel­che Rich­tung er damit ein­schla­gen würde.

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Eine ver­gleich­ba­re Situa­ti­on ergab sich 2005, als Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger – damals Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on – zum Papst gewählt wur­de. Auch damals stell­te sich die Fra­ge, wen Bene­dikt XVI. als sei­nen Nach­fol­ger am frü­he­ren Hei­li­gen Offi­zi­um ernen­nen wür­de. Sei­ne Wahl fiel auf Kar­di­nal Wil­liam Leva­da. Heu­te erin­nern sich nur noch kir­chen­na­he Beob­ach­ter an den US-Ame­ri­ka­ner. Leva­da setz­te, obwohl er zuvor fast zwei Jahr­zehn­te Diö­ze­san­bi­schof – zunächst in Port­land, spä­ter in San Fran­cis­co – gewe­sen war, kaum öffent­li­che Akzen­te. Wird es im Fall des neu­en Prä­fek­ten für das Bischofs­dik­aste­ri­um ähn­lich verlaufen?

Wer wäre bes­ser geeig­net für eine erste Ein­schät­zung als das von römi­schen Prie­stern betrie­be­ne Nach­rich­ten­por­tal Sile­re non pos­sum. Hier die Analyse:

„Made in Puglia“ hat ausgedient – Papst Leo XIV. setzt auf einen Kanonisten

Von Sile­re non possum

Nur 141 Tage hat Leo XIV. gebraucht, um sei­nem Pon­ti­fi­kat einen ersten, kla­ren Stem­pel des Regie­rungs­stils auf­zu­drücken. Kein Wort, son­dern eine Ernen­nung. Und kei­ne belie­bi­ge Ernen­nung: Der Papst hat sich ent­schie­den, genau beim Dik­aste­ri­um für die Bischö­fe zu begin­nen – jener Insti­tu­ti­on, die er selbst vom 12. April 2023 bis zu sei­ner Wahl auf den päpst­li­chen Stuhl gelei­tet hat­te. Eine Ent­schei­dung, die mehr sagt als tau­send Wor­te: Pre­vost hat nicht nach exter­nen Per­sön­lich­kei­ten außer­halb der Kurie gesucht, son­dern jenen gewür­digt, der unter dem vor­he­ri­gen Pon­ti­fi­kat so man­che bit­te­re Pil­le schlucken mußte.

Der Name des Aus­er­wähl­ten: Erz­bi­schof Filip­po Ian­no­ne OCarm., ein nea­po­li­ta­ni­scher Kano­nist, bis­her Prä­fekt des Dik­aste­ri­ums für die Geset­zes­tex­te. Eine Figur des Rechts und des Gleich­ge­wichts, Ian­no­ne ist ein Mann, der in den Jah­ren unter Fran­zis­kus gelernt hat, einen Schritt zurück­zu­tre­ten: Schlä­ge ein­zu­stecken, zu schwei­gen. Nicht aus Man­gel an per­sön­li­cher Über­ein­stim­mung mit dem regie­ren­den Papst, son­dern weil es in jener Pha­se ris­kant war, über Nor­men und Recht zu spre­chen – man lief Gefahr, als Fremd­kör­per zu erschei­nen. „Hier ist nichts ange­kom­men“, muß­te er häu­fig als Ant­wort auf Anfra­gen aus dem Vati­kan wie auch aus dem Rest der katho­li­schen Kir­che geben. Selbst die neu­en Vor­schrif­ten – die sich teils täg­lich änder­ten – wur­den nicht dem Päpst­li­chen Rat zur Prü­fung vor­ge­legt. Die Abnei­gung des argen­ti­ni­schen Pap­stes gegen­über Kodi­zes, Sche­ma­ta und Ver­fah­ren war bekannt. Und so blieb Ian­no­ne, obwohl er zum Vor­sit­zen­den des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te ernannt wor­den war, am Rand, ver­bannt in ein Arbeits­feld, das der Papst als zweit­ran­gig, bei­na­he als über­flüs­sig betrachtete.

Heu­te jedoch wer­den die Kar­ten neu gemischt. Leo XIV. hat ent­schie­den, einem Kano­ni­sten – kei­nem von außen, son­dern einem aus der Kurie – die Ver­ant­wor­tung zu über­tra­gen, dem Papst die zukünf­ti­gen Bischö­fe vor­zu­schla­gen. Ein star­kes Signal, das einen Stil des Regie­rens erah­nen läßt.

Wenige Schritte, mit Ruhe

Filip­po Ian­no­ne wird sein Amt am 15. Okto­ber 2025 antre­ten und die Lei­tung des Dik­aste­ri­ums für die Bischö­fe sowie der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on für Latein­ame­ri­ka über­neh­men. Par­al­lel dazu hat Leo XIV. den der­zei­ti­gen Sekre­tär des Dik­aste­ri­ums, Mon­si­gno­re Ilson de Jesus Mon­ta­na­ri, für wei­te­re fünf Jah­re im Amt bestä­tigt, eben­so wie Mon­si­gno­re Ivan Kovač, der wei­ter­hin die Rol­le des Unter­se­kre­tärs inne­ha­ben wird.

Auch die­se Ent­schei­dun­gen offen­ba­ren den Stil von Leo XIV. Das Ver­hält­nis zu Mon­ta­na­ri war näm­lich nie ein­fach: Wäh­rend sei­ner Amts­zeit als Prä­fekt wur­de Pre­vost vom Sekre­tär nicht sel­ten über­gan­gen, der sich lie­ber direkt an San­ta Mar­ta wand­te, um zu bekom­men, was er woll­te. Mit Fran­zis­kus ver­band Mon­ta­na­ri ein deut­lich rei­bungs­lo­se­res Ein­ver­neh­men als mit Pre­vost. Es über­rascht daher nicht, daß Mon­ta­na­ri, als Leo XIV. aus der Six­ti­ni­schen Kapel­le her­aus­kam, nicht das rote Birett eines erwähl­ten Kar­di­nals trug – und nie­mand wun­der­te sich darüber.

Doch im Gegen­satz zu sei­nem Vor­gän­ger läßt sich Leo XIV. nicht von Groll oder Rache­ge­füh­len lei­ten. Sein Weg ist ein ande­rer: ruhig han­deln, kei­ne plötz­li­chen Erschüt­te­run­gen. Zuerst wird der Prä­fekt gewech­selt, dann folgt der Rest.

Vom Recht zur Auswahl der Hirten

Um die Bedeu­tung die­ser Ernen­nung zu ver­ste­hen, muß man Ian­no­nes Weg betrach­ten. Gebo­ren 1957 in Nea­pel, trat er schon früh in den Kar­me­li­ter­or­den ein, stu­dier­te an der Late­ran­uni­ver­si­tät und an der Römi­schen Rota. Ian­no­ne ist ein rei­ner Kano­nist, ein Mann, der zwi­schen Kodi­zes und kirch­li­chen Gerich­ten geformt wur­de. Ver­tei­di­ger des Ehe­ban­des, Gerichts­vi­kar, Pro­fes­sor für Kir­chen­recht, Rota-Anwalt – sein Lebens­lauf ist ein Kom­pen­di­um des juri­sti­schen Kos­mos der Kir­che. Zugleich hat er auch pasto­ra­le Erfah­run­gen gesam­melt: als Weih­bi­schof in Nea­pel, spä­ter in Sora-Aqui­no-Pon­te­cor­vo, schließ­lich als Vize­ge­ne­ral­vi­kar des Bis­tums Rom. Er ist ein Mann, der die Schwie­rig­kei­ten der Kir­che und die Her­aus­for­de­run­gen des Regie­rens kennt.

In den Jah­ren von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. wur­de er wahr­ge­nom­men und geför­dert. Es war Johan­nes Paul II., der ihn 2001 zum jüng­sten Bischof Ita­li­ens mach­te. Bene­dikt XVI. berief ihn nach Rom als Stell­ver­tre­ter des Kar­di­nal­vi­kars für die Diö­ze­se Rom. Unter Fran­zis­kus über­nahm er dann den Vor­sitz des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te, der durch die Apo­sto­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Prae­di­ca­te Evan­ge­li­um [2022] zu einem voll­wer­ti­gen Dik­aste­ri­um erho­ben wur­de. Doch in jener Epo­che, geprägt von der Vor­stel­lung, das Recht müs­se der Pasto­ral wei­chen, blieb Ian­no­nes Rol­le farb­los, wenig sicht­bar. Dabei hat­te gera­de Prae­di­ca­te Evan­ge­li­um eine äußerst hohe Wert­schät­zung für das von ihm gelei­te­te Dik­aste­ri­um for­mu­liert: authen­ti­sche Aus­le­gung der Geset­ze, Über­wa­chung ille­gi­ti­mer Prak­ti­ken, För­de­rung des Kir­chen­rechts, Unter­stüt­zung der Bischofs­kon­fe­ren­zen – alles zen­tra­le Auf­ga­ben, die jedoch unter dem dama­li­gen Papst oft in der Schub­la­de blie­ben, da die­ser lie­ber allein entschied.

Mit Leo XIV. ändert sich das Bild grund­le­gend. Die Wahl, einem Kano­ni­sten die Lei­tung des Bischofs­dik­aste­ri­ums anzu­ver­trau­en, ist kein Zufall: Die Bot­schaft ist ein­deu­tig. Kei­ne Impro­vi­sa­tio­nen mehr, son­dern Regeln; kei­ne Günst­lings­wirt­schaft mehr, son­dern trans­pa­ren­te Kri­te­ri­en. Von Anfang an hat der neue Papst klar erken­nen las­sen, daß er die „Metho­de Berg­o­glio“ nicht fort­füh­ren will.

In der Aus­wahl der Bischö­fe kehrt man zu einem geord­ne­ten Ver­fah­ren zurück: Der Prä­fekt führt gemein­sam mit dem Appa­rat des Dik­aste­ri­ums die Unter­su­chun­gen, sam­melt Mei­nun­gen, hört Prie­ster der Her­kunfts­diö­ze­se und der poten­ti­el­len neu­en Diö­ze­se, und legt dem Papst schließ­lich eine Liste von Kan­di­da­ten vor. Der Papst ist nicht mehr der Pup­pen­spie­ler, der nach Belie­ben aus­wählt, son­dern der letz­te, der abwägt und entscheidet.

Damit endet eine Ära der Impro­vi­sa­tio­nen und frag­wür­di­gen Prak­ti­ken, in der schon die Nähe zum Umfeld von San­ta Mar­ta aus­reich­te, um eine Diö­ze­se zu erhal­ten. Es ist das Ende der soge­nann­ten „Puglia bel­la“ oder „Basi­li­ca­ta bel­la“ – Reser­voirs, aus denen nicht auf­grund von Ver­dien­sten, son­dern durch Freund­schaf­ten und Gefäl­lig­kei­ten geschöpft wur­de, oft abge­si­chert durch Geschen­ke von fri­scher Pasta für die Hotelküche.

Das Bischofsdikasterium: das schlagende Herz der Kurie

Das Dik­aste­ri­um, das Ian­no­ne nun zu lei­ten beginnt, gehört zu den sen­si­bel­sten an der Römi­schen Kurie. Die Nor­men von Prae­di­ca­te Evan­ge­li­um beschrei­ben es prä­zi­se: Es muß sich um die Errich­tung von Diö­ze­sen küm­mern, um die Ernen­nung und Aus­bil­dung der Bischö­fe, es muß die Hir­ten in der Aus­übung ihres Amtes unter­stüt­zen, die visi­tae ad limi­na orga­ni­sie­ren, über die Ein­heit und das rei­bungs­lo­se Funk­tio­nie­ren der Teil­kir­chen wachen – und sogar das Volk Got­tes in die Aus­wahl der Kan­di­da­ten ein­be­zie­hen. Es han­delt sich, mit ande­ren Wor­ten, um das schla­gen­de Herz der Kurie. Hier wird ent­schie­den, wer die katho­li­schen Gemein­schaf­ten in aller Welt füh­ren wird. Und damit wird auch das zukünf­ti­ge Gesicht der Kir­che geformt: ob sie Bischö­fe haben wird, die der Leh­re ver­pflich­tet sind oder zu Kom­pro­mis­sen nei­gen, ob sie für­sorg­li­che Väter ihrer Prie­ster sein wer­den oder auto­ri­tä­re Ver­wal­ter, ob sie beten­de Hir­ten oder Diö­ze­san­ma­na­ger sein wer­den, ob sie pro­phe­ti­schen Mut haben oder zur Mit­tel­mä­ßig­keit tendieren.

Eine Ernennung als Regierungsprogramm

Die heu­ti­ge Ernen­nung ist also kein büro­kra­ti­sches Detail, son­dern ein pro­gram­ma­ti­scher Akt. Leo XIV. hat bewußt hier begon­nen – und das ist kein Zufall. Denn von der Qua­li­tät der Bischö­fe hängt alles ab: die Kate­che­se, die Lit­ur­gie, das sakra­men­ta­le Leben, der Umgang mit Res­sour­cen, die Nähe zu den Armen, die Ver­tei­di­gung des Glau­bens. Ein schwa­ches Epi­sko­pat bringt ori­en­tie­rungs­lo­se Gemein­den her­vor. Ein star­kes, gerech­tes und ver­wur­zel­tes Epi­sko­pat hin­ge­gen wird zum Zei­chen der Hoffnung.

In einer Zeit, in der die Kir­che ori­en­tie­rungs­los, frag­men­tiert und mit­un­ter gar den Moden der Zeit unter­wor­fen erscheint, ist die Ent­schei­dung, einen Mann des Rechts mit den Ernen­nun­gen zu betrau­en, eine kla­re Ant­wort: Man wird nicht durch Impro­vi­sa­ti­on geret­tet, son­dern durch Ernst­haf­tig­keit, Kom­pe­tenz und die Ach­tung der Regeln.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Sile­re non possum

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