
Im Vatikan bahnt sich leise ein nicht unbrisanter Kurskonflikt an: Der von Kardinal Víctor Manuel Fernández am Rande einer Pressekonferenz am 3. Juli angekündigte Text zu „verschiedenen marianischen Themen“ liegt offenbar bereits auf dem Schreibtisch von Papst Leo XIV. – doch dieser weigert sich, dem Dokument in seiner aktuellen Form den päpstlichen Segen zu erteilen.
Hinter den Kulissen soll „Tucho“ Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre und engster Vertrauter von Papst Franziskus, erheblichen Druck ausüben, um die Veröffentlichung durchzusetzen. Pikant daran: Das Dokument stammt noch aus der bergoglianischen Ära – doch Leo XIV. scheint wenig geneigt, es einfach durchzuwinken.
Wie Andrea Gagliarducci auf Monday Vatican berichtet, könnte die Zurückhaltung des neuen Papstes auf fundamentale Differenzen im Ton und in der Herangehensweise an Erscheinungen und Marienfrömmigkeit hindeuten. Leo XIV. scheint keine Bereitschaft zu zeigen, Dokumente abzusegnen, die einen Bruch mit Traditionen andeuten.
Das von „Tucho“ Fernández angekündigte Papier soll eine Fortsetzung der neuen Normen für die Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene darstellen, die im Mai 2024 veröffentlicht wurden. Mit diesen reformierten der Glaubenspräfekt und Papst Franziskus die Beurteilung angeblicher übernatürlicher Phänoeme und vor allem Marienerscheinungen grundlegend: Statt einer eindeutigen Bewertung der Übernatürlichkeit steht nun die pastorale Wirkung im Fokus. Das Resultat: ein Sechs-Stufen-System, von „nicht übernatürlich“ bis hin zu einem vorsichtigen nihil obstat, also einem „es spricht nichts dagegen“. Eine Anerkennung der Übernatürlichkeit wurde aber kategorisch ausgeschlossen. Eine Vorgehensweise, die für einige Irritation sorgte.
Fernández betonte, das nihil obstat sei zwar grundsätzlich positiv, warne jedoch zugleich vor möglichen Gefahren. Wiederkehrende problematische Muster in Erscheinungen, so der Kardinal, müßten weiterhin ernst genommen und unter Beobachtung genommen werden (etwa „Drohbotschaften“, „apokalyptische Ankündigungen“, „Strafankündigungen“). Das neue Dokument solle hier Klarheit schaffen – doch genau dieses Anliegen dürfte nun ins Stocken geraten sein.
Denn wie aus vatikanischen Kreisen zu hören ist, hat Leo XIV. den Text bereits gesichtet – und wesentliche Änderungen gefordert. Ob es sich dabei um reine Formsachen handelt oder um einen tieferliegenden Dissens zwischen dem bergoglianischen Kurs und dem neuen Pontifikat, ist unklar. Die auffällig häufigen Audienzen von Fernández beim Papst in letzter Zeit – mehr als die Routine vorsieht, zeigen jedenfalls eine intensive Aktivität an.
Eines scheint sicher: Das marianische Dokument wird zur Nagelprobe für das Verhältnis zwischen dem eigentlichen Autor höchst umstrittener Dokumente von Franziskus und einem Papst, der den Nachweis erbringen muß, nicht wie sein Vorgänger Gesten auf Kosten der kirchlichen Lehre setzen zu wollen.
Das angekündigte Dokument zu „einigen marianischen Themen“ könnte zum Test werden, an dem sich zeigt, wie nahe oder weit entfernt die Ausrichtung der beiden Pontifikate tatsächlich ist. Nach dem Sommer wird sich auch zeigen, ob Leo XIV. Fernández im Amt beläßt. Eine Entlassung des sichtbarsten Bergoglianers wäre nicht nur ein außerordentlich starkes Signal, sondern wohl auch eine schwere Erschütterung für das neue Pontifikat.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: doctrinafidei.va (Screenshot)