(Rom) Die „Synoden-Show“ in Rom, wie man gestern in einer spontanen Reaktion ausrief, hat begonnen. Damit ist gewiß nicht die Zelebration der Papstmesse auf dem Petersplatz zum Gedenktag des heiligen Franz von Assisi gemeint. Vielmehr schon der theatralische Runde Tisch, der anschließend auf demselben Platz mit Papst Franziskus stattfand. Doch interessieren soll an dieser Stelle ein Schreiben, das Kardinal Joseph Zen, der emeritierte Bischof von Hongkong und graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, eine Symbolgestalt des beharrlichen Widerstands gegen die kommunistische Unterdrückung, an alle Synodalen gerichtet hat.
Der 92jährige geistig rüstige Kardinal gehört zu den Unterzeichnern der Dubia, die Papst Franziskus am 21. August übermittelt, von ihm aber bisher nicht beantwortet wurden. Um genau zu sein, will er sie bereits am 11. Juli beantwortet haben mit einem siebenseitigen Schreiben, das noch mehr Fragen aufwirft und Verwirrung stiftet als jene, die ohnehin schon im Raum standen und Anlaß für die Dubia waren.
Das Schreiben des Kardinals stammt vom 21. September und ist an die 365 Synodenteilnehmer gerichtet. Ob es sie erreichte, ist eine andere Frage. Bereits 2014, bei der ersten Bischofssynode, die unter Franziskus stattfand, wurden Schriftstücke von Synodalen und anderen Kirchenvertretern, die nicht die gewünschte Meinung vertraten, nicht weitergeleitet. Erstmals kann auch nicht mehr von einer Bischofssynode gesprochen werden, da auch Nicht-Bischöfe und Laien, darunter 54 Frauen, stimmberechtigte Synodalen sind.
Gestern, zum Synodenauftakt, wurde das Schreiben von Kardinal Zen über zwei Medien, The Pillar und CNA, öffentlich bekannt. „Alt wie ich bin“, habe er nach weltlichen Maßstäben „nichts zu gewinnen oder zu verlieren“, Seine ernsten Bedenken an der vorgesehenen Synodenmethode wollte er aber auf diese persönliche Weise eigens deponieren.
Kardinal Zen informiert die Synodalen, daß in den Jahren 2014–2017 die Frage über die „Synodalität im Leben und in der Sendung der Kirche“ von der Internationalen Theologenkommission, die bei der Glaubenskongregation (heute Glaubensdikasterium) angesiedelt ist, genau studiert und das Ergebnis im gleichnamigen Dokument festgehalten, aber in keiner Weise für das Arbeitsdokument, das Instrumentum laboris, der Synode verwendet wurde.
Der Kardinal äußert zudem seine Befürchtung, daß der deutsche „Synodale Weg“ zum nivellierenden Modell für die Gesamtkirche gemacht werden soll, jenes „Modell“ also, das zwar nicht die Zustimmung von Franziskus erhielt, aber von diesem auch nicht gestoppt wurde.
Kardinal Zen warnt vor diesem deutschen Weg, der „eine revolutionäre Veränderung in der Verfassung der Kirche und in der Lehre über die Sexualmoral“ anstrebt. Das wurde, so der Purpurträger, den deutschen Bischöfen von hundert Kardinälen und Bischöfen attestiert, ohne daß diese „ihren Irrtum“ eingesehen hätten.
Kardinal Zen wird noch deutlicher:
„Das Generalsekretariat der Synode ist sehr effektiv in der Kunst der Manipulation“.
Er führt diesen schwerwiegenden, aber schon seit der ersten Bischofssynode unter Papst Franziskus im Jahr 2014 geäußerten Vorwurf näher aus:
„Sie beginnen damit, daß sie sagen, daß wir allen zuhören müssen, und nach und nach geben sie uns zu verstehen, daß es unter diesen ‚allen‘ vor allem jene gibt, die wir ‚ausgeschlossen‘ haben. Schließlich verstehen wir, daß die sich für eine andere Sexualmoral als die der katholischen Tradition entscheiden.“
Jene in der Kirche, die der Kardinal kritisiert, würden oft behaupten, „kein Programm“ zu haben, „das aber ist wirklich eine Beleidigung unserer Intelligenz. Jeder kann sehen, auf welche Schlußfolgerungen sie abzielen.“
„Sie sprechen vom ‚Gespräch im Geiste‘, als ob es sich dabei um eine Zauberformel handeln würde. Und sie laden alle ein, ‚Überraschungen‘ vom Geist zu erwarten (offensichtlich sind sie bereits darüber informiert, welche Überraschungen sie erwarten können). Bedeutet dies, daß Konsens und Einstimmigkeit auf wundersame Weise zustande kommen?“
Der Kardinal kritisiert auch, daß die Synodenarbeiten in kleinen Arbeitskreisen beginnen, wo doch zunächst die Debatte in der Versammlung notwendig wäre, da nur „auf diese Weise die umstrittensten Probleme auftauchen, Probleme, die eine wirkliche Diskussion erfordern“.
Absicht sei, so der Kardinal, die sakramentale Hierarchie der Kirche durch Demokratie zu ersetzen, um (eine neue) Glaubenslehre festzulegen. Dabei werde nur so getan, als sei man „demokratisch“, so der Kardinal. In Wirklichkeit sehe er chinesische kommunistische Taktiken am Werk, denn es handle sich um Manipulateure und Revolutionäre wie im Kommunismus. Es gehe um eine Form von „demokratischem Zentralismus“, der von einer Art „Zentralkomitee“ ausgeübt werde wie in den kommunistischen Parteien.
Der Kardinal empfiehlt daher ein Verfahren wie in der Vergangenheit, „nicht weil ‚es schon immer so war‘, sondern weil es das Vernünftigste ist, was man tun kann“. Wer die offene Konfrontation meide, verhindere in Wirklichkeit die Wahrheit.
Damit wendet sich der Kardinal unter anderem gegen das Wahlrecht für Laien, das ein Novum dieser Synode ist:
„Wäre ich eines der Synodenmitglieder, würde ich heftig protestieren, denn diese Entscheidung verändert radikal das Wesen der Synode, die Papst Paul VI. als Instrument der bischöflichen Kollegialität konzipiert hatte, auch wenn im Geiste der Synodalität Laien als Beobachter mit der Möglichkeit, sich zu Wort zu melden, zugelassen wurden.“
Nicht ohne Grund stellt der Kardinal die Frage in den Raum:
„Sind wir sicher, daß diese eingeladenen Laien glaubenstreu sind, daß sie wenigstens noch in die Kirche gehen?“
Während bei den Bischöfen eindeutig sei, wen sie repräsentieren, nämlich ihre Jurisdiktion, sei das bei den eingeladenen Laien völlig unklar.
Auch die erneute Zweiteilung der Synode, wie es bereits bei der Familiensynode 2014 und 2015 der Fall war, indem für 2024 eine zweite Session vorgesehen ist, wird von Kardinal Zen kritisiert:
„Mein dunkler Verdacht ist, daß die Organisatoren sich für mehr Zeit zum Manövrieren entscheiden, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie ihre Ziele während dieser Sitzung erreichen können.“
Der Kardinal erinnerte auch an den Vorwurf, der von dreizehn Kardinälen mit einem Beschwerdebrief vor Beginn der zweiten Familiensynode 2015 gegen „vorgefertigte Ergebnisse“ erhoben wurde. Zugleich ruft er die Synodalen auf, sich gegen die unangemessenen Methoden für die beginnende Synode zu wenden:
„Ein unangemessenes Verfahren zu akzeptieren bedeutet, die Synode zum Scheitern zu verurteilen“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons