Ein überfülltes Erbe: Leo XIV. beruft sein erstes außerordentliches Konsistorium ein

Wie Franziskus das Konklave seiner Nachfolge vorprägte


Papst Leo XIV. beruft sein erstes außerordentliches Konsistorium ein
Papst Leo XIV. beruft sein erstes außerordentliches Konsistorium ein

Papst Leo XIV. steht vor einer eigen­ar­ti­gen Pre­mie­re: Für den 7. und 8. Janu­ar 2026 wur­de von ihm ein außer­or­dent­li­ches Kon­si­sto­ri­um ein­be­ru­fen – ein Tref­fen sämt­li­cher Kar­di­nä­le, des­sen The­ma bis­lang streng geheim bleibt. Der Vati­kan bestä­tig­te die Ein­la­dung bis­lang nicht offi­zi­ell, doch laut Edward Pen­tin vom Natio­nal Catho­lic Regi­ster wur­de bereits eine kur­ze Mit­tei­lung aus der Staats­se­kre­ta­ri­ats­kanz­lei an die Kar­di­nä­le verschickt.

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Bemer­kens­wert ist nicht nur der unge­wöhn­li­che Zeit­punkt die­ser Ver­samm­lung, son­dern vor allem, was sie nicht sein wird: kein Kon­si­sto­ri­um zur Ernen­nung neu­er Kar­di­nä­le. Der Grund dafür liegt auf der Hand – und er ist kir­chen­po­li­tisch brisant.

Ein übervolles Erbe

Das Kar­di­nals­kol­le­gi­um zählt der­zeit 127 wahl­be­rech­tig­te Kar­di­nä­le – also sie­ben mehr, als die Wahl­kon­sti­tu­ti­on von Johan­nes Paul II. (Uni­ver­si Domi­ni­ci Gre­gis) als Ober­gren­ze vor­sieht. Mit dem heu­ti­gen Tag schei­det Vin­cent Kar­di­nal Nichols, der Erz­bi­schof von West­min­ster, aus dem Kreis der Papst­wäh­ler aus.
Fran­zis­kus hat­te sich in den letz­ten Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats kaum von die­ser Begren­zung beein­drucken las­sen und fast im Jah­res­takt neue Pur­pur­trä­ger kre­iert, oft aus ent­le­ge­nen Diö­ze­sen und mit einem kla­ren Fokus statt auf Kurie und Tra­di­ti­on auf fik­ti­ve „Rän­der“, die er jen­seits sei­ner Ima­gi­na­ti­on nie näher definierte.

Das Resul­tat war ein Kon­kla­ve nach berg­o­glia­ni­schem Zuschnitt, des­sen Mehr­heits­ver­hält­nis­se sei­nen Nach­fol­ger schon vor Amts­an­tritt fest­leg­ten. Wäh­rend sich Fran­zis­kus auf die Fah­ne schrieb, die Kir­che syn­oda­ler, also „par­ti­zi­pa­ti­ver“ zu gestal­ten, hat er in Wahr­heit das Gegen­teil getan – indem er das ein­zi­ge wirk­lich kol­le­gia­le Gre­mi­um der Kir­che, das über sei­ne Nach­fol­ge ent­schei­det, mas­siv in sei­nem Sin­ne formte.

Ein Papst mit (vorerst) gebundenen Händen

Für Leo XIV. bedeu­tet die­ses Erbe eine para­do­xe Situa­ti­on. Der neue Papst kann der­zeit kei­ne neu­en Kar­di­nä­le ernen­nen – außer er wür­de sich auto­kra­tisch über gel­ten­des Recht hin­weg­set­zen wie sein Vor­gän­ger. Erst bis April 2026 wer­den die über­zäh­li­gen Pur­pur­trä­ger ihr 80. Lebens­jahr errei­chen und damit ihr Wahl­recht ver­lie­ren. Erst ab März 2027 stün­den dann genü­gend freie Plät­ze zur Ver­fü­gung – zumin­dest fünf –, um neue Ernen­nun­gen vor­zu­neh­men. Auch dann blie­be die von Johan­nes Paul II. fest­ge­leg­te Gren­ze von 120 Wahl­be­rech­tig­ten maxi­mal ausgereizt.

Mit ande­ren Wor­ten: Leo XIV. wird frü­he­stens in gut andert­halb Jah­ren über­haupt die Mög­lich­keit haben, sei­ne eige­ne Hand­schrift im Kar­di­nals­kol­le­gi­um zu hin­ter­las­sen. Bis dahin bleibt das Gre­mi­um, das im näch­sten Kon­kla­ve über sei­nen Nach­fol­ger ent­schei­det, ein Spie­gel des berg­o­glia­ni­schen Per­so­nal­stils – äußer­lich ohne klar erkenn­ba­re Kri­te­ri­en, aber dis­zi­pli­niert auf Linie gebracht. Fran­zis­kus war stets auf der Suche nach den pro­gres­siv­sten Kan­di­da­ten, die er nicht immer in sei­nem Sin­ne fand – da er nicht sel­ten auf Ein­flü­ste­run­gen irgend­wel­cher Freun­de hörte.

Ein Konsistorium der Ungewißheit

Der nun ange­kün­dig­te außer­or­dent­li­che Kon­si­sto­ri­um­s­ter­min im Janu­ar wirft des­halb Fra­gen auf. Wenn es nicht um neue Kar­di­nä­le geht – wor­um dann? Laut Pen­tins Bericht könn­te die Zusam­men­kunft im Zusam­men­hang mit den soge­nann­ten „Stu­di­en­grup­pen“ ste­hen, die nach dem letz­ten Tref­fen derSyn­oda­li­täts­syn­ode ein­ge­setzt wur­den, um kon­kre­te The­men­fel­der wei­ter zu unter­su­chen. Die­se Grup­pen, von Leo XIV. sogar noch erwei­tert, sol­len am 31. Dezem­ber 2025 ihre Berich­te vorlegen.

Ein Zusam­men­hang wäre denk­bar, doch bleibt dies rei­ne Spe­ku­la­ti­on. Der Vati­kan schweigt. Eben­so unklar ist, ob über­haupt alle Kar­di­nä­le bereits offi­zi­ell über den Ter­min infor­miert sind.

Ein stiller Kontrast

Fran­zis­kus hat­te zuletzt im Febru­ar 2014 ein ver­gleich­ba­res Tref­fen ein­be­ru­fen, damals zur Dis­kus­si­on der bevor­ste­hen­den ersten Fami­li­en­syn­ode, mit der die Öff­nung gegen­über Schei­dung, Zweit­ehe, Homo-Bezie­hun­gen und ande­ren irre­gu­lä­ren Bezie­hun­gen begann. Fran­zis­kus hat­te damals Kar­di­nal Wal­ter Kas­per das Impuls­re­fe­rat über­tra­gen, der eine „pasto­ra­le Lösung“ für die soge­nann­ten wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen vor­schlug, die auf ener­gi­schen Pro­test stieß und bis heu­te die Kir­che in ihrem inne­ren spal­tet. Die­ser Pro­test war Fran­zis­kus Grund genug, kein ver­gleich­ba­res außer­or­dent­li­ches Kon­si­sto­ri­um mehr einzuberufen. 

Nur im August 2022 setz­te er noch ein­mal, zumin­dest for­mal, einen sol­chen Schritt, um die Kuri­en­re­form Prae­di­ca­te Evan­ge­li­um zu dis­ku­tie­ren, tat­säch­lich aber, um auch in die­sem Rah­men neue Kar­di­nä­le zu ernennen. 

Im Ver­gleich dazu wirkt das kom­men­de Tref­fen von Leo XIV. wie ein Über­gang – ein not­wen­di­ger Akt der Samm­lung in einem Kol­le­gi­um, das längst über­dehnt und durch die Ernen­nungs­po­li­tik sei­nes Vor­gän­gers in der Aus­rich­tung vor­ge­prägt ist.

Fazit: Die Archi­tek­tur der Nachfolge

Fran­zis­kus hat das Spiel­feld so geschickt vor­be­rei­tet, daß selbst ein Papst Leo XIV. kaum mehr als Zuschau­er im eige­nen Haus ist – zumin­dest, was das Kol­le­gi­um der Papst­wäh­ler betrifft. Was einst als Aus­druck päpst­li­cher Mäßi­gung galt – die Ein­hal­tung einer fest­ge­setz­ten Ober­gren­ze von 120 Kar­di­nä­len – wur­de unter Fran­zis­kus zur dehn­ba­ren Größe.

So wird das Kon­si­sto­ri­um im Janu­ar weni­ger wegen des­sen, was beschlos­sen wird, in Erin­ne­rung blei­ben, son­dern wegen des­sen, was nicht mehr mög­lich ist: Leo XIV. kann die Gestalt der Kir­che vor­erst nicht selbst bestim­men. Sei­ne Hän­de sind gebun­den – durch die unbän­di­ge Schaf­fens­freu­de sei­nes Vorgängers.

Ein Papst, der Syn­oda­li­tät pre­dig­te, hat sei­nem Nach­fol­ger die Syn­oda­li­tät genom­men – und das Kon­kla­ve, das eines Tages über die Zukunft der Kir­che ent­schei­det, trägt schon heu­te sei­ne Handschrift.

Leo XIV. könn­te mit sei­nem Schritt bemüht sein, das Kar­di­nals­kol­le­gi­um wie­der stär­ker in die Lei­tung der Kir­che ein­zu­bin­den – und auf die­se Wei­se Ein­fluß und viel­leicht auch eine man­che Neu­ju­stie­rung in der Aus­rich­tung vor­zu­neh­men. Ob es ihm gelin­gen wird? Und vor allem: in wel­che Rich­tung? Die­se scheint bis­her noch nicht klar erkennbar.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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