(Rom) Heute vor acht Jahren gab Papst Benedikt XVI. die aufsehenerregendste Nachricht seines Pontifikats bekannt, seinen überraschenden Amtsverzicht. Die Zahl der Katholiken, denen an diesem Tag alljährlich wehmütig zumute ist, wird weltweit nach wie vor als sehr groß eingeschätzt.
Über den Amtsverzicht wurde seither viel gerätselt und so manche Theorie entwickelt. Der Amtsverzicht, wie ihn Benedikt XVI. vornahm, ist in der Kirchengeschichte tatsächlich beispiellos. Als Anomalie wird seit acht Jahren auch die Koexistenz zweier Päpste empfunden. Kirchenrechtlich gibt es nur einen Papst und kann es auch nur einen geben, und der heißt seit dem 13. März 2013 Franziskus. Benedikt XVI. trug selbst dazu bei, den außergewöhnlichen Zustand zu verstärken, indem er sich den bisher unbekannten Titel eines „emeritierten Papstes“ zulegte und weiterhin in Weiß gekleidet ist.
Hauptgrund für ein ungewöhnliches und verbreitetes Gefühl des Unwohlseins in der Kirche ist jedoch die offenkundige Diskrepanz zwischen den beiden Pontifikaten. Der Gegensatz zwischen dem Theologen (Benedikt XVI.) und dem Politiker (Franziskus) auf dem Papstthron liegt vor aller Augen.
Das Zeichen vom Himmel
Der 11. Februar 2013 ist zudem mit einem außergewöhnlichen Naturphänomen verbunden, dem Blitzeinschlag in die Peterskuppel. Wenn ein solche Ereignis ein Zeichen ist, dann dieses – welches sonst. Benedikt XVI. teilte an jenem Tag den im Konsistorium versammelten Kardinälen seinen Rücktritt zum Monatsende mit. Abends schlug ein mächtiger Blitz in den Petersdom ein.
Das spektakuläre Ereignis wurde bildlich festgehalten und ging in Windeseile um die Welt. Die Reaktion war ein solches Staunen und Erschrecken, daß fast ebenso schnell versucht wurde, das Phänomen zu bagatellisieren, herunterzuspielen oder ganz in Frage zu stellen. Unschwer erklärbar taten sich dabei vor allem jene Kreise hervor, die im freiwilligen Abgang des deutschen Papstes ein kaum zu glaubendes Geschenk sahen. Kirchenvertreter, die ansonsten gerne „Zeichen“ erkennen und deuten, schwiegen zu diesem eklatanten Ereignis. Andere behaupteten willkürlich, ein solcher Blitzeinschlag sei nichts Außergewöhnliches. Das Gegenteil ist der Fall.
Auch acht Jahre nach dem Vorfall handelt es sich um ein absolut singuläres Ereignis. Weder seither noch zuvor ist ein solches Phänomen mündlich, schriftlich oder gar bildlich dokumentiert.
In Zeiten von PhotoShop und Fake News sind Zurückhaltung und Zweifel empfehlenswert. Die Aufnahmen des Blitzeinschlags sind jedoch detailliert dokumentiert. Die Namen der Autoren sind bekannt. An erster Stelle ist Alessandro di Meo zu nennen, Pressefotograf der staatlichen italienischen Presseagentur ANSA. Di Meo wurde durch das Bild bekannt und vielfach dazu interviewt. Er lieferte die genauen technischen Daten zur Aufnahme. Bestätigung fand sein Schnappschuß durch einen ebenfalls anwesenden Kameramann der BBC, der sich im Gegensatz zu di Meo bei den gegenüberliegenden Kolonnaden des Bernini platziert hatte. Seine Filmaufnahmen sind das zweite Dokument, das den Blitzeinschlag beweist.
Die indirekte Bestätigung lieferte Stefano Dietrich. Der Nachkomme von Deutschrömern ist Leiter des europäischen Blitz-Informations-Dienstes LINET beim Istituto di scienze dell’atmosfera e del clima (ISAC) des staatlichen Nationalen Forschungsrates (CNR). Dietrich bestätigte für 17:54 Uhr zwei registrierte Blitze im zeitlichen Intervall von 75 Tausendstel, die drei Kilometer voneinander entfernt niedergingen. Es wird angenommen, daß es sich um zwei Arme desselben Blitzes handelte, von denen einer in die Peterskuppel einschlug. Dietrich wörtlich in einem Interview der Wissenschaftsredaktion des Corriere della Sera am 13. Februar 2013:
„Ich schließe absolut aus, daß es sich nur um einen Perspektiveneffekt gehandelt hat.“
Man muß bis in das Jahr 1870 zurückgehen, um ein auch nur annähernd vergleichbares Geschehen zu finden. Damals ging gegen Ende des Ersten Vatikanischen Konzils ein heftiges Gewitter über Rom nieder. Der Donner, der auf einen Blitz folgte, der sich unweit des Vatikans entladen hatte, ließ die Fensterscheiben des Petersdoms heftig klirren. Keine Scheibe ging jedoch zu Bruch. Der Blitz hatte weder im Petersdom noch im Vatikan eingeschlagen. Dennoch wurde es damals, weil so außergewöhnlich, von den Medien berichtet und später mit der Aggression des italienischen Staates gegen den Kirchenstaat in Verbindung gebracht.
Mit dem 11. Februar sind somit gleich mehrere Superlative verbunden, eben beispiellose Dinge, die das Ereignis in seiner historischen Bedeutung herausheben. In höheren Kirchenkreisen herrscht dennoch ein seltsames Stillschweigen dazu. Es könnte durchaus über das Phänomen gesprochen werden, und viele würden es normalerweise auch tun. Doch wie immer die Interpretation ausfallen würde, wäre sie kirchenpolitisch heikel. Sie könnte als Parteinahme für den einen oder den anderen Papst verstanden werden. Genau das ist aber ein Tabu.
Johann Wolfgang von Goethe: „Man traut seinen eigenen Augen nicht … so einzigartig und wunderbar“
Diese Aufnahme aus dem Jahr 1930 zeigt das große Kreuz auf der Laterne der Peterskuppel. Das Bild stammt aus historischen Filmaufnahmen des Istituto Nazionale Luce vom Juni 1930, wie mit Fackeln und Laternen das Kreuz, die Laterne, die Kuppel und die Fassade des Petersdoms sowie die Kolonnaden des Bernini geschmückt und erleuchtet wurden. Das Filmdokument zeigt das akrobatische Anbringen der Beleuchtung durch die Sampietrini, die Mitarbeiter der Bauhütte.
Das Filmarchiv des Instituts macht keine näheren Angaben. Die Aufnahmen zeigen jedoch die Feierlichkeiten für das Fest des Apostelfürsten Petrus am 29. Juni 1930. Aus Anlaß dieses Festes wurde alljährlich der Petersdom auf so spektakuläre Weise erleuchtet. Die letzte manuelle Beleuchtung erfolgte am 29. Juni 1938.
Das Flackern der Flammen ließ den Petersdom in der Nacht funkeln und schuf etwas in seiner Art Einzigartiges. Seit 1938 wurde diese alte suggestive Tradition nicht mehr wiederholt und ist nur noch durch die Filmaufnahme des Istituto Luce und vereinzelt erhalten gebliebene Fotos dokumentiert.
Johann Wolfgang von Goethe wurde bei seinem ersten Rom-Aufenthalt 1780 staunender Zeuge der Beleuchtung, die er als ein Schauspiel wie aus der phantastischen Märchenwelt beschreibt. Selbst wer es bestaunen könne, traue seinen eigenen Augen nicht. Der Dichterfürst sah die von ihm gerühmten Formen der Kolonnaden, der Kirche und der Kuppel wie in einem brennenden Feuerrahmen erstrahlen. Eine Stunde etwa, so Goethe, habe es gedauert, bis alle Fackeln und Laternen entzündet waren. Dann zeigte sich ihm das Gotteshaus über dem Grab des Apostelfürsten wie ein glühendes Ganzes. Ein Ereignis, das Goethe als „einzigartig und wunderbar“ schildert, etwas, wie er meint, das es eigentlich gar nicht geben könne. Der Himmel war klar und bei der „zweiten Beleuchtung“ habe nicht einmal der Schein des erleuchteten Mondes das Schauspiel gedämpft.
Das vollständige, einzigartige historische Filmdokument in der Länge von fast zehn Minuten kann hier angeschaut werden.
Die Beleuchtung des Petersdomes am 29. Juni 1780, wie sie Goethe erlebte, faszinierte ihn zutiefst. Die „Beleuchtung“ des Petersdomes am 11. Februar 2013, wie sie durch die Bilddokumente die ganze Welt sah, erschütterte hingegen viele zutiefst.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Wikicommons/Luce
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