
Der Artikel, den wir vergangene Woche über die Unersättlichkeit veröffentlichten, die im traditionellen Milieu häufig zu beobachten ist – verfaßt von Eck –, stieß auf weitaus größeres Interesse, als ich erwartet hätte. Ich denke, der Autor hat einen wunden Punkt getroffen, der im gesamten „Tradi“-Universum schmerzt. Eck ist Spanier und beschreibt, was er in seinem Land beobachtet – was genau dem entspricht, was auch wir hier feststellen. Und das Problem ist keineswegs anekdotischer Natur, sondern durchaus ernst: Es handelt sich um das, was ich das „McDonald’s‑Kunden-Syndrom“ nennen möchte. Damit meine ich die Haltung, daß ein BigMac immer mit Gewürzgurken geliefert wird – und wer diese nicht mag, der soll eben zu Burger King gehen.
Vor vielen Jahren – ich meine, es war 2009 – veröffentlichte ich einen Artikel mit dem Titel „Kommt mit Pommes“, den ich heute aus unerfindlichen Gründen nicht mehr finden kann. Der Titel bezog sich auf die übliche, ungerührte Antwort, die man in Fast-Food-Restaurants erhält, wenn man beispielsweise beim Menü statt Pommes lieber einen Salat hätte: „Kommt mit Pommes“ oder „Kommt mit Gurken“. Es gibt keine Wahl. Nimm alles – oder nimm nichts.
Und um zu zeigen, daß dies keine Übertreibung ist, zitiere ich hier einen Kommentar, den ein Leser unter den Artikel von Eck schrieb – einen Kommentar, den ich aus naheliegenden Gründen nicht veröffentlicht habe, da er völlig überzogen war. Dort hieß es unter anderem:
„In meinem Heimatland Argentinien muß ein guter Katholik die spanische Eroberung positiv und als für unseren Glauben notwendig würdigen; die thomistische Philosophie; die spanische Monarchie – insbesondere die der katholischen Könige und der Habsburger – gutheißen; die föderalistischen Caudillos gegenüber den liberalen Unitariern bevorzugen; Juan Manuel de Rosas als Wiederhersteller der hispano-katholischen Gesetze anerkennen; darf in keiner Weise das demokratische System unterstützen, ohne es infrage zu stellen; soll die folkloristische Musik gegenüber der antichristlichen Rockmusik und anderer sittenverderbender Musikstile lieben – oder es zumindest versuchen – und wird daher, selbst wenn er im Zentrum von Buenos Aires lebt, symbolisch gegen die kulturelle Revolution in Feldhose, Baskenmütze und Espadrilles auftreten…“
Für diesen wohlmeinenden Leser beinhaltet das „Menü“ also nicht nur Pommes und Gurken, sondern noch viele weitere Zutaten. Um gerettet zu werden, reicht es offenbar nicht aus, das zu glauben, was die Kirche lehrt, und ein göttliches Leben in der Seele zu führen – man muß auch die Punzó-Farbe tragen (eine scharlachrote Schleife, die Zustimmung zur föderalistisch ausgerichteten Regierung von Juan Manuel de Rosas, Gouverneuer der Provinz Buenos Aires, signalisierte) und Chacarera tanzen. Es ist, kurz gesagt, die Unersättlichkeit in grotesker Form.
Und obwohl niemand den guten Willen jener Katholiken bezweifelt, die auf diese Weise denken, liegt die Gefahr des Pharisäertums nur wenige Schritte entfernt. Denn viele werden glauben, daß sie bereits gerettet seien, wenn sie all diese Bedingungen erfüllen. Die Nächstenliebe – selbst zu den Nächsten –, das persönliche Gebet, die Schriftlesung, das innere Leben: all das zählt dann wenig. Es genügt, Thomist zu sein, Espadrilles zu tragen und – selbstverständlich – zur überlieferten Messe zu gehen.
Ein Nebenaspekt jedoch, der sich aus Ecks Artikel ergibt und über den ich hier kurz sprechen möchte, ist die Existenz von Clans innerhalb der traditionellen Welt. Diese neigen, um ihre Identität zu behaupten und keine Anhänger zu verlieren, zu Reibereien und kleineren Fehden mit ihren „Kollegen“. Die FSSPX mißtraut der FSSP, die FSSP dem ICRSS, das ICRSS dem Institut du Bon Pasteur; Priester, die ausschließlich die überlieferte Messe zelebrieren, beäugen jene, die „birituell“ sind; nationalistische Gläubige stehen in Spannung zu carlistischen; Träger schwarzer Baskenmützen zu Trägern roter; Meßbesucher im Anzug mit Krawatte zu jenen im T‑Shirt; Frauen mit Schleier zu solchen ohne – und unter diesen wiederum die mit lockerem Schleier zu denen mit gebundenem; und so weiter und so fort.
Das ist nichts Neues; bereits der heilige Paulus sah dieses Verhalten in seinen Gemeinden: „Jeder von euch sagt: Ich gehöre zu Paulus – ich zu Apollos – ich zu Kephas – ich zu Christus“ (1 Kor 1,12). Wenn sich solche Dynamiken bereits in den Anfängen der Kirche zeigten und selbst der Apostel sie nicht verhindern konnte, dann wird es auch uns kaum gelingen. Und doch meine ich, daß die Existenz solcher Clans auch etwas Positives hat.
Ich spreche bewußt von „Clans“, weil Michael Matt diesen Begriff nach dem Motu proprio Traditionis custodes populär gemacht hat, durch seinen Aufruf: „Unite the clans“. Was er mit vollem Recht sagt, ist: „Laßt uns gegen die Abschaffung der überlieferten Messe vereint auftreten – sie ist das Zentrum unseres Kampfes – und dabei unsere untereinander bestehenden Unterschiede beiseitelegen oder zumindest relativieren.“ Wenn der Tartan meines Clans grün, blau und weiß ist und der des anderen braun, grün und blau – dann laßt uns nicht darüber streiten, welcher schöner oder besser ist. Laßt uns gemeinsam unter Robert the Bruce gegen die englischen Invasoren kämpfen.
Ich fürchte allerdings, daß die Einigung der traditionalistischen Clans noch schwieriger ist als die der schottischen Clans.
Aber – und ich betone es nochmals – die Existenz dieser „Stämme“ hat auch etwas Gutes: Sie zeigt auf besonders anschauliche Weise, daß die Traditionalisten keine ideologisch gleichgeschaltete Gruppe sind, keine uniforme Masse, keine Sekte, kein Schisma und schon gar nichts Gefährliches. Wir sind ganz gewöhnliche Katholiken, die ihren Glauben so leben möchten, wie ihn unsere Vorfahren gelebt haben – und wie wir hoffen, daß auch unsere Nachkommen ihn leben werden.
Wäre die traditionelle Welt eine Art „Bewegung“, wie man sie uns oft karikierend unterstellt, müßten wir notwendigerweise geeint sein. Doch das sind wir nicht – weder im Guten noch im Schlechten. Eine gewisse Einheit wäre freilich wünschenswert, etwa um gemeinsame Strategien zu entwickeln – die uns fehlen und was oft zu Mißerfolgen und Enttäuschungen führt. Aber gerade diese Vielfalt zeigt, daß wir normale Katholiken sind. Keine Sekte, kein Schisma – ungeachtet dessen, was einige Kirchenrechtler behaupten mögen –, kein Haufen rückwärtsgewandter „Indietristen“, wie es Papst Franziskus gerne höhnisch formulierte, und schon gar kein Trupp von Wirrköpfen, die eine Rückkehr zur mittelalterlichen Ordnung planen. Wir sind normale Menschen – normale Katholiken, mit unseren Fehlern und Stärken, unseren Streitigkeiten und Versöhnungen, unseren „Charismen“ und unseren mal mehr, mal weniger erfolgversprechenden Möglichkeiten.
Deshalb finde ich es ein gesundes Zeichen, wenn einige zur Messe in Feldhose und Baskenmütze erscheinen und andere im Anzug mit Fliege; wenn einige die Demokratie entschieden ablehnen und andere versuchen, durch die Ritzen zu schlüpfen, die das System läßt; wenn einige Thomisten sind und andere Augustinus bevorzugen – und man könnte diese Liste fortsetzen. Vielleicht gefallen uns diese Entscheidungen mehr oder weniger; wir können darüber mit größerem oder geringerem Eifer diskutieren. Aber das Entscheidende ist zu erkennen, daß diese gesunde Vielfalt Teil unserer Normalität ist – und daß jeder Versuch einer erzwungenen Vereinheitlichung nicht nur zum Scheitern führen wird, nicht nur das nahtlose Gewand zerreißt, sondern uns letztlich unersättlich machen würde.
*Caminante Wanderer ist ein argentinischer Philosoph und Blogger.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer
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