
Die Regierung von Québec unter der Führung der Coalition Avenir Québec (CAQ) hat ein Gesetzesvorhaben angekündigt, das Gebete in öffentlichen Räumen verbieten soll. Dies ist Teil einer neuen Offensive, die darauf abzielt, die Säkularität als ein fundamentales Prinzip der französischsprachigen Provinz Kanadas durchzusetzen. Pierre-Alain Depauw von Médias-Press spricht von einer „zwanghaften Säkularität, diktiert durch die Freimaurerei“.
Der Bildungsminister von Québec, zugleich zuständig für die „Säkularität“, Jean-François Roberge, bestätigte, daß der Gesetzesentwurf im kommenden Herbst in der Parlamentssitzungsperiode eingebracht wird. Ziel des Gesetzes sei es, so die Regierung, auf die „Ausbreitung von Straßengebeten“ im Jahr 2024 zu reagieren. Als Vorwand dient das Verbot von Straßengebeten, die von islamischen Vereinen organisiert werden. Doch das tatsächliche Ziel ist ein restriktiver freimaurerischer Säkularismus, der sich auch gegen die Katholiken richtet.
Diese Initiative reiht sich in die strikte Säkularitätspolitik ein, die Québec in den vergangenen Jahren vorangetrieben hat, seit die Coalition Avenir Québec 2018 an die Regierung gekommen ist. Diese Politik wurde unter anderem durch das Gesetz 21 von 2019 sichtbar, das es Beamten in Autoritätspositionen – wie Richtern, Polizisten und Lehrern – verbietet, sichtbare religiöse Symbole zu tragen. Ebenso wurde im April 2023 das Verbot von Gebetsräumen in öffentlichen Schulen erlassen.
Laut Roberge soll diese neue Gesetzgebung die Neutralität öffentlicher Räume gewährleisten, indem sie kollektive oder sichtbare Gebete an öffentlichen Orten und in öffentlichen Gebäuden verbietet. Auch wenn die vollständigen Details noch nicht bekannt sind, betont die Regierung an, daß die Maßnahme natürlich keine privaten religiösen Praktiken in Privathaushalten oder Kultstätten betreffen werde, sondern sich auf öffentliche religiöse Kundgebungen konzentrieren soll, die nach Auffassung der Behörden die öffentliche Ordnung oder die Wahrnehmung der Neutralität des Staates stören würden.
Die Religion soll nicht nur aus dem religiösen Raum verdrängt, sondern durch staatliche Gewalt unterdrückt werden.
Die Ankündigung nutzt jüngste Ereignisse aus, wie etwa die großen islamischen Gebete auf den Straßen von Montréal und anderen Städten, die eine öffentliche Debatte ausgelöst haben. Die Regierung argumentiert, dass diese Manifestationen eine Bedrohung für den sozialen Zusammenhalt und die laizistischen Werte der Provinz darstellen. Ein Argument, das bei einem großen Teil der Bevölkerung Anklang findet, allerdings allein darauf bezogen, weil er die Islamisierung des Landes ablehnt. Die Islamisierung wiederum ist aber kein Produkt der katholischen Kirche, des Christentums oder anderer Religionen, sondern einzig einer liberalen Einwanderungspolitik des Staates.
Die verquere Logik entspricht jener, wie sie auch in europäischen Staaten anzutreffen ist. Die islamische Masseneinwanderung wird erlaubt und gefördert, doch dann soll Muslimen das Kopftuch verboten werden. Der Ansatz ist offensichtlich falsch.
Bedenken der Katholiken
Der Erzbischof von Montréal, Msgr. Christian Lépine, äußerte „tiefe Besorgnis“ über die Auswirkungen dieser Maßnahme, die er als unvereinbar mit der Kanadischen Charta der Rechte und Freiheiten, der Charta der Rechte und Freiheiten von Québec sowie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ansieht. Seiner Meinung nach könnten solche Initiativen tief verwurzelte religiöse Traditionen in der Provinz bedrohen.
Auch die Versammlung der katholischen Bischöfe von Québec äußerte sich durch ihren Präsidenten, Msgr. Martin Laliberté, der sich „erschüttert“ zeigte und warnte, daß die Maßnahme auch die Katholiken betreffen würde. In einem offenen Brief warnten die Bischöfe, daß der Vorschlag diskriminierend sei und dazu mißbraucht werden könnte, um katholische Prozessionen zu verbieten.
Die Fondation constitutionnelle canadienne erklärte, daß diese Initiative das Recht auf Religionsfreiheit verletzen würde, das durch die Verfassung geschützt ist. Die bekannte Rechtsanwältin und Bestseller-Autorin Christine Van Geyn erklärte:
„Dieser Gesetzentwurf stellt einen Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit dar, das durch die Verfassung geschützt ist. Wir sind der Meinung, daß es sich um einen Übergriff handelt, der die Religionsgemeinschaften in ganz Québec betreffen wird und einer gründliche Prüfung bedarf. Laizismus erfordert nicht die Feindseligkeit gegenüber Gläubigen, doch genau das stellt dieses Gesetz dar.“
Christine Van Geyn fügte hinzu:
„Die Regierung sollte die bestehenden Gesetze durchsetzen und Bußgelder gegen diejenigen verhängen, die den Verkehr blockieren oder gegen Lärmbestimmungen verstoßen, anstatt auf alle Gläubigen zu zielen.“
Verfassungswidrig
Verfassungsrechtler haben die rechtliche Umsetzbarkeit des Vorschlags infrage gestellt und angemerkt, daß er möglicherweise die Anwendung der „Notstands-Klausel“ der Charte canadienne erfordern könnte – ein Instrument, das Québec bereits genutzt hat, um das Gesetz 21 und andere umstrittene Maßnahmen durchzusetzen. Diese Klausel ermöglicht es den Provinzen, vorübergehend bestimmte verfassungsmäßige Schutzrechte auszusetzen, doch ihre wiederholte Nutzung hat Kritik ausgelöst, da sie die grundlegenden Rechte und damit die Rechtssicherheit schwächt. Einige Analysten warnen, daß das Verbot zu langwierigen Rechtsstreiten führen könnte, ähnlich denen, die gegen frühere Gesetze eingeleitet wurden.
Die 2011 gegründete Coalition Avenir Québec löste 2018 den älteren Parti Québécois bzw. die Liberale Partei in der Regierung der französischsprachigen kanadischen Provinz Québec ab. Während die gesellschaftspolitisch links orientierten Liberalen die kanadischen Union verteidigen und der Parti Québecois separatistisch ausgerichtet ist, fordert die Coaltion Avenir Québec zwar mehr Autonomie für Quebec, aber innerhalb der Union. Politisch steht sie zwar rechts vom sozialdemokratisch orientierten Parti Québecois und der Liberalen Partei, entstammt jedoch der radikallaizistischen freimaurerischen Tradition, von der auch Frankreichs bürgerliche Parteien geprägt sind.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube (Screenshot)
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