
Der Franziskaner Pater Francesco Patton, er stammt aus der Konzilsstadt Trient, war von 2016 bis 2025 Kustos des Heiligen Landes. Die Kustodie war im Jahre 1217 vom heiligen Franz von Assisi gegründet worden zur Betreuung und zum Schutz der Heiligen Stätten. Pater Patton war der 168. Kustos der Heiligen Stätten. Zum Ende seines Mandats veröffentlichte er das Buch: „Wie eine Pilgerschaft. Meine Tage im Heiligen Land“, das vom Verlag der Franziskanerkustodie herausgegeben wurde.
In dem Gesprächsbuch behandelt Pater Patton auch die Frage der Angriffe auf Christen, besonders Priester und Ordensleute, aber auch Kirchen und christliche Stätten. Von wem werden die Christen im Heiligen Land bedroht? Auf Facebook veröffentlichte der in Trient lebende katholische Publizist Francesco Agnoli die entsprechenden Passagen. Der studierte Philosoph Agnoli, Kolumnist verschiedener Medien und Autor zahlreicher Bücher, im Jahre 2023 auch Landtagskandidat der Welschtiroler Autonomistenpartei (PATT), schreibt auf seiner Facebook-Seite:
„Es ist bekannt, daß die schwersten Christenverfolgungen weltweit in kommunistischen Ländern und durch islamistische Terrorgruppen stattfinden. Anders ist es jedoch im Heiligen Land, wo das eigentliche Problem – obwohl es nie an Spannungen zwischen den beiden seit Jahrtausenden dort präsenten Gemeinschaften der Muslime und der Christen mangelte – die israelischen Extremisten sind, sowie die Regierungen (und genau das ist der entscheidende Unterschied), die sie schützen und unterstützen.
Seit 70 Jahren kommen entsprechende Klagen von Päpsten, Patriarchen und Kustoden. Auch der letzte Kustos des Heiligen Landes, der Italiener Pater Francesco Patton, erinnert in seinem dieses Jahr veröffentlichten Buch an „die Gewaltakte der Siedler gegen palästinensische Dörfer und jene der Islamisten gegen Synagogen in Lod und anderen Orten im Süden … ohne die Übergriffe beider Seiten zu vergessen (vor allem jedoch der jüdischen Extremisten) gegen uns Christen“.
So beginnt Pater Patton eine lange Liste von Vorfällen (wer möchte, kann sie unten nachlesen), in der allerdings alle jüngsten Ereignisse fehlen, weil sie später stattfanden: die Bombardierung der einzigen Kirche in Gaza, nachdem man sie zuvor isoliert hatte, um sie auszuhungern (wie es derzeit generell mit der Bevölkerung Gazas geschieht), die Angriffe auf christliche Dörfer und Friedhöfe im Westjordanland und anderes mehr.
An anderer Stelle erinnert Patton daran, daß das israelische Grundgesetz, das den Staat als „jüdischen Staat“ definiert, zu einer Zunahme von „Feindseligkeiten, Belästigungen, Übergriffen und Vandalismus gegenüber Christen“ geführt habe – und zwar durch „Siedler, religiöse Nationalisten und die extreme [israelische] Rechte“, besonders in Jerusalem und anderen Städten. Dabei seien wiederholt auch Heiligtümer wie der Garten von Gethsemani, der Berg Tabor, die Geißelungskapelle und der Abendmahlssaal angegriffen worden.
Hinzu kommt, daß die Regierung Netanjahu, die Extremisten unterstützt und schützt, auch versucht habe, einen Keil zwischen Christen und Muslime zu treiben: Sie war es – gegen den Willen des damaligen PLO-Chefs Arafat –, die den Bau einer riesigen Moschee in der Nähe der katholischen Verkündigungsbasilika in der Stadt Nazareth erlaubte (ebenso in der Nähe der Geburtsbasilika in Bethlehem).“
Hier der entsprechende Ausschnitt aus dem Buch von Pater Patton, der neun Jahre lang Kustos im Heiligen Land war. Er findet sich auf den Seiten 112 und 113 des Buches:
Pater Patton:
„Der Angriff der Islamisten auf die Synagogen von Lod und in anderen Orten des Südens. Alles Dinge, die bereits 2021 geschehen sind. Ohne die Aktionen der einen und der anderen zu vergessen (vor allem aber der jüdischen Extremisten) gegen uns Christen. Die Zusammenstöße am Neuen Tor von Jerusalem, die Schändung des lutherischen Friedhofs, die Zerstörung des Saales, den die Maroniten für ihre Zelebrationen nutzen, die versuchten Gewaltakte gegen das Grab der Jungfrau [Maria] während einer Zelebration der Griechen, die Beschädigung der Jesusstatue bei der Geißelungskirche. Und schon vorher weitere Akte gewalttätiger Provokationen: der Molotow-Angriff auf die Basilika von Gethsemani und auf die rumänisch-orthodoxe Kirche, auf die Kirche der Salesianer, auf den Berg Tabor, auf die Benediktinerkirche der Brotvermehrung in Tabgha … Episoden, die wir versuchten, der lokalen und internationalen Presse zur Kenntnis zu bringen und die scharf verurteilt wurden – zumindest von einem Teil der israelischen öffentlichen Meinung. Episoden, die dann zu einer größeren Aufmerksamkeit durch die Polizei und zur Gründung einer israelischen Vereinigung führten, die Gewaltakte gegen Christen erfaßt und bekanntmacht.“
Die Beziehungen zu den Muslimen hingegen variieren je nach Ort und Umständen – zum Beispiel mit den Sunniten oder den Schiiten.
Pater Patton:
„Die Sichtweise, die die Schiiten von der Gottesmutter und von Jesus haben, ist der unseren natürlich näher. Sie haben eine in gewisser Weise mystische und messianische Orientierung. Man muß jedoch sagen, daß die Sunniten des Heiligen Landes – vor allem jene Familien, die seit Generationen im Kontakt mit den Heiligen Stätten des Lebens Jesu stehen – gewissermaßen Sunniten sui generis sind, in dem Sinne, daß sie verschiedene Elemente des Evangeliums rezipieren.
Der alte Mann, der in Jericho die Pilger am Baum des Zachäus empfängt, erzählt die Begegnung dieses Oberzöllners mit Jesus genau so, wie wir sie im 19. Kapitel des Lukasevangeliums finden. Auf die gleiche Weise haben viele Muslime von Emmaus-Qubeibeh keinen Zweifel daran, daß der auferstandene Christus die Jünger Simeon und Kleophas bis zu ihrem Dorf begleitet hat. Und in Bethlehem kommen die muslimischen Frauen mit großer Hingabe in die Geburtsgrotte und in die Milchgrotte in der Hoffnung, daß die Gottesmutter ihnen hilft, Kinder zu bekommen.“
Ich meine zu verstehen, daß die Grundlagen des Christentums unter der muslimischen Bevölkerung besser bekannt sind als unter der jüdischen.
Pater Patton:
„Ja, so ist es.“
Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Terra Santa Edizioni