
Von Roberto de Mattei*
Am Donnerstag, dem 8. Mai, stieg um 18.08 Uhr überraschenderweise weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle auf, als die Lichter der Dämmerung Berninis Kolonnaden beleuchteten. Eine Stunde später waren der Petersplatz und die Via della Conciliazione mit über hunderttausend Menschen gefüllt, während fast eine Milliarde Menschen über die Medien zugeschaltet waren. Wie schon 1978 bei Papst Wojtyla verstand die Menge nicht sofort den Namen des neuen Papstes, der von Kardinal Dominique Mamberti verkündet wurde. Der Beifall war jedoch lang und tosend. Der Platz bejubelte den 267. Nachfolger des heiligen Petrus, Kardinal Robert Francis Prevost, der den Namen Leo XIV. annahm.
Der erste Eindruck ist der wichtigste, denn er ist intuitiv und prägt sich dem Gedächtnis ein. Deshalb haben wir in einem früheren Artikel auf die Frage, welches die ersten Worte sein würden, die der neue Papst von der Loggia des Petersdoms aus sprechen würde, geschrieben: „Sicherlich werden die Worte und Gesten, mit denen der künftige Papst das Pontifikat eröffnen wird, bereits eine Tendenz erkennen lassen und dem Sensus fidei des katholischen Volkes ein erstes Element der Unterscheidung bieten. Wird der vom Kardinalskollegium gewählte Papst, welchen Namen er auch immer tragen wird, in der Nachfolge von Franziskus oder in der Diskontinuität zu seinem Pontifikat stehen wollen, das nach Ansicht vieler eine Katastrophe für die Kirche darstellte?“
Wir haben eine Antwort erhalten, und sie liegt im Zeichen der Diskontinuität, zumindest in bezug auf den Regierungsstil, dem Franziskus seine Hauptbotschaft anvertraut hatte. Die Wahl eines so anspruchsvollen Namens, der an einen Papst mit einem umfassenden Lehramt wie Leo XIII., aber auch an heilige und kämpferische Päpste wie Leo den Großen und Leo IX. erinnert, ist bereits eine Tendenz. Ebenso wichtig war die Art und Weise, wie sich der neue Papst dem Volk von Rom präsentierte. Die Nüchternheit der Gesichtszüge Leos XIV. ging einher mit der Anerkennung der Würde der Kirche, der er durch das Tragen der feierlichen Zeremonialgewänder – der roten Mozzetta, der Pontifikalstola und des goldenen Brustkreuzes – Tribut zollte, was zwölf Jahre zuvor nicht der Fall gewesen war.
In den ersten Worten seiner Ansprache wünschte Leo XIV. den Frieden im Namen des auferstandenen Christus, und in den letzten Worten erinnerte er daran, daß der 8. Mai der Tag des Bittgebets an die Muttergottes von Pompeji ist, indem er gemeinsam mit den Gläubigen das Ave Maria betete und seinen ersten Segen Urbi et Orbi erteilte, mit dem er den vollkommenen Ablaß gewährte. Hinzu kommt, daß der 8. Mai auch das Fest Mariä, Mittlerin aller Gnaden, und des Erzengels Michael ist, des Fürsten der himmlischen Heerscharen und, zusammen mit dem heiligen Josef, des Beschützers der Kirche. Dies ist denjenigen nicht entgangen, die mit der Sprache der Symbole vertraut sind.
Viele bemühen sich, die Taten und Worte des Bischofs und dann Kardinals Prevost zu rekonstruieren, um zu verstehen, was die Agenda seines Pontifikats sein könnte. Die Befürchtung ist, daß die formale Diskontinuität mit Papst Franziskus nicht mit einer vergleichbaren inhaltlichen Distanz einhergeht. Aber in einer Zeit, in der die Praxis die Lehre überwiegt, beinhaltet die Wiederherstellung der Form implizit bereits eine Wiederherstellung der Substanz. Es muß auch daran erinnert werden, daß jeder Papst zum Zeitpunkt seiner Wahl Standesgnaden erhält, die seiner Aufgabe angemessen sind, und es ist schon mehrmals vorgekommen, daß sich die Position eines Papstes ändert, sobald er das Petrusamt übernimmt. Aus diesem Grund ist es, wie Kardinal Raymond Burke in einer Erklärung, in der er seine Unterstützung für den neuen Papst zusicherte, so treffend formulierte, notwendig, dafür zu beten, daß der Herr ihm „reichlich Weisheit, Kraft und Mut schenkt, um all das zu tun, was unser Herr in diesen turbulenten Zeiten von ihm verlangt“. Zu der von Kardinal Burke erwähnten Fürbitte Unserer Lieben Frau von Guadalupe schlagen wir vor, die Fürbitte Unserer Lieben Frau vom Guten Rat hinzuzufügen, die im Augustiner-Heiligtum von Genazzano verehrt wird.
Gewiß, die Wachsamkeit und der Kampf gegen die äußeren und inneren Feinde der Kirche dürfen nicht nachlassen, aber dies ist nicht die Stunde der Enttäuschung und der Sorge, sondern die Stunde der Freude und der Hoffnung. Es ist die Stunde der Freude, weil die römische Kirche den Stellvertreter Christi, Leo XIV., gewählt und damit die apostolische Kette, die ihn mit dem Apostel Petrus verbindet, erneuert hat. Es ist die Stunde der Hoffnung, denn der Nachfolger Petri ist auf Erden das Haupt des mystischen Leibes Christi, der die Kirche ist, und die Kirche erhebt sich trotz der Prüfungen und Verfolgungen, denen sie in der Geschichte ausgesetzt ist, immer triumphierend, wie ihr göttlicher Gründer.
Der heilige Augustinus schreibt zu den Worten des Lukasevangeliums (24,36–47):
„Wie ihr gehört habt, erschien der Herr nach seiner Auferstehung seinen Jüngern und grüßte sie mit den Worten: Friede sei mit euch. Seht, der Friede ist der Gruß des Heils, denn das Wort ‚Gesundheit‘ [salus] selbst ist nach dem Heil [salus] benannt. Was ist also besser als die Tatsache, daß das Heil selbst den Menschen grüßt? Denn unser Heil ist Christus. Er selbst ist unsere Rettung, er, der für uns mit Wunden bedeckt, an das Holz des Kreuzes genagelt und dann, nachdem er vom Holz abgenommen worden war, in das Grab gelegt wurde. Aus dem Grab aber ist er mit geheilten Wunden auferstanden, hat aber seine Narben behalten. Denn er hielt es für nützlich für seine Jünger, daß seine Wunden erhalten blieben, damit die Wunden ihrer Herzen mit ihnen geheilt würden. Welche Wunden? Die Wunden des Unglaubens“ (Predigt 116, 1.1).
Der Unglaube einer Welt, die sich von Christus abgewandt hat, ist die Hauptursache für den Mangel an Frieden in unserer Zeit. Aus diesem Grund sagte Leo XIV., der Sohn des heiligen Augustinus, in seiner ersten Predigt, die er am 9. Mai vor den Papstwählern hielt, unter Bezugnahme auf die Finsternis einer Welt ohne Glauben, daß die Kirche „mehr und mehr eine Stadt auf dem Berg sein muß, eine Arche des Heils, die durch die Wogen der Geschichte fährt, ein Leuchtfeuer, das die Nächte der Welt erhellt“. Der Papst erinnerte dann an die berühmte Aussage von Ignatius von Antiochien (vgl. Brief an die Römer, Anrede), als er „in Ketten in diese Stadt, den Ort seiner bevorstehenden Opferung, geführt wurde und an die dortigen Christen schrieb: ‚Dann werde ich wirklich ein Jünger Jesu Christi sein, wenn die Welt meinen Leib nicht mehr sieht‘ (Brief an die Römer, IV, 1). Er bezog sich darauf, von den Tieren im Zirkus verschlungen zu werden – und so geschah es auch –, aber seine Worte erinnern in einem allgemeineren Sinn an eine Verpflichtung, auf die niemand in der Kirche verzichten kann, der ein Amt mit Autorität ausübt: zu verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht werden kann (vgl. Joh 3,30), sich bis zum Äußersten zu verausgaben, damit niemandem die Gelegenheit fehlt, ihn kennen und lieben zu lernen. Möge Gott mir diese Gnade schenken, heute und immer, mit Hilfe der zärtlichen Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche.“
Es klingt in diesen Worten fast wie ein Omen. Bei seinem ersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms waren auf dem Gesicht von Leo XIV. ein paar Tränen zu sehen. Diese diskreten Tränen können die Rührung eines Mannes ausdrücken, der vor einer jubelnden Menge seine gesamte Vergangenheit Revue passieren läßt, von der Pfarrei in Chicago bis zu seiner unerwarteten Ankunft an der Spitze der Kirche. Sie können aber auch die Betroffenheit eines Mannes ausdrücken, der einen Blick in die Zukunft der Kirche und der Welt wirft.
Wie könnte man sich nicht an das stille und prophetische Weinen der Muttergottes in Syrakus erinnern, wo Kardinal Prevost im September des vergangenen Jahres anläßlich des 71. Jahrestages der wundertätigen Lakrimation zu Besuch war? Und wie könnte man am 13. Mai nicht an das Dritte Geheimnis von Fatima denken, das einen Papst beschreibt, der „von Kummer und Schmerz geplagt“ durch eine Stadt in Trümmern geht und zu einem Berg hinaufsteigt, wo ihn am Fuße des Kreuzes das Martyrium erwartet?
Die Zukunft von Papst Leo XIV. kennt nur Gott, aber die Botschaft von Fatima mit ihrer Verheißung des endgültigen Triumphs des Unbefleckten Herzens Mariens ist eine Gewißheit, die die frommen Herzen in diesen erstaunlichen Maitagen, die der Kirche einen neuen Papst geschenkt haben, beseelt.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Zur Würdigung von Papst Leo XIV. möchte ich einen Punkt hinzufügen: Papst Leo XIV. war Missionar in Peru und als solcher in vier Diözesen tätig. Er hat neue Pfarreien gegründet. ER verkündete das Wort Gottes nach dem Motto seines Herren: Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (Mt 24,14; Mk 16,15. Diese missionarische Tätigkeit aus Überzeugung ist einer der großen Unterschiede zu seinem Vorgänger als Papst. Missionare sind die wahren Brückenbauer.
Zur Zeit, gerade jetzt, scheinen alle in der Kirche und außerhalb ziemlich oder sehr zufrieden zu sein mit Papst Leo XIV. Aber heute das Hosanna und dann… Es war wohl eine göttlich gewirkte Wahl, insbesondere vergleichbar mit dem 16. Oktober 1978. Am 18.Mai ist die sog. Amtseinführung von Leo und das ist der Geburtstag von Karol Wojtyla wie auch der alte Gedenktag der Unschuldigen Kinder von Bethlehem.
Es ist sinnvoll, wenn Prof. de Mattei an das dritte Geheimnis von Fatima erinnert und man könnte auch an Petrus den Römer im Sinnspruch des hl. Philipp Neri erinnern.
Die Wahl von Papst Leo XIV. ist eine Ansage für die gottvergessene Welt. Und diese rationalistische Welt wird zuschlagen mit ihren Legionen inerhalb der Kirche und von außerhalb wie bspw. dem „Islam“. Oder ist alles das ein Strafgericht Gottes?