
Von Roberto de Mattei*
In der dritten Woche nach Ostern erinnert uns die Liturgie der heiligen Kirche daran, wie der auferstandene Jesus vor Seiner Himmelfahrt die entstehende Kirche durch seine Gegenwart und seine Lehre festigte.
Die auf Golgatha entstandene Kirche ist eine sichtbare Gesellschaft, die eine Hierarchie braucht, um sie zu leiten. Diese Hierarchie besteht aus den Aposteln und ihren Nachfolgern, denen Christus die Vollmacht gab, zu lehren und die Sakramente zu verwalten. In ihrem Amt werden die Hirten der Kirche von Priestern unterstützt, die ihnen im Rang untergeordnet sind und von den zweiundsiebzig Jüngern repräsentiert werden. An der Spitze der Hierarchie, als oberster Hirte, steht Petrus, der Apostelfürst, dem unser Herr die Schlüssel des Reiches übergeben hat, die er an seine 265 Nachfolger weitergegeben hat. Die Jurisdiktion des Petrus ist universal, denn universal ist die Sendung, die Christus seinen Aposteln anvertraut hat: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Bei der Erfüllung ihres Auftrags wird die Kirche die Leiden von Golgatha erneut durchleben, aber die Verfolgungen, Häresien, Schismen und Ungläubigen, denen sie auf ihrem Weg begegnen wird, werden ihren Triumph in Zeit und Ewigkeit nicht aufhalten.
In den vierzig Tagen zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt vervollkommnete Jesus Seine Kirche, indem er den Aposteln mündlich den Sinn ihrer Sendung und die Drangsale erklärte, denen sie begegnen würden. Neben Ihm steht Maria, die in den Stunden der Passion die ganze Kirche in ihrer Person umfaßte, denn sie war die einzige, deren Glaube nie wankte. Maria aber wurde zur Mutter der Kirche und zur Miterlöserin des Menschengeschlechts von dem Augenblick an, als das Wort in ihrem Schoß Fleisch geworden ist. Aus diesem Grund hatte die Kirche, noch bevor sie auf dem Kalvarienberg geboren und zu Pfingsten mit dem Heiligen Geist getauft wurde, im heiligen Josef, dem Haupt der Heiligen Familie, ihren Schutzpatron. Indem er Jesus, den Gottmenschen, und Seine göttliche Mutter beschützt hat, hat der heilige Josef die streitende Kirche auf Erden beschützt und beschützt sie auch nach seinem Tod im Himmel, vor allem im Bekenntnis ihres Glaubens. Nach der seligen Jungfrau Maria hatte kein menschliches Geschöpf den Glauben des heiligen Josef, und deshalb bitten wir ihn in dem Gebet „Zu Dir, o seliger Josef“, daß er „die Plage der Irrtümer und Laster, die die Welt verunreinigt“, von uns fernhält und uns „in diesem Kampf gegen die Macht der Finsternis“ vom Himmel aus wohlwollend beisteht.
Es sollten noch viele Jahrhunderte vergehen, bis die Rolle des heiligen Josef bei der Rettung der Menschen, der Völker und der Kirche bekannt wurde. Das volle Wissen um ihre Macht war den letzten Zeiten vorbehalten, in denen die Kirche, die bis zum Äußersten ihrer Kräfte gefordert war, Hilfe benötigte, die ihr in früheren Epochen nie gewährt worden war. So wie die Päpste die Größe Marias verkündeten, begannen sie auch, die Größe des heiligen Josef zu verkünden. Aus diesem Grund erklärte der selige Pius IX. am 8. Dezember 1870, unmittelbar nach dem Einmarsch der italienischen Truppen in Rom am 20. September, mit dem Dekret Quemadmodum Deus den heiligen Josef zum Schutzpatron der katholischen Kirche. Dieses Dekret gab der Wahrheit eine kanonische Form, daß der heilige Josef die Kirche beschützt, so wie er zu seinen Lebzeiten die Heilige Familie mit seiner Autorität beschützt hat.
In seinem Apostolischen Schreiben Inclytum Patriarcham vom 7. Juli 1871 erinnerte Pius IX. daran, daß er bereits am 10. September 1847 das Patronatsfest des heiligen Josef, das dank eines besonderen Indults des Heiligen Stuhls bereits vielerorts gefeiert wurde, auf die gesamte Kirche ausgedehnt hatte. „Doch“, so erklärte er, „in diesen letzten Zeiten, in denen ein ungeheuerlicher und abscheulicher Krieg gegen die Kirche Christi geführt wird, ist die Verehrung der Gläubigen zum heiligen Josef so sehr gewachsen und fortgeschritten, daß uns aus allen Richtungen unzählige inbrünstige Bitten erreicht haben. Diese wurden kürzlich auf dem Heiligen Ökumenischen Vatikanischen Konzil von Gruppen von Gläubigen und, was noch wichtiger ist, von vielen Unserer ehrwürdigen Brüder, den Kardinälen und Bischöfen der Heiligen Römischen Kirche, erneuert. In ihren Bitten baten sie, daß Wir in diesen strahlenden Tagen, um uns vor den Übeln zu schützen, die uns von allen Seiten bedrohen, das Erbarmen Gottes durch die Verdienste und die Fürsprache des heiligen Josef wirksamer erflehen und ihn zum Patron der Weltkirche erklären mögen. Bewegt von dieser Bitte und in Übereinstimmung mit ihr und nachdem Wir das göttliche Licht angerufen hatten, hielten Wir es für richtig, daß dieser Wunsch nach Frömmigkeit so vieler erfüllt wurde. Deshalb haben Wir durch ein besonderes Dekret Unserer Kongregation für die Heiligen Riten (das Wir während der feierlichen Messe in Unseren Patriarchalbasiliken, dem Lateran, dem Vatikan und der Liberia1, am 8. Dezember des vergangenen Jahres, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis, 1870, verkünden ließen) haben Wir den seligen Patriarchen Joseph feierlich zum Patron der Weltkirche erklärt und angeordnet, daß sein Festtag, der 19. März, von nun an in der ganzen Welt als doppelter Ritus ersten Ranges, jedoch ohne Oktav, wegen der Fastenzeit, gefeiert wird.
Um den 150. Jahrestag dieses feierlichen Dekrets von Pius IX. zu feiern, hatte Papst Franziskus ein Jahr des heiligen Josef vom 8. Dezember 2020 bis zum 8. Dezember 2021 ausgerufen, was einer der glücklichsten Akte seines Pontifikats bleibt. Franziskus hat die Kirche jedoch in einer der schwierigsten Situationen ihrer Geschichte hinterlassen, und es scheint kein Zufall zu sein, daß das Konklave, das seinen Nachfolger wählen muß, am 7. Mai eröffnet wird, dem Mittwoch des zweiten Sonntags nach der Osteroktav, also genau an dem Tag, an dem die traditionelle Liturgie den heiligen Josef, den Schutzpatron der Kirche, feiert.
Wir wissen nicht, wie der heilige Linus, der Nachfolger des heiligen Petrus, Ende der 60er Jahre des ersten Jahrhunderts gewählt wurde, denn es gab noch kein kodifiziertes System wie die Konklaven späterer Jahrhunderte, aber wir wissen, daß der heilige Josef mit Sicherheit über diese und alle folgenden Papstwahlen wachte und den Beistand des Heiligen Geistes für die zu dieser höchsten Verantwortung Berufenen erflehte. Und heute bitten wir den heiligen Josef, den Schutzpatron der Kirche, daß auf seine Fürsprache der würdigste Mann zum Stellvertreter Christi auf Erden gewählt wird.
Sollte die Mehrheit der Kardinäle nicht auf den Einfluß des Heiligen Geistes reagieren und nicht den richtigen Papst wählen, so wird der heilige Josef die Gläubigen in den folgenden schweren Prüfungen beschützen, indem er ihnen den Mut einflößt, für die Ehre der Kirche zu kämpfen, und das glühende Vertrauen in den Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens, den das Oberhaupt der Heiligen Familie bei der letzten Erscheinung in Fatima am 13. Oktober 1917 durch seine segnende Gegenwart bestätigt hat.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 Gemeint ist die Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore in Rom, die auch nach Papst Liberius (352–366) benannt wird, dessen 70 Jahre zuvor errichtete Basilika, die 410 bei der Plünderung Roms durch die Westgoten in Flammen aufgegangen war, ab 422 durch die heutige Marienbasilika ersetzt wurde.
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