Der unverweste Körper von Kardinal Agagianian

Wenige Heilige sind dem Verwesungsprozeß nicht unterworfen


Gregor Petrus Kardinal Agagianian, Patriarch der armenisch-katholischen Kirche, galt 1958 und 1963 als Anwärter auf das Papstamt. Sein Leichnam ist mehr als 50 Jahre nach seinem Tod völlig unverwest.
Gregor Petrus Kardinal Agagianian, Patriarch der armenisch-katholischen Kirche, galt 1958 und 1963 als Anwärter auf das Papstamt. Sein Leichnam ist mehr als 50 Jahre nach seinem Tod völlig unverwest.

Von Rober­to de Mat­tei*

Am 12. Sep­tem­ber 2024, am Ende der Syn­ode der Arme­nisch-Katho­li­schen Kir­che, wur­den die sterb­li­chen Über­re­ste des Die­ners Got­tes, Kar­di­nal Gre­gor Petrus (arme­nisch Krikor Bedros) Aga­gia­ni­an, des fünf­zehn­ten Patri­ar­chen die­ser mit Rom unier­ten Kir­che, der 1971 in Rom starb, von Rom nach Bei­rut im Liba­non über­ge­führt. Der Sarg wur­de in der liba­ne­si­schen Haupt­stadt von Patri­arch Min­as­si­an, Pre­mier­mi­ni­ster Najib Miqa­ti und den höch­sten reli­giö­sen und poli­ti­schen Wür­den­trä­gern emp­fan­gen. Das Beson­de­re an die­ser Über­füh­rung ist, daß der Leich­nam von Kar­di­nal Aga­gia­ni­an mehr als ein hal­bes Jahr­hun­dert nach sei­nem Tod unver­west ist, obwohl er nicht ein­bal­sa­miert wur­de. Sein Gesicht ist ent­spannt und lächelnd. Auf dem Blog von Pater Livio Fon­z­a­ga [Radio Maria] fin­den Sie eini­ge wirk­lich erstaun­li­che Bil­der.

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Der Leich­nam von Kar­di­nal Aga­gia­ni­an wur­de in einem Glas­schrein durch die Stadt Bei­rut zur arme­ni­schen Kathe­dra­le der Hei­li­gen Eli­as und Gre­gor des Erleuch­ters getra­gen, wo er unter dem Bei­fall der Men­ge, die wie bei der Über­füh­rung eines Hei­li­gen Rosen­blät­ter warf, bei­gesetzt wurde.

Doch wer war Kar­di­nal Aga­gia­ni­an? Der 1895 in Geor­gi­en gebo­re­ne Gre­gor Petrus Aga­gia­ni­an stu­dier­te bereits in jun­gen Jah­ren in Rom am Päpst­li­chen Arme­ni­schen Kol­leg, an dem er spä­ter sowohl Vize­rek­tor als auch Rek­tor war, und wur­de 1917 zum Prie­ster geweiht. Am 11. Juli 1935 wur­de er von Papst Pius XI. zum Bischof ernannt und am 30. Novem­ber 1937 zum Patri­ar­chen von Kili­ki­en der katho­li­schen Arme­ni­er gewählt.

Am 18. Febru­ar 1946 ernann­te ihn Papst Pius XII. zum Kar­di­nal und ver­lieh ihm die Titel­kir­che des hei­li­gen Bar­tho­lo­mä­us auf der Insel. Nach dem Tod von Pius XII. bezeich­ne­te ihn Sil­vio Negro, Vati­ka­nist des „Cor­rie­re del­la Sera“, auf­grund sei­ner Kennt­nis­se der Kurie, sei­ner Kom­pe­tenz als Jurist und sei­ner bei­spiel­haf­ten Fröm­mig­keit als den Favo­ri­ten im Kon­kla­ve. Statt­des­sen wur­de Johan­nes XXIII. gewählt. Kar­di­nal Aga­gia­ni­an, der von den Kon­ser­va­ti­ven unter­stützt wur­de, war auch 1963 ein Papst­kan­di­dat im Kon­kla­ve, das Paul VI. wähl­te. Als Prä­fekt lei­te­te er von 1958 bis 1970 die Kon­gre­ga­ti­on für die Pro­pa­gan­da Fide und nahm am Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil teil. Er starb am 16. Mai 1971 in Rom im Ruf der Hei­lig­keit. Im Jahr 2022 wur­de sein Selig­spre­chungs­pro­zeß ein­ge­lei­tet und er trägt daher den Titel eines Die­ners Gottes.

In den Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­sen ist die kano­ni­sche Erkun­dung der sterb­li­chen Über­re­ste von Anwär­tern für die Hei­lig­spre­chung vor­ge­se­hen, und wenn der Leich­nam zum Zeit­punkt der Exhu­mie­rung unver­sehrt ist, ohne daß eine Ein­bal­sa­mie­rung statt­ge­fun­den hat, betrach­tet die Kir­che den unver­we­sten Leich­nam als ein über­na­tür­li­ches Zei­chen. Der unver­sehr­te Kör­per ist nicht an sich ein Beweis für die Hei­lig­keit, son­dern eine Bestä­ti­gung für die­se, so daß die Kir­che dies bei der Hei­lig­spre­chung erklärt.

Hei­li­ge mit unver­we­stem Kör­per sind sel­ten. Die Zahl der Hei­li­gen, die in den letz­ten fünf Jahr­hun­der­ten von der Kir­che hei­lig­ge­spro­chen wur­den, beläuft sich auf etwa 1700, von denen nur etwas mehr als hun­dert unver­west geblie­ben sind. Dazu gehö­ren die hei­li­ge Cäci­lia, deren Leich­nam mehr als 1500 Jah­re nach ihrem Tod unver­sehrt gefun­den wur­de, die hei­li­ge Kla­ra von Mon­te­fal­co und die hei­li­ge Katha­ri­na von Bolo­gna, die hei­li­ge Katha­ri­na Labou­ré und die hei­li­ge Ber­na­dette Sou­bi­rous, der hei­li­ge Johan­nes Bos­co und der hei­li­ge Lui­gi Orio­ne. In Don Charles Murrs wun­der­schö­nem Buch „The Secret Soul of the Vati­can“ („Die gehei­me See­le des Vati­kans“, Fede e Cul­tu­ra, Vero­na 2024) erzählt Schwe­ster Pas­ca­li­na Leh­nert ihrem jun­gen ame­ri­ka­ni­schen Prie­ster­freund unter ande­rem fol­gen­de Epi­so­de. Als Pius XII. 1956 die Selig­spre­chung von Pius IX. in die Wege lei­ten woll­te und sein Leich­nam exhu­miert wur­de, schick­te er sei­ne Mit­ar­bei­te­rin, um den Leich­nam des Pap­stes wie­der anzu­klei­den, nach­dem Mon­si­gno­re Enri­co Dan­te und die Kom­mis­si­on des­sen Zustand unter­sucht hat­ten. „Als der Sarg geöff­net wur­de“, erin­nert sich Schwe­ster Pas­ca­li­na, “konn­te ich mei­nen Augen nicht trau­en. Er sah nicht tot aus, son­dern schla­fend! Der Kör­per war voll­kom­men unver­sehrt! Nicht nur das, auch die Fin­ger, die Hand­ge­len­ke und die Arme waren weich und beweg­lich. Schwe­ster Pas­ca­li­na muß­te Pius IX. die Haa­re schnei­den, den Bart rasie­ren und die Nägel kür­zen, bevor sie ihm wie­der das Pon­ti­fi­kal­ge­wand anzie­hen konnte.

Auch bei Johan­nes XXIII. wur­de von der Unver­west­heit des Kör­pers gespro­chen, aber der Kör­per von Papst Ron­cal­li war, im Gegen­satz zu dem von Pius IX., ein­bal­sa­miert, und wenn die Kör­per von Päp­sten die­ser Behand­lung unter­zo­gen wer­den, kann das Phä­no­men nicht als über­na­tür­li­chen Ursprungs bezeich­net wer­den, und die Hypo­the­se der Unver­west­heit ist ausgeschlossen.

War­um ist die Zahl der Hei­li­gen, die dem Ver­we­sungs­pro­zeß ent­gan­gen sind, so gering? Die Ant­wort liegt im zen­tra­len Dog­ma der katho­li­schen Kir­che, näm­lich dem der Auf­er­ste­hung der Toten. Die Kör­per der Men­schen sind dazu bestimmt, nach dem Tod zu ver­we­sen und am Ende der Welt wie­der mit ihren See­len ver­eint zu wer­den. Der Tod ist die Tren­nung der See­le vom Kör­per, und wenn der Kör­per des Men­schen der See­le beraubt wird, die sein eini­gen­des und lebens­spen­den­des Prin­zip ist, zer­fällt er und wird zu Asche. Am Tag des Jüng­sten Gerichts jedoch wer­den alle See­len wie­der mit ihren Kör­pern ver­eint, die unzer­stör­bar gemacht wer­den, sowohl die der Aus­er­wähl­ten als auch die der Ver­damm­ten. In das Para­dies und in die Höl­le wird man für die Ewig­keit mit Leib und See­le gehen. Aber nur die Lei­ber derer, die im Para­dies sein wer­den, wer­den einen herr­li­chen, gei­sti­gen Leib erhal­ten, der dem des auf­er­stan­de­nen Chri­stus gleicht. Des­halb sagt der hei­li­ge Pau­lus: „Und die Toten wer­den zur Unver­gäng­lich­keit auf­er­weckt, wir aber wer­den ver­wan­delt wer­den. Denn die­ses Ver­gäng­li­che muß sich mit Unver­gäng­lich­keit beklei­den und die­ses Sterb­li­che mit Unsterb­lich­keit“ (1 Kor 15,52–53).

Gott, der die Men­schen dazu bestimmt hat, ihre Kör­per zu ver­we­sen, um sie bei ihrer Wie­der­auf­er­ste­hung unver­gäng­lich zu machen, hat den­noch dafür gesorgt, daß eini­ge von ihnen aus­nahms­wei­se dem Ver­we­sungs­pro­zeß ent­ge­hen. Ihre Kör­per kön­nen auch von ande­ren über­na­tür­li­chen Phä­no­me­nen beglei­tet sein, wie dem Duft, den sie ver­strö­men, der Ver­jün­gung und manch­mal der Bewe­gung. Im Fall von Kar­di­nal Aga­gia­ni­an zum Bei­spiel ist die Ver­jün­gung auf­fäl­lig. Man braucht nur die Bil­der sei­nes exhu­mier­ten Gesichts mit denen sei­ner letz­ten Fotos zu ver­glei­chen, um fest­zu­stel­len, daß der Kör­per des Kar­di­nals weit weni­ger als die 76 Jah­re zeigt, die er bei sei­nem Tod alt war. Was uner­klär­lich ist, muß uns auf die Exi­stenz des Schöp­fer­got­tes zurück­füh­ren, der in sei­ner unend­li­chen Weis­heit die Fähig­keit hat, die Natur­ge­set­ze zum Woh­le der See­len zu ver­än­dern. Des­halb dür­fen wir die Zei­chen, die uns die gött­li­che Vor­se­hung oft vor Augen führt, nicht über­se­hen. Im Fall des Die­ners Got­tes, Gre­gor Petrus Aga­gia­ni­an, ist sei­ne Ankunft im Land der Zedern, im Liba­non, genau zu dem Zeit­punkt, an dem der Nahe Osten in Flam­men steht, wie ein Zei­chen dafür, daß nur die Hei­lig­keit die Flam­men löschen kann, die die Welt in Brand zu set­zen drohen.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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