Das „queere Abendmahl“ – eine Debattenbilanz

Die Wiedereröffnung von Notre Dame wird die nächste Gelegenheit sein, bei der Macron sein Programm der Entchristlichung vorantreiben wird


Wie fällt die Debattenbilanz zum "queeren Abendmahl" in Paris aus? Dieser Frage geht Hubert Hecker nach.
Wie fällt die Debattenbilanz zum "queeren Abendmahl" in Paris aus? Dieser Frage geht Hubert Hecker nach.

Ein Gast­kom­men­tar von Hubert Hecker

Anzei­ge

Nach Abschluss der Olym­pi­schen Spie­le in Paris soll­te auch zu den umstrit­te­nen Bild­sze­nen vom „quee­ren Abend­mahl“ bei der Eröff­nungs­fei­er nach Kri­tik und Gegen­kri­tik eine abschlie­ßen­de Debat­ten-Bilanz gezo­gen werden.

I.

Die bei­den Sze­nen waren ein­mal ein schril­les LGBT-Spek­ta­kel an einer lan­gen Tafel, zum andern eine Par­odie auf ein Göt­ter­mahl mit dem glei­chen Per­so­nal. Bei­de Insze­nie­run­gen wie­sen erkenn­ba­re Bezü­ge zum berühm­ten Abend­mahls­bild von Leo­nar­do da Vin­ci auf. Dage­gen gab es Pro­te­ste von kirch­li­cher, poli­ti­scher und mus­li­mi­scher Sei­te mit dem Tenor: Das Abend­mahl soll­te als zen­tra­les Motiv der Grün­dungs­ge­schich­te des Chri­sten­tums respek­tiert und nicht zum Gegen­stand einer Kari­ka­tur oder Ver­spot­tung gemacht wer­den. Das sei für Chri­sten­tum und Mil­lio­nen Chri­sten eine Beleidigung.

Die Gegen­kri­tik lautete:

  • Der künst­le­ri­sche Lei­ter der Eröff­nungs­ze­re­mo­nie hät­te sich – erstens – bei der Tisch­ge­sell­schaft mit sieb­zehn grell­bun­ten Drag­queens nicht an da Vin­cis Abend­mahls­bild ori­en­tiert, son­dern aus­schließ­lich am Bild „Fest­mahl der Göt­ter“ des Nie­der­län­ders van Bij­lert aus dem 17. Jahrhundert.
  • Zwei­tens sei es Kunst­pra­xis und ein Recht der künst­le­ri­schen Frei­heit, histo­ri­sche Kunst­wer­ke – auch reli­giö­ser Art – belie­big zu über­blen­den, zu kari­kie­ren oder zu parodieren.
  • Sodann erklär­te der Regis­seur Tho­mas Jol­ly, er habe mit dem „gro­ßen heid­ni­schen Fest­mahl der Göt­ter des Olymps“ eine inklu­si­ve Show der Tole­ranz und Ver­söh­nung ange­strebt und kei­nes­falls die Her­ab­set­zung einer Grup­pe. Für even­tu­el­le Belei­di­gungs­wir­kun­gen ent­schul­dig­te er sich.
  • Schließ­lich for­mu­lier­te Jol­ly die pro­gram­ma­ti­sche Ziel­rich­tung zu sei­ner Insze­nie­rung von der quee­ren Tisch­ge­sell­schaft: „Wir woll­ten (sexu­el­le) Viel­falt zei­gen. In Frank­reich haben wir das Recht, uns zu lie­ben, wie wir wol­len und mit wem wir wollen.“

II.

Die erste Behaup­tung von Tho­mas Jol­ly, jeg­li­che Inspi­ra­ti­on von da Vin­cis Abend­mahls­bild abzu­strei­ten, nimmt ihm kein Kunst­ex­per­te ab. Bel­li­ni und ande­re euro­päi­sche Künst­ler mal­ten ab dem 16. Jahr­hun­dert viel­fach das Fest­mahl der Göt­ter, aber stets in arka­di­scher Land­schaft. Erst van Bij­lert ver­leg­te die Sze­ne in einen himm­li­schen Innen­raum mit erkenn­ba­ren Anlei­hen an Leo­nar­do da Vin­cis Bild­auf­bau. Ins­be­son­de­re die Dar­stel­lung des Apol­lon als heid­ni­scher Licht­gott mit einer Son­nen­strah­len-Aura in der Bild­mit­te, also an der Stel­le Chri­sti, wur­de schon damals als anti­christ­li­che Pro­vo­ka­ti­on emp­fun­den. Früh­kirch­li­che Theo­lo­gen hat­ten Chri­stus als das Licht der Welt und die neue Son­ne zum Heil der Mensch­heit gegen den heid­ni­schen Apol­lon in Stel­lung gebracht.

Van Bij­lert stellt also wie­der den Hei­den­gott Apol­lon (und sei­nen Gegen­part Dio­ny­si­us) ins Zen­trum sei­ner Per­so­nen­dar­stel­lung. Es ist offen­bar die­se ent­chri­stia­ni­sie­ren­de und repaga­ni­sie­ren­de Ten­denz des holl. Malers, die für den fran­zö­si­schen Regis­seur eine pro­gram­ma­ti­sche Bedeu­tung hat: Auch Tho­mas Jol­ly negiert in der gesam­ten vier­stün­di­gen Eröff­nungs­fei­er die christ­li­che Prä­gung Frank­reichs über ein­ein­halb Jahr­tau­sen­de. Die zehn­tau­send Kir­chen und Kathe­dra­len Frank­reichs kom­men nicht vor (Not­re Dame nur als Bau­werk); nicht die fast tau­send nach Hei­li­gen genann­ten Orte und auch nicht Jean­ne d’Arc. Jol­ly ent­chri­stia­ni­siert die Geschich­te Frank­reichs im Sin­ne der Ter­ror­pha­se der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on, wäh­rend er die histo­risch und kul­tu­rell mar­gi­na­len heid­ni­schen Ele­men­te wie die Sei­ne-Fluss­göt­tin Sequa­na oder eben die heid­ni­sche Inspi­ra­ti­on der Fest­kul­tur als ver­meint­lich zen­tral hochstilisiert.

III.

Eine wei­te­re Beob­ach­tung zur Regie der Eröff­nungs­fei­er straft die igno­ran­te Behaup­tung des Regis­seurs end­gül­tig Lügen. Etwa 45 Minu­ten vor der Sze­ne, bei der die Drag­queens das Fest­mahl der Göt­ter nach­stell­ten (in der ARD-Sen­dung bei 3h 05 min) hat­te Jol­ly einen Pro­gramm­punkt ein­ge­baut mit dem Titel: ‚La Cène sur une Scè­ne sur la Sei­ne‘, auf Eng­lisch: ‚The Last Sup­per on a Stage on the Sei­ne‘ oder in Deutsch: ‚Das Abend­mahl auf einer Büh­ne über der Seine‘.

Bei die­ser Insze­nie­rung der quee­ren Tisch­ge­sell­schaft gab es kei­ner­lei Bezü­ge zum Fest­mahl der Göt­ter, dage­gen waren die Nach­stel­lungs­ef­fek­te zu da Vin­cis Abend­mahls­bild unüber­seh­bar und laut Pro­gramm­ti­tel auch so gewollt: eine woke Trans­for­ma­ti­on von Chri­stus und sei­nen Apo­steln zu einer Par­ty-Show von auf­ge­ta­kel­ten LGBT-Per­so­nen, eine respekt­lo­se Par­odie auf das Abend­mahl als hei­li­ges Momen­tum des Chri­sten­tums, eine her­ab­wür­di­gen­de Kari­ka­tur auf ein welt­be­rühm­tes Wandbild.

Statt Jesus Chri­stus lässt der Regis­seur in die Mit­te der Tisch­ge­sell­schaft Deejay Bar­ba­ra Butch plat­zie­ren, eine offen­bu­si­ge les­bi­sche Akti­vi­stin im blau­en Kleid mit einem Strah­len­kranz-Hei­li­gen­schein um den Kopf. Die­se Mas­ke­ra­de lässt an die Ent­chri­stia­ni­sie­rungs­po­li­tik der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on den­ken, als 1793 in der Kathe­dra­le Not­re Dame eine Pro­sti­tu­ier­te mit blau­em Umhang als zivil­re­li­giö­se Per­so­ni­fi­ka­ti­on der Ver­nunft die sakra­men­ta­le Prä­senz Chri­sti erset­zen sollte.

Die Haupt­dar­stel­le­rin Butch bestä­tig­te den par­odie­ren­den Cha­rak­ter der quee­ren Abend­mahls­dar­stel­lung. Laut der eng­li­schen Wochen­zei­tung Catho­lic Herald poste­te Butch auf ihrem Insta­gram-Kon­to einen Screen­shot ihres Auf­tritts in der Abend­mahls­ka­ri­ka­tur und dar­über das Bild von da Vin­cis Ori­gi­nal­ge­mäl­de. Aus die­ser Bild­ge­gen­über­stel­lung geht her­vor, dass Butch die Stel­le des Heils­brin­gers Jesus Chri­stus ein­neh­men soll­te. Sie selbst erhöh­te sich mit dem selbst­ge­wähl­ten Titel „Olym­pic Jesus“. Das que­e­re Abend­mahl deu­tet sie pro­gram­ma­tisch als „new gay testa­ment“, als Neu­es Testa­ment der LGBT-Menschen.

Jesus Chri­stus hat bekannt­lich im Abend­mahls­saal den Apo­steln Brot und Wein gereicht als Zei­chen für sei­nen am Kreuz hin­ge­ge­be­nen Leib und „den Kelch des Neu­en Bun­des in mei­nem Blu­te, für euch ver­gos­sen“. Chri­sti erlö­sen­de Hin­ga­be am Kreuz und deren sakra­men­ta­le Ver­ge­gen­wär­ti­gung in Brot und Wein begrün­de­ten das Chri­sten­tum als ‚Neu­en Bund‘ oder ‚Neu­es Testa­ment‘. Es ist eine sakri­le­gi­sche Anma­ßung, wenn die que­e­re Mas­ke­ra­de des Abend­mahls als neu­es schwu­les Testa­ment gefei­ert wird.

Jesus Chri­stus ver­kün­de­te und prak­ti­zier­te die Leh­re der Lie­be – Got­tes­lie­be, Näch­sten­lie­be, Gat­ten­lie­be und Treue bis zum Tod. Die LGBT-Lob­by will auch die christ­li­che Lie­bes­re­li­gi­on tra­ve­stie­ren für die Que­er-Gesell­schaft: Butch formt das Fin­ger­zei­chen für LOVE und Jol­ly inter­pre­tiert es als Sex von allen und mit allen, also pro­mis­kui­ti­ve Frei­heit als Gegen­ent­wurf zur christ­li­chen Lie­be, zu Treue­bin­dung und Familie.

Der Regis­seur ließ die­se und eine wei­te­re Sze­ne mit LGBT-Per­so­nal aus­brei­ten, aber für die in Frank­reich und der gan­zen Welt vor­herr­schen­den Ehe und Fami­lie von Vater, Mut­ter und Kind(ern) war in der vier­stün­di­gen Eröff­nungs­fei­er kei­ner­lei Prä­senz vor­ge­se­hen – auch das eine Ver­zer­rung der sozia­len und kul­tu­rel­len Wirk­lich­keit sondergleichen.

IV.

Müs­sen Kir­che und Chri­sten die ver­que­e­re Abend­mahl­stra­ve­stie klag­los hin­neh­men als Aus­druck der unein­ge­schränk­ten künst­le­ri­schen Frei­heit, auch reli­giö­se Moti­ve pro­vo­ka­tiv ver­ein­nah­men zu dür­fen? Seriö­se Kunst­schaf­fen­de wis­sen um die Gren­zen der Kunst­frei­heit, näm­lich im Respekt für die Welt­re­li­gio­nen deren zen­tra­le Ele­men­te nicht in her­ab­wür­di­gen­der Wei­se zu kari­kie­ren. Und selbst wenn man ein­zel­nen Künst­lern das Recht auf künst­le­ri­sche Frei­heit zuge­ste­hen wür­de, für das Gast­ge­ber­land der Olym­pi­schen Spie­le, bei denen Sport­ler aus allen Staa­ten, Natio­nen und Reli­gio­nen im fried­li­chen Wett­kampf zusam­men­kom­men, gebie­ten die Regeln der Gast­freund­schaft, des Respekts und Anstands eine künst­le­ri­sche Zurück­hal­tung zum The­ma Religion.

Wenn sich der Regis­seur der Eröff­nungs­fei­er, Tho­mas Jol­ly, über die­se gebo­te­ne Zurück­hal­tungs­pflicht hin­weg­setzt, indem er das christ­li­che Abend­mahl, immer­hin sakra­men­ta­ler Grün­dungs­akt der größ­ten Welt­re­li­gi­on, zu einem grell-bun­ten LGBT-Spek­ta­kel über­formt, dann ist das offen­bar eine gewoll­te Grenz­über­schrei­tung mit anti­christ­li­chem Cha­rak­ter. Der krea­ti­ve Regis­seur hät­te vie­le Mög­lich­kei­ten gehabt, sei­ne Gesell­schafts­phi­lo­so­phie von sexu­el­ler Viel­falt in sze­ni­sche Bil­der umzu­set­zen. Aber Jol­ly wähl­te die den Chri­sten hei­li­ge Abend­mahl­ver­samm­lung mit dem Reli­gi­ons­stif­ter Jesus Chri­stus und den zwölf Apo­steln als Folie, um sei­ne woke Bot­schaft von all­sei­ti­gen Lieb­schaf­ten mit einer zivil­re­li­giö­sen Wei­he über­hö­hen zu wollen.

Nach­dem die­ses durch­sich­ti­ge Manö­ver von den fran­zö­si­schen Bischö­fen und welt­weit kri­ti­siert wor­den war, zeig­te sich Jol­ly (als Ver­tre­ter der woken Eli­te Frank­reichs) ziem­lich über­rascht in dem Sin­ne: Das haben wir doch schon immer gemacht, Chri­sten­tum und christ­li­che Moti­ve zu bekämp­fen, zu kari­kie­ren und für unse­re lai­zi­sti­sche Zie­le zu instru­men­ta­li­sie­ren! Wie­so jetzt plötz­lich die Kri­tik daran?

In der Wei­ge­rung zu einer ernst­haf­ten Aus­ein­an­der­set­zung mit der Kri­tik ver­leg­te sich Jol­ly auf offen­sicht­li­che Lügen (wie oben auf­ge­zeigt): Das letz­te Abend­mahl wäre in kei­ner Wei­se sei­ne Inspi­ra­ti­on gewe­sen. Genau­so ver­lo­gen war sei­ne Ent­schul­di­gung, mit der geziel­ten Instru­men­ta­li­sie­rung des christ­li­chen Abend­mahls zu einer Pro­pa­gan­da­schau für die Homo-Agen­da habe er nie­man­den belei­di­gen wollen.

Die oben benann­te Dis­kurs­ver­wei­ge­rung sowie das anschlie­ßen­de Lügen­ge­spinst wei­sen die argu­men­ta­ti­ve Schwä­che der woken Eli­te auf: Deren Prot­ago­ni­sten ver­zer­ren mit ihrer lai­zi­sti­schen Gesell­schafts­phi­lo­so­phie die histo­ri­sche, sozia­le und kul­tu­rel­le Wirk­lich­keit – nicht nur Frank­reichs. Dar­über hin­aus ver­let­zen sie mit ihren Grenz­über­schrei­tun­gen die Rechts­re­geln des zivi­li­sier­ten Zusammenlebens.

Es sind also meh­re­re Schwach­punk­te, an denen wir wei­ter­hin kri­tisch anset­zen soll­ten. Die näch­ste Gele­gen­heit dazu wird die Wie­der­eröff­nung der Kathe­dra­le Not­re Dame im Dezem­ber sein. Dabei wer­den Macron und die fran­zö­si­schen Medi­en wie­der ihr lai­zi­sti­sches Pro­gramm der Ent­christ­li­chung der fran­zö­si­schen Geschich­te und Kul­tur vorantreiben.

Bild: You­tube (Screen­shot)

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