
Von Roberto de Mattei*
In der Fatima-Botschaft vom 13. Juli 1917 sagte die Gottesmutter wörtlich: „Der Krieg ist bald zu Ende; aber wenn sie nicht aufhören, Gott zu beleidigen, wird während des Pontifikats von Pius XI. ein noch schlimmerer beginnen. Wenn ihr eine Nacht seht, die von einem unbekannten Licht erhellt wird, dann wißt, daß dies das große Zeichen ist, das Gott euch gibt, daß Er die Welt für ihre Verbrechen bestrafen wird, durch Krieg, Hungersnot und Verfolgung der Kirche und des Heiligen Vaters.“
Der Zweite Weltkrieg begann offiziell am 1. September 1939 mit dem deutschen Einmarsch in Polen. Innerhalb von zwei Tagen erklärten England und Frankreich Deutschland den Krieg, und so wurde aus dem deutsch-polnischen Konflikt ein europäischer Krieg.
Zwei Jahre zuvor, am Abend des 25. Januar 1938, hatte ein extrem helles Polarlicht den Himmel über Mittel- und Südeuropa und Nordafrika bis nach Nordamerika und Kanada erhellt. Schwester Lucia im Dorotheerkloster in Tuy, Spanien, wo sie sich damals aufhielt, schien dieses Polarlicht als das von der Muttergottes prophezeite „große Zeichen“ zu identifizieren. „Gott benutzte es, um mir klarzumachen, daß seine Gerechtigkeit über die schuldigen Nationen hereinbrechen würde, und ich begann daraufhin, mit Nachdruck um die Sühnekommunion an den ersten Samstagen und um die Weihe Rußlands zu bitten“ (Documentos de Fatima, Porto 1976, S. 231).
Im Jahr 1938 regierte Pius XI. die Kirche, von dem die Hirten von Fatima 1917 noch nichts wußten. Pius XI. starb am 10. Februar 1939 und wurde am 2. März desselben Jahres von Pius XII. abgelöst. Nach der Botschaft von Fatima brach der Krieg nicht 1939 unter Pius XII. aus, sondern ein Jahr zuvor unter seinem Vorgänger. Da der heiligen Jungfrau Maria kein Fehler unterlaufen kann, führt dieses offensichtliche historische Versehen dazu, über den Ursprung des Konflikts nachzudenken. Welches Ereignis zwischen den Nordlichtern im Januar 1938 und dem Tod von Pius XI. ein Jahr später kann als Auslöser für den Zweiten Weltkrieg angesehen werden?
Das Jahr 1938 war geprägt von der anglo-französischen Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler-Deutschland, das mit dem Anschluß vom 13. März Österreich dem Dritten Reich einverleibt hatte. Das Hauptanliegen des britischen Premierministers Chamberlain war es, einen Krieg gegen Deutschland zu verhindern. Um eine Verschärfung der internationalen Lage abzuwenden, fand am 29. und 30. September in München eine Konferenz der vier Mächte Frankreich, England, Deutschland und Italien statt, an der die jeweiligen politischen Führer teilnahmen: Edouard Daladier, Neville Chamberlain, Adolf Hitler und Benito Mussolini. Am Ende des Treffens akzeptierten England und Frankreich den Anschluß der direkt an das Reich angrenzenden deutschbesiedelten Gebiete der Tschechoslowakei. Chamberlain kehrte triumphierend nach London zurück und gab sich der Illusion hin, einen Krieg vermieden zu haben, indem er Hitlers Expansionsdrang nachgab, doch Winston Churchill (1874–1965) sagte in seiner Rede vor dem Unterhaus am 5. Oktober: „Wir haben eine totale und unentschuldbare Niederlage erlitten … Wir stehen vor einer Katastrophe ersten Ausmaßes.… Alle Länder Mitteleuropas und des Donauraums werden nacheinander in das große System der Nazipolitik eingegliedert … Und glauben Sie nicht, daß dies das Ende ist. Es ist erst der Anfang …“1
Zu den scharfsinnigsten Beobachtern der internationalen Lage gehörte der Herausgeber der brasilianischen Zeitschrift O Legionário, Plinio Corrêa de Oliveira (1908–1995), der am 2. Oktober 1938 wie folgt kommentierte: „In Sachen Demütigung werden Frankreich und England nicht mehr weiterkommen. Sie haben den Kelch bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken. Und als man ihnen verkündete, daß sie durch das Schlucken einiger weiterer Tropfen vielleicht den Frieden erreichen würden, weinten sie vor Freude.“
Nach dem Anschluß des deutschen Sudetenlandes durch das Dritte Reich begann das Jahr 1939 mit einer überraschenden Vorhersage des brasilianischen Denkers, die in der ersten Ausgabe des Legionário erschien: „Während alle Schlachtfelder abgesteckt werden, findet ein immer deutlicherer Prozeß statt: die doktrinäre Verschmelzung des Nationalsozialismus mit dem Kommunismus. Unserer Meinung nach wird das Jahr 1939 Zeuge der Vollendung dieser Verschmelzung sein.“ Einige Monate später, im August 1939, schlug die Ankündigung des sogenannten Ribbentrop-Molotow-Abkommens, bekannt auch als Hitler-Stalin-Pakt, in der europäischen Öffentlichkeit wie eine Bombe ein. Der „Grenz- und Freundschaftsvertrag“ hatte eine Laufzeit von zehn Jahren und verpflichtete die beiden Parteien, auf jegliche „gegenseitigen“ Angriffe zu verzichten. Hinzu kamen „geheime Zusatzprotokolle“, die Hitler freie Hand für halb Polen gaben und der UdSSR die Kontrolle über die drei baltischen Länder, Finnland, die andere Hälfte Polens und Bessarabien überließ.
Am 1. September 1939 marschierte die deutsche Armee in Polen ein. In seiner Nota internacional vom 3. September kommentierte Plinio Corrêa de Oliveira das Ereignis mit folgenden Worten: „Alles deutet darauf hin, daß der Krieg nicht durch einen einfachen Nichtangriffspakt, sondern durch ein geheimes Abkommen zwischen Rußland und dem Reich bestimmt wurde, das wahrscheinlich die Teilung Polens beinhaltete.“
Am 3. September desselben Jahres erklärten Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg. Damit begann offiziell der Zweite Weltkrieg, den Plinio Corrêa de Oliveira in einem Artikel im Legionário als den rätselhaftesten Krieg unseres Jahrhunderts bezeichnete (31. Dezember 1939). Das Rätsel bestand in dem Schleier scheinbarer Widersprüche, mit dem „die dunklen Mächte des Bösen“ ihre Manöver zur Zerstörung dessen, was von der christlichen Zivilisation noch übrig war, umhüllten.
Die ersten Monate des Konflikts sahen einen rasanten Vormarsch der deutschen Armee, die nach der Besetzung der Westhälfte Polens nach Westen bis zur Atlantikküste vordrang. Am 10. Mai 1940, dem Tag, an dem Hitler die Offensive im Westen eröffnete, trat Winston Churchill sein Amt als Premierminister des Vereinigten Königreichs an und sah sich der größten Bedrohung Großbritanniens in seiner Geschichte gegenüber. Die Panzer der Wehrmacht standen 25 Kilometer südlich von Dünkirchen, wo die gesamte britische Expeditionsarmee und die meisten französischen Soldaten zwischen dem Meer und der deutschen Front eingeklemmt waren. Frankreich stand am Rande des Zusammenbruchs, ein Eingreifen der USA war nicht absehbar und die Niederlage schien unmittelbar bevorzustehen.
In seiner Rede vor dem Parlament am 13. Mai 1940 versprach der neue Regierungschef dem britischen Volk „Tränen, Opfer, Blut und Schweiß“ bis zum endgültigen Sieg und erklärte im Admiralty House: „Sie fragen, was unsere Politik ist? Ich antworte: Es ist ein Krieg, der zu Wasser, zu Lande und im Himmel geführt wird, mit all unserer Macht und mit all der Kraft, die Gott uns geben wird (…). Das ist unsere Politik. Sie fragen, was unser Ziel ist? Ich kann mit einem Wort antworten: Es ist der Sieg, der Sieg um jeden Preis, der Sieg trotz des Terrors, der Sieg, wie lang und schwierig der Weg auch sein mag.“2
Ende Juni, nachdem er alle Vorschläge zu Verhandlungen mit dem Feind abgelehnt hatte, sah sich Churchill der vom Führer entfesselten „Battle of Britain“ gegenüber. Die Hartnäckigkeit des britischen Widerstands zwang Hitler, seinen Plan aufzugeben. Unter den Entscheidungen, die die Weltgeschichte im letzten Jahrhundert verändert haben, hebt der britische Historiker Ian Kershaw die Entscheidung Großbritanniens hervor, im Frühjahr 1940 bis zum bitteren Ende zu kämpfen.3
Winston Churchill, dem man vorwarf, ein Kriegstreiber zu sein, erwies sich als Realist und mutiger Staatsmann. Plinio Corrêa de Oliveira erscheint heute als einer der profundesten Interpreten der historischen Ereignisse seiner Zeit. Anhand ihrer Beispiele müssen wir feststellen, daß die Politik des Kompromisses mit dem Feind niemals Kriege verhindern konnte, sondern sie im Gegenteil oft provoziert hat. Wer glaubt, einen Krieg zu verhindern, indem er auf die Forderungen der Aggressoren eingeht, begeht nicht nur ein Unrecht, sondern auch einen schweren psychologischen und politischen Fehler. Die Münchner Konferenz, die den Zweiten Weltkrieg auslöste, ist in dieser Hinsicht eine immerwährende Lektion.
In einem luziden Artikel aus den 1970er Jahren erinnerte Plinio Corrêa de Oliveira an dieses Ereignis wie folgt: „München war nicht nur eine große Episode in der Geschichte dieses Jahrhunderts. Es ist ein symbolisches Ereignis in der Geschichte aller Zeiten: Wann immer es zu irgendeiner Zeit und an irgendeinem Ort zu einer diplomatischen Konfrontation zwischen wahnhaften Bellizisten und wahnhaften Pazifisten kommt, werden die Ersteren im Vorteil sein und die Letzteren im Nachteil. Und wenn es einen hellsichtigen Menschen gibt, wird er die Chamberlains und Daladiers der Zukunft mit den Worten Churchills tadeln: ‚Ihr hattet die Wahl zwischen Schande und Krieg: Wählt die Schande, und ihr werdet Krieg haben‘“(Folha de S. Paulo, 31. Januar 1971).
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Zusendung/Corrispondenza Romana
1 William L. Shirer: The rise and fall of the Third Reich – a history of Nazi Germany. New York 1960; dt. Ausgabe: Aufstieg und Fall des Dritten Reiches. Köln 1961; hier zitiert nach der ital. Ausgabe: Storia del Terzo Reich. Mailand 2014, S. 648.
2 Martin Gilbert: Finest hour. Winston S. Churchill, 1939–1941. London 1983, S. 333.
3 Ian Kershaw: Fateful choices: ten decisions that changed the world, 1940–1941. London 2007; dt. Ausg: Wendepunkte. Schlüsselentscheidungen im Zweiten Weltkrieg. München 2008; hier zitiert nach der ital. Ausg.: Scelte fatali. Le decisioni che hanno cambiato il mondo. 1940–1941, Mailand 2024, S. 13–68
Churchill-Apotheosen bei Katholisches Info?
Mattei-Artikel zu politischen Fragen sind längst ein Ärgernis geworden.
Churchill war ein freimaurerischer, fanatischer Deutschenhasser!
Nicht wenig deutet darauf hin, dass er sogar von dem Attentat von Stauffenberg wusste, es aber nicht untersützt, sondern sogar sabotiert hat, um Deutschland auch wirklich in die bedingunslose Kapitulation treiben zu können!
Vom Moral Bombing, dass in Dresden seinen traurigen Höhepunkt fand, ganz zu schweigen!
Und jetzt will de Mattei wirklich den Versuch Russlands, die Nato von seinen Grenzen fern zu halten, die sich einen Dreck um Verträge schert, wie alle in Jugoslawien 1999 sehen konnten, mit der Preisgabe mehrerer Länder und Gebiete, wie England es gegenüber dem ständig vertragsbrüchigen deutschen Reich getan hat, vergleichen.
Nein, jetzt hat Russland die Position, die de Mattei England anzudichten versucht, nicht umgekehrt!
Bin sehr enttäuscht, auf dieser Seite eine Lobhudelei über Winston Churchill lesen zu müssen.
Prof. de Mattei ist Transatlantiker, die Überschrift ist irreführend. Er wird seine Gründe dafür haben. Die Beweggründe Churchill dürften es allerdings nicht sein.
Prof. de Mattei beantwortet die Frage nach den „Ursprüngen“ des Zweiten Weltkrieges nur sehr am Rande. Dabei wird der Eindruck erweckt, es sei um eine Glaubensfrage oder Ideologie gegangen. Ist dem aber so? Laut meiner ganzen Wahrnehmung und Kenntnis interessierte noch keine US-Regierung welche Ideologie oder Weltanschauung die Regierung irgendeines Staates hat. Demokratie? Faschismus? Kommunismus? Islamismus? Diktatur? In Washington interessierte und interessiert nur eine Frage: Freund oder Feind. Und diese Frage beantwortet nicht etwa das Gegenüber, sondern die US-Regierung. Deren Feind kann man auch ganz unbeabsichtigt werden, indem man auf Gleichberechtigung und Souveränität pocht, oder indem man wirtschaftlichen US-Interessen in die Quere kommt.
1939 standen sich drei Seiten gegenüber. Jeder war klar, es nicht mit beiden Gegenseiten zugleich aufnehmen zu können, also versuchten alle irgendein Zweierbündnis gegen die dritte Seite zu schmieden. Hitler gelang im Sommer 1939 der überraschende Coup, indem er sich mit Stalin verbündete. Die Sache währte nicht lange.
Die Angelsachsen, die nach ihm das gleiche taten, waren erfolgreicher. Es ist interessant, zu lesen, was Plinio Corrêa de Oliveira über den Nationalsozialismus und über Hitlers Bündnis sagte. Es wäre ebenso interessant zu wissen, was er über das angelsächsische Bündnis mit Stalin sagte…