Italien gilt im doppelten Sinn als „Land der Päpste“. Einmal, weil sie in Rom residieren, dann aber auch, weil Italien in der Geschichte die meisten Päpste stellte. Bis 1978 galt es durch einige Jahrhunderte sogar als ungeschriebenes Gesetz, daß ein Italiener auf dem Stuhl Petri sitzt. Zuletzt ging man sogar davon aus, es könne nur der Erzbischof von Mailand oder der Patriarch von Venedig sein. Auf den bisher letzten Italiener, den Kurzzeitpapst Johannes Paul I., folgten jedoch ein Pole, ein Deutscher und ein Argentinier. Letzterer ist immerhin italienischer Abstammung. Dennoch scheint Papst Franziskus der Vorstellung von Italien als dem Land, das der Kirche die Päpste schenkt, ein Ende bereiten zu wollen. Die Halbinsel hat aktuell nur mehr drei Purpurträger, die Diözesanbischöfe sind und an einem Konklave teilnehmen können.
Der historische Tiefstand wurde durch die Wachablöse in L’Aquila erreicht, wo Franziskus den 76jährigen Kardinal Giuseppe Petrocchi emeritierte. Zum Nachfolger wurde automatisch der 53jährige Msgr. Antonio D’Angelo, der bereits seit 2023 Petrocchis Koadjutor war. Ein italienischer Purpur weniger, wobei L’Aquila ohnehin eine jener bergoglianischen Ausnahmen war, eine sogenanntes „Überraschungsbirett“, wie sie Franziskus mag und sich dafür „exotische“ Bischofsstühle aussucht.
Überhaupt übergeht er die Bischofssitze, die traditionell mit der Kardinalswürde verbunden waren. Das erste eklatante Beispiel war Venedig. Weitere prominente Beispiele folgten, einschließlich Mailand. Stattdessen verlieh Franziskus den Kardinalspurpur an Ancona, Agrigent, Perugia, Como, Siena und eben L’Aquila.
Mit der Neuernennung für L’Aquila, die Hauptstadt der Abruzzen, sinkt die Zahl der italienischen Bistümer, die von einem Kardinal geleitet werden, auf lediglich drei, so wenige wie seit Menschengedenken nicht mehr. Von diesen drei purpurnen Bistümern gehört zudem nur eines, das „rote“ Bologna, zu den „traditionellen“ Kardinalssitzen.
Die Bezeichnung als „rotes“ Bologna bezieht sich allerdings nicht auf den Kardinalspurpur, sondern auf die Tatsache, daß die Stadt seit Jahrzehnten die Hauptstadt der italienischen Linken ist. Es ist schon ein bemerkenswerter Zufall, daß Franziskus ausgerechnet für Bologna eine Ausnahme von seiner Demontage der traditionell mit dem Kardinalsbirett verbundenen Bischofssitze machte. Kardinal-Erzbischof von Bologna ist Matteo Zuppi von der Gemeinschaft von Sant’Egidio, der für das nächste Konklave als Papabile gilt.
Die beiden anderen Diözesen mit einem Kardinal an der Spitze sind Siena und Como, traditionell kam die Kardinalswürde den größeren und bedeutenderen Nachbarstädte Florenz und Mailand zu. Florenz hat noch einen Kardinal-Erzbischof, doch seit der Kardinalskreierung des Erzbischofs von Siena Augusto Paolo Lojudice gilt auch das purpurne Florenz als „Auslaufmodell“.
Die Erzbischöfe von Mailand, Neapel, Turin, Palermo, Genua und Venedig und wahrscheinlich bald auch von Florenz übergeht Franziskus, weshalb sie keine Stimme im Kardinalskollegium haben. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern bleiben sie „bloß“ Erzbischöfe ohne direkten Einfluß auf die Weltkirche. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob diese Bischöfe von Franziskus oder noch von seinen Vorgängern ernannt wurden, was ohnehin nur mehr für die Ernennung des Patriarchen von Venedig, Msgr. Francesco Moraglia, gilt, der noch von Benedikt XVI. berufen wurde. Die Erzbischöfe aller anderen genannten Bischofsssitze wurden bereits von Franziskus ernannt.
Der Einfluß von Kardinälen auf ein Pontifikat ist unter Franziskus allerdings eher mäßig. Seit dem Kardinalskonsistorium vom Februar 2014, bei dem es um die Zulassung sogenannter wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten ging, hat Franziskus die Kardinäle nicht mehr zu einem Konsistorium versammelt. Der Widerspruch damals war zu groß für seinen Geschmack. Allerdings ist mit der Kardinalswürde vor allem das Recht der Papstwahl verbunden. Spätestens zum Konklave werden die Purpurträger wieder nach Rom geladen und entscheiden den Lauf der Dinge mit.
Als der Erzbischof von Mailand Msgr. Mario Delpini mitansehen mußte, daß die Kardinalswürde an Mailand vorbei seinem Suffragan, dem Bischof von Como, verliehen wurde, kommentierte er dies mit den Worten:
„Es gibt drei Dinge, die nicht einmal der Ewige Vater weiß: wie viele Frauenorden es gibt, wie viel Geld
– was weiß ich? – welcher Orden besitzt und was die Jesuiten denken.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)