
(Rom) Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin befindet sich im Wahlkampf für das kommende Konklave und läßt dies deutlicher als bisher wissen.
Am vergangenen Mittwoch, dem 24. April, stellte der RAI-Vatikanist Ignazio Ingrao im ehemaligen Collegio Romano, dem 1870 vom italienischen Staat beseitigten Jesuitenkolleg, das seit 1975 Sitz des italienischen Kulturministeriums ist, sein neues Buch „Die fünf Fragen, die die Kirche bewegen“ vor.
An der gutbesuchten Präsentation nahmen gleich mehrere Kardinäle, allesamt aus der Riege der Vatikandiplomaten, und weitere hochrangige Vatikanprälaten teil. Der inzwischen 90jährige Giovanni Battista Re, seit 2020 Kardinaldekan des Kardinalkollegiums, saß in der ersten Reihe, während der 69 Jahre alte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Podium saß. Kardinal Re gehörte zu den einflußreichen Unterstützern der Wahl von Papst Franziskus.
Am Rande der Veranstaltung sprach Hernan Sergio Mora von Omnes, einem dem Opus Dei nahestehenden Online-Medium, mit dem Chefdiplomaten des Heiligen Stuhls und berichtete dessen Aussage: „‘Das Schönste an diesem Buch ist, daß es die großen Fragen, die wir alle mit uns herumtragen, auf den Tisch legt, aber über die Antworten…‘ (er schüttelte nur ein wenig den Kopf, als ob er sagen wollte, daß ihn diese weniger überzeugen).“
Für mehr Aufsehen sorgten andere in diesem Kontext getätigte Aussagen des Kardinalstaatssekretärs, die von zahlreichen katholischen Medien weltweit übernommen wurden, auch von VaticanNews, der Nachrichtenplattform des Heiligen Stuhls. Während andere Redaktionen von VaticanNews ausführlicher (auch hier) berichteten, beschränkte sich die deutsche Redaktion auf eine Kurzfassung, die dennoch den Kern wiedergibt und die Intention deutlich werden läßt. Hier der vollständige Wortlaut des deutschen Berichts:
„Nach dem Pontifikat von Papst Franziskus werde es ‚keine Kehrtwende‘ geben. Dies äußerte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Mittwochabend bei einer Buchvorstellung in Rom.
Der engste Mitarbeiter des Papstes ging auf die Frage eines Journalisten ein, was denn später einmal mit den vom Papst eingeleiteten Reformen geschehen werde. Mit Geduld, Gebet und Unterscheidungsvermögen werde die Kirchenführung auch nach dem argentinischen Pontifikat mit dem Beistand des Heiligen Geistes bei ihren Entscheidungen rechnen können. ‚Gerade weil es sich um das Wirken des Geistes handelt, kann es keine Kehrtwende geben‘, so Parolin.
‚Ecclesia semper reformanda‘
Der aus Norditalien stammende Chefdiplomat des Heiligen Stuhls bekannte sich zu der Formel ‚Ecclesia semper reformanda‘, daß also die Kirche immer wieder neu reformiert, ‚in ihre richtige Form gebracht werden muß‘. Schwierigkeiten, die auf dem Weg aufträten, sollten ‚nicht nur als Gefahr, sondern auch als Chance gelesen werden‘; dies sei ‚Teil der weisen Pädagogik Gottes, mit der er uns erzieht, uns reifen und fortschreiten läßt‘.“
Parolins Aussage – und die nachfolgende Berichterstattung – konzentrierte sich auf die „Kehrtwende“, die ausgeschlossen wurde. Im Umkehrschluß bedeutet die „Irreversibilität“ des bergoglianischen Pontifikats – wovon Franziskus und sein Hofstaat wiederholt sprachen –, daß dieses Pontifikat und seine Neuerungen geschützt werden müssen durch jemand, der ihren Fortbestand garantiert. Der Kardinalstaatssekretär selbst hatte das Wort „irreversibel“ an diesem Tag nicht in den Mund genommen, da dafür keine Notwendigkeit bestand. Das hatte bereits Ignazio Ingrao getan, indem er den Fortbestand der von Franziskus angestoßenen „irreversiblen Prozesse“ als Leitmotiv der Überlegungen zur Zukunft der Kirche präsentierte.
Kardinal Parolin konnte sich auf ein vermeintlich kleines Signal beschränken, indem er zu verstehen gab, der Mann zu sein, der eine „Kehrtwende“ ausschließt, also die gewünschte „Irreversibilität“ garantiert. Der Staatssekretär gab damit auch zu erkennen, was in den hohen kurialen Sphären als gewünscht gilt, und wer dürfte das besser wissen als er: eine Ära „Bergoglio ohne Bergoglio“, vielleicht etwas moderater, aber kein Zurück. Und genau so wurde es verstanden, wie die schnelle und massive Verbreitung von Parolins Mittwochs-Aussagen zeigt und erkennen läßt, daß hier im Kampagnenstil gearbeitet wird.
Loup Besmond de Senneville, der Vatikanist von La Croix, schrieb am vergangenen Samstag:
„Viele halten den Berufsdiplomaten für einen ruhigen Mann, der geeignet ist, nach einem von Reformen geprägten Pontifikat den Druck auf die Kirche zu verringern. Prognosen, die Franziskus, der regelmäßig sagt, daß er nicht die Absicht hat, von seinem Amt zurückzutreten, gut kennt. ‚Parolin macht ein bißchen Wahlkampf und der Papst weiß das‘, kommentiert ein Kardinal, der Franziskus nahesteht, lächelnd. ‚Manchmal macht er in der Öffentlichkeit kleine Bemerkungen, um das wissen zu lassen.‘“
Der Wahlkampf ist längst im Gange und Kardinal Parolin ist bereits in den Ring gestiegen, mit einer präzisen Ansage.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Formiche (Screenshot)
Fast schon sprichwörtlich ist es so: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus. Einer der wenigen, die die RKK wieder zu ihren wesentlichen Aufträgen und Pflichten zurückzuführen vermag, ist sicherlich Gerhard Ludwig Müller. Der deutsche Kurienkardinal ist besonnen, redlich, aufrichtig und hätte vor allem die theologische Reputation für dieses anspruchsvollste Amt in der Kirche. Er hat es wahrhaftig nicht nötig, seinen Kardinalshut in den Ring zu werfen, und er wird dies auch nicht tun.
Gott ist kein Pädagoge.
Genau an solcher manipulativer (Sozial-)pädagogik krankt ja die moderne Kirche massiv.
.…das ist dann ja schon mal – hoffentlich – für viele Kardinäle ein Grund, Parolin nicht zu wählen. Schade, ich hätte ihm mehr Verstand zugetraut als dieses Interview zu geben. Andererseits muss man ja auch froh sein: Er hat die Hosen runtergelassen und sich ehrlich gemacht, was in der Kirche ja eher die Ausnahme ist, erst recht im Klerus, der Karriere mache will. Long story short: Not my next pope! Sorry!