
(Rom) Martin Selmayr wird neuer Botschafter der Europäischen Union (EU) beim Heiligen Stuhl sowie zugleich beim Souveränen Malteserorden, bei den UN-Organisationen in Rom und in der Republik San Marino. Er löst die bisherige EU-Botschafterin Alexandra Valkenburg ab.
Der in Bonn geborene Bayer Selmayr ist ein bundesdeutscher Jurist wie schon sein Vater Gerhard Selmayr, der für die Bundeswehr bzw. das Bundesverteidigungsministerium tätig war und 1973 Gründungskanzler der Universität der Bundeswehr (damals noch Hochschule der Bundeswehr) in München wurde, dann ab 1978 Kanzler der Universität Karlsruhe.
Sein Großvater Josef Selmayr war als Generalstabsoffizier einer Panzerdivision im Rußlandfeldzug, dann der Heeresgruppe F auf dem Balkan eingesetzt. Nach seiner Rückkehr aus der jugoslawischen Kriegsgefangenschaft 1950 wurde er in die Organisation Gehlen aufgenommen, wo er für Militärspionage in Südosteuropa zuständig war. Von 1957 bis 1964 war er im Rang eines Brigadegenerals Leiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) der Bundesrepublik Deutschland.
Auch Martin Selmayrs Großvater mütterlicherseits war ein hoher Offizier der Wehrmacht und dann der Bundeswehr, zuletzt im Rang eines Generalleutnants als Kommandierender General des III. Korps in Koblenz. Beide Großväter wurden im Zweiten Weltkrieg mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet.
Selmayrs Ururgroßvater war letzter Bürgermeister von Bogenhausen. Als Besitzer von Schloß Erching, das sich noch heute im Familienbesitz befindet, wurde er zu einem reichsweit bekannten Züchter veredelter Landschweine. Als Landrat für Oberbayern blieb er auch nach der Eingemeindung von Bogenhausen in München politisch aktiv.
Martin Selmayr studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Passau, Genf, Berkeley und am King’s College London. Seit 2019 war er Ständiger Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich. Solche Vertretungen, die dem Rang von Botschaften entsprechen, unterhält die EU-Kommission in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Zuvor war Selmayr von November 2014 bis Februar 2018 Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dann von März 2018 bis Juli 2019 Generalsekretär der Europäischen Kommission gewesen.
Bevor er 2004 zur EU-Kommission wechselte, war Selmayr Jurist bei der Europäischen Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und dem Medienunternehmen Bertelsmann (RTL Group, Random House etc.)
Selmayr ist Honorarprofessor für Europäisches Wirtschafts- und Finanzrecht an der Universität des Saarlandes, Lehrbeauftragter für Wirtschafts- und Währungsunionsrecht an der Donau-Universität Krems und ehrenamtlicher Direktor des Zentrums für Europarecht an der Universität Passau.
Am vergangenen 31. Januar hatte er seine Tätigkeit als Vertreter der EU-Kommission in Österreich beendet und für das Sommersemester 2024 eine Gastprofessur an der Universität Wien (Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht) angenommen.
Die EU nahm 1970, noch als Europäische Gemeinschaften, diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl auf. Damals wurde der erste Apostolische Nuntius bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) akkreditiert. Seit November 2022 ist der Ire Msgr. Noël Treanor Vertreter des Heiligen Stuhls bei der EU, der zuvor Generalsekretär der Kommission der Bischofskonferenzen in der EU (COMECE) und Bischof von Down und Connor war.
Seit 2006 ist der Leiter der EU-Delegation bei der UNO in Rom zugleich auch als Botschafter beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Der erste EU-Vertreter im Vatikan war Luis Ritto. Zuletzt vertrat, seit September 2020, die niederländische Diplomatin Alexandra Valkenburg die EU beim Heiligen Stuhl.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Paul Morigi/Flickr