Von der Thora zu Al Capone

Die Unausgeglichenheit des neuen argentinischen Präsidenten


Was haben Argentiniens Präsident Milei, Al Capone und das Council of the Americas miteinander zu tun?
Was haben Argentiniens Präsident Milei, Al Capone und das Council of the Americas miteinander zu tun?

2013 wur­de die Welt von einem Argen­ti­ni­er, Jor­ge Mario Berg­o­glio, über­rascht, von dem kaum jemand etwas wuß­te, als er Papst wur­de. Um der­glei­chen ein zwei­tes Mal zu ver­hin­dern, berich­tet der eme­ri­tier­te Pro­fes­sor der Phi­lo­so­phie José Arturo Quar­ra­ci­no, Nef­fe des frü­he­ren Pri­mas von Argen­ti­ni­en Anto­nio Kar­di­nal Quar­ra­ci­no, über Argen­ti­ni­ens neu­en Staats­prä­si­den­ten und Regie­rungs­chef Javier Milei.

Anzei­ge

Von José Arturo Quar­ra­ci­no

Zu der gei­sti­gen und psy­cho­lo­gi­schen Unbe­herrscht­heit, die der argen­ti­ni­sche Prä­si­dent Javier Milei in sei­nen öffent­li­chen Auf­trit­ten an den Tag legt, kom­men uner­klär­li­che und unüber­wind­ba­re Wider­sprü­che, die in sei­nen reli­giö­sen und poli­ti­schen Äuße­run­gen sicht­bar wer­den, in denen er die mosai­sche Tho­ra, den Unab­hän­gig­keits­kampf der Mak­ka­bä­er und die Recht­fer­ti­gung des kri­mi­nel­len Mafio­so Al Capo­ne als poli­ti­schen Hel­den auf eine Stu­fe stellt. Soll­te man ihm eine psych­ia­tri­sche Unter­su­chung empfehlen?

1.

Die Mani­pu­la­ti­on des dama­li­gen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten und jet­zi­gen argen­ti­ni­schen Prä­si­den­ten Javier Edgar­do Milei durch sei­ne Pseu­do-Anhäng­lich­keit an das Juden­tum und sein „Stu­di­um“ der Tho­ra sowie an das Bild von König Salo­mo ist öffent­lich wohl­be­kannt. Ein ver­lo­ge­nes oder ein fal­sches Bekennt­nis ist das, gleich­be­deu­tend mit nichts. Da er gleich­zei­tig sei­ne katho­li­sche „Iden­ti­tät“ bei­be­hält, ist auch sein „Juden­tum“ eben­so hybrid und fad.

Die­se Mani­pu­la­ti­on des Reli­giö­sen – ob katho­lisch oder jüdisch, spielt kei­ne Rol­le – hat ihn nicht dar­an gehin­dert, auf wüten­de und ver­stö­ren­de Wei­se – im besten Stil eines Land­gut­be­sit­zers oder eines bil­li­gen Mafio­so – sei­ne gerin­ge oder gar kei­ne Tole­ranz für Unan­nehm­lich­kei­ten, Rück­schlä­ge und Miß­er­fol­ge zu zei­gen, ange­sichts derer er sein gan­zes gei­sti­ges, psy­cho­lo­gi­sches und spi­ri­tu­el­les Ungleich­ge­wicht offen­bart, indem er hem­mungs­los, wütend und gewalt­tä­tig reagiert und jeden belei­digt und angreift, der eine ande­re Mei­nung oder ande­re Kri­te­ri­en ver­tritt als er. In die­sen Fäl­len wird sei­ne mosai­sche oder salo­mo­ni­sche Hoch­sta­pe­lei auf­ge­deckt, um sich als gewöhn­li­cher Halb­star­ker oder Nach­bar­schafts­ty­rann zu offenbaren.

2.

Die jüdi­schen Betrü­ge­rei­en von Javier Milei nach sei­ner Wahl zum Prä­si­den­ten im Novem­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res und vor sei­nem Amts­an­tritt sind bereits Teil des histo­ri­schen Archivs: zum einen sein Besuch in einer Syn­ago­ge in Bue­nos Aires, wo er den Segen des Ober­rab­bi­ners David Hana­nia Pin­to Shli­ta, Nach­kom­me einer marok­ka­ni­schen Rab­bi­ner-Dyna­stie, erhielt, und zum ande­ren sein Besuch am Grab des berühm­ten, in der Ukrai­ne gebo­re­nen Rab­bi­ners Men­achem Men­del Schneer­son, eines sehr ein­fluß­rei­chen Füh­rers der chas­si­di­schen Bewe­gung Cha­bad Lubawitsch, der 1994 in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten gestor­ben und in New York City begra­ben ist.

Aber so viel zum „Juden­tum“ des Prä­si­den­ten, der bei sei­nem Amts­an­tritt am 10. Dezem­ber einen Eid auf „Gott, das Vater­land und die hei­li­gen Evan­ge­li­en“ schwor, d. h. er trat sein Amt als Katho­lik an und ließ die Tho­ra bei­sei­te. Dies zeigt, daß der anar­cho-liber­tä­re Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler in Wirk­lich­keit ein Misch­ka­tho­lik oder Misch­ju­de oder hal­ber Katho­lik und hal­ber Jude ist, anders aus­ge­drückt, ein reli­giö­ses Nichts.

3.

Seit er Prä­si­dent ist, zeig­te Javier Edu­ar­do Milei zwei­mal Anzei­chen eines mosa­isch-mes­sia­ni­schen Wahns, der ihn befällt und letzt­lich auch den jüdi­schen Glau­ben, den er zu ver­eh­ren vor­gibt, ver­höhnt. Bei bei­den Gele­gen­hei­ten poste­te er, der sich selbst als Kai­ser von Argen­ti­ni­en wahr­zu­neh­men scheint, auf X (vor­mals Twit­ter) hebräi­sche Pas­sa­gen aus dem Buch Exodus, von denen sich eine auf die Zer­stö­rung der bei­den Stein­ta­feln bezieht, auf die Gott/​Jahwe selbst die 10 Gebo­te geschrie­ben hat­te, Tafeln, die Mose zer­brach, als er sah, daß das Volk ein gol­de­nes Kalb (Sym­bol des Göt­zen­dien­stes) anbe­te­te (Ex 32,19). In sei­nem Wahn sah sich der argen­ti­ni­sche Prä­si­dent offen­bar in der Rol­le des Moses, der dem argen­ti­ni­schen Par­la­ment den Geset­zes­ent­wurf ent­zog, den er selbst vor­ge­legt hat­te und den die Gesetz­ge­ber zu ändern begon­nen hat­ten, einen Geset­zes­ent­wurf, den er in sei­nem Wahn mit den Tafeln Got­tes gleich­setz­te, obwohl die­ser Geset­zes­ent­wurf in Wirk­lich­keit nicht von Gott geschrie­ben wur­de, son­dern von einem histo­risch geschei­ter­ten argen­ti­ni­schen Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler und Poli­ti­ker im Dien­ste der Finanz­plu­to­kra­tie, die auf den argen­ti­ni­schen Reich­tum spe­ku­liert und ihn ausplündert.

Die ande­re Bibel­stel­le, die der Prä­si­dent am 29. Febru­ar auf X wie­der­gab, stammt eben­falls aus dem oben genann­ten alt­te­sta­ment­li­chen Buch, das auf die neu­en Stein­ta­feln anspielt, auf die Gott die 10 Gebo­te noch ein­mal schrieb (Ex 34,1–4). In die­sem neu­en mes­sia­ni­schen Deli­ri­um setz­te sich Milei bei der Eröff­nung des neu­en Par­la­ments­jah­res am 1. März erneut mit Moses und den­sel­ben Geset­zes­ent­wurf, den er ursprüng­lich ein­ge­bracht hat­te, mit den neu­en, von Gott geschrie­be­nen Geset­zes­ta­feln gleich, die Milei nun, wie er es ursprüng­lich vor­hat­te, im Block als Gan­zes ver­ab­schie­den las­sen will. Kurz gesagt, eine aus­ge­wach­se­ne reli­giö­se Schi­zo­phre­nie. Wenn sei­ne Selbst­wahr­neh­mung als Moses schon gro­tesk und besorg­nis­er­re­gend ist, so ist es noch schlim­mer, wenn er glaubt, daß sein wahn­wit­zi­ges Geset­zes-Unge­tüm der Deka­log Jah­wes ist.

4.

An die­sem Punkt kann man sich durch­aus fra­gen, wel­che histo­ri­sche Figur für Prä­si­dent Milei jene ist, die im Bereich der Poli­tik ein öffent­li­ches Han­deln ver­kör­pert, das der bibli­schen Ideo­lo­gie und dem dok­tri­nä­ren Libe­ra­lis­mus, den der argen­ti­ni­sche Prä­si­dent angeb­lich ver­tritt, ähn­lich ist, eine Figur also, die den „Kampf gegen den Staat als kri­mi­nel­le Orga­ni­sa­ti­on“ ange­führt hat.

Bei die­ser Figur han­delt es sich nicht um Judas Mak­ka­bä­us oder einen sei­ner Brü­der, auch nicht um Simon bar Koch­ba (den Anfüh­rer des letz­ten jüdi­schen Auf­stan­des in Palä­sti­na gegen Rom in den Jah­ren 132 bis 135 n. Chr.) und auch nicht um den argen­ti­ni­schen Libe­ra­len Juan Bau­ti­sta Alber­di (1810–1884), der von Milei häu­fig zitiert wird und des­sen Kote­let­ten­bart er nach­ahmt. Für ihn ist das Para­dig­ma des Kamp­fes gegen den Staat als kri­mi­nel­le Orga­ni­sa­ti­on… der berühm­te ita­lie­nisch-ame­ri­ka­ni­sche Mafio­so Alphon­se Gabri­el Capo­ne (bekannt als Al Capo­ne). Als sol­chen defi­nier­te er ihn aus­drück­lich in einem Fern­seh­in­ter­view am 9. Febru­ar 2021, als er Kan­di­dat für das argen­ti­ni­sche Par­la­ment war.

Damit kein Zwei­fel an der von Javier Milei prak­ti­zier­ten Ethik und Moral auf­kommt, erklär­te er in die­sem Inter­view unver­blümt und unmiß­ver­ständ­lich, daß „Al Capo­ne für mich ein Held ist“ (sic!), denn „in den 1920er Jah­ren gab es in Chi­ca­go eine Grup­pe fröh­li­cher Betrun­ke­ner“, bis eines Tages von einem Poli­ti­ker beschlos­sen wur­de, daß „es falsch sei, daß Men­schen Alko­hol trin­ken“, was zum Ruin der Wein­her­stel­ler (sic!) und zum Zusam­men­bruch der Taver­nen führ­te und die Trin­ker ohne Alko­hol zurück­ließ. Dar­auf­hin hat der „sozia­le Wohl­tä­ter Al Capo­ne“ (sic!), weil er „kein Gau­ner“ (sic!) war, „die Punk­te“ – die Win­zer und Wein­freun­de – ver­bun­den und die Nach­fra­ge befrie­digt, wäh­rend „ein Idi­ot namens Elli­ot Ness“ (sic!) sie aus dem Staat jag­te, das Risi­ko erhöh­te und die ille­ga­len Gewin­ne stei­ger­te, wobei Al Capo­ne „sei­ne Pro­ble­me durch Schie­ßen löste“ (sic!). So wur­de „der arme Al Capo­ne als Schmugg­ler und Mör­der gebrand­markt“, aber wegen Steu­er­hin­ter­zie­hung ins Gefäng­nis gesteckt. Und Javier Milei been­de­te sei­ne Apo­lo­gia pro Capo­ne mit den Wor­ten: „Es lebe Al Capone“.

Daß es sich dabei nicht um eine zufäl­li­ge Äuße­rung han­del­te, son­dern um den Aus­druck einer mafiö­sen und kri­mi­nel­len poli­ti­schen Ideo­lo­gie, zeigt die Tat­sa­che, daß er zwei Jah­re zuvor, 2019, in einem Inter­view in Para­gu­ay in der Fern­seh­sen­dung Cara o Cruz die glei­che Ent­schul­di­gung für das orga­ni­sier­te Ver­bre­chen aus­sprach und hin­zu­füg­te: „Was der Schmug­gel macht, ist, die Steu­er­be­hör­den zu umge­hen. Für mich sind die Schmugg­ler Hel­den. Einer mei­ner gro­ßen Hel­den, wie ich in mei­nen Vor­trä­gen oft erwäh­ne, ist Al Capone.“

Doch abge­se­hen von sei­ner Bewun­de­rung für den Mafio­so Al Capo­ne hat­te der heu­ti­ge argen­ti­ni­sche Prä­si­dent vor eini­gen Jah­ren auch kei­ner­lei ethi­sche Beden­ken, Dro­gen­händ­ler in Sachen Inve­sti­tio­nen und Geld­wä­sche zu bera­ten, wie er dem Jour­na­li­sten und Poli­ti­ker Sant­ia­go Cúneo in einem pri­va­ten Gespräch gestand, was die­ser in einem Fern­seh­in­ter­view am 29. Febru­ar die­ses Jah­res öffent­lich mach­te, ohne daß sich der Betrof­fe­ne oder einer sei­ner Beam­ten und Mit­ar­bei­ter dazu geäu­ßert hät­te, wodurch das, was in dem besag­ten Inter­view öffent­lich gemacht wur­de, Gül­tig­keit und Glaub­wür­dig­keit erlangte.

Genau genom­men gibt es vie­le Ein­stel­lun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen, die deut­lich zei­gen, daß Prä­si­dent Javier Edgar­do Milei gei­stig und psych­ia­trisch unge­eig­net ist, das Amt des Prä­si­den­ten der Nati­on zu beklei­den, nicht nur wegen sei­nes mes­sia­nisch-reli­giö­sen Wahns, son­dern auch wegen sei­ner Unfä­hig­keit, nor­mal mit der Welt in Bezie­hung zu tre­ten, und sei­ner stän­di­gen aggres­si­ven und belei­di­gen­den Abqua­li­fi­zie­rung von jedem, der ihn nicht als neu­en Moses aner­kennt. Und es ist ethisch höchst bedenk­lich, daß der­je­ni­ge, der die Geschicke des Lan­des lenkt, sich zum Bewun­de­rer des argen­ti­ni­schen Al Capo­ne erklär­te und finan­zi­el­ler Bera­ter von Dro­gen­händ­lern war. In einem seriö­sen Land wäre er längst wegen feh­len­der mora­li­scher Eig­nung ent­las­sen worden.

Trotz die­ser schwer­wie­gen­den Unre­gel­mä­ßig­kei­ten und offen­sicht­li­chen Unfä­hig­kei­ten gibt es eine Hand­voll qua­si mafiö­ser „Geschäfts­leu­te“, die sich im Coun­cil of the Ame­ri­cas der Fami­lie Rocke­fel­ler zusam­men­ge­schlos­sen haben und die die Zer­stö­rung der argen­ti­ni­schen Wirt­schaft und Gesell­schaft durch den ört­li­chen Capo­ne für durch­aus nütz­lich und wirk­sam hal­ten, um Argen­ti­ni­en ein für alle Mal zu über­neh­men. Eine Wirt­schafts­ma­fia, die von 1983 bis heu­te mit allen „natio­na­len“ Regie­run­gen Geschäf­te gemacht hat und den Staat aus­schließ­lich zu ihrem eige­nen Vor­teil nutzt.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: You­tube (Screen­shot)

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