Von Wolfram Schrems*
Es war lange Zeit schwer möglich, an eine deutsche Übersetzung des von der Kirche jahrhundertelang hochgeschätzten Catechismus Romanus, der vom Trienter Konzil in Auftrag gegeben und von den Päpsten St. Pius V. und Klemens XIII. herausgegeben wurde, zu gelangen. Der äußerst produktive Renovamen-Verlag besorgte im vergangenen Jahr eine schöne Ausgabe dieses bedeutenden Katechismus. Die erste Auflage hat man dem Vernehmen nach dem Verleger bereits förmlich aus den Händen gerissen. Die zweite soll Ende Februar erscheinen. –
Da die Kenntnisse wahrer Katechetik und ihrer klassischen Dokumente heutzutage weit zurückgegangen sind, seien einige Worte zu diesem Katechismus gesagt.
Er ist in vier Teile unterteilt: das Apostolische Glaubensbekenntnis, die Sieben Sakramente, die Zehn Gebote und das Vater Unser. Diesem Schema folgte übrigens auch der KKK, nur daß der vierte Teil allgemein dem Gebet gewidmet ist.
Es ist wichtig, sich diese Struktur bewußt vor Augen zu führen, da – zum Kontrast – der deutschsprachige Religionsunterricht der letzten fünfzig Jahre keiner erkennbaren Struktur folgt und auch keine nennenswerten Inhalte bietet. Somit ist die Neuauflage des Römischen Katechismus auch eine Anklage gegen eine zu Unrecht so genannte „Katechetik und Religionspädagogik“. –
Vorliegende Ausgabe beruht auf der deutschen Übersetzungen von 1856, die gründlich durchgesehen und mit Erklärungen versehen wurde. Wo sich die kirchlichen Bestimmungen aufgrund des neuen Kirchenrechtes (CIC 1983) geändert haben, wurde dies vermerkt. Auch die „Präzisierung“ bzw. Veränderung der Lehre über das Sakrament der Priesterweihe durch Pius XII. wird vermerkt (412).
Empfehlung durch Kardinal Raymond Burke
Das Vorwort der vorliegenden Ausgabe wurde von Kardinal Raymond Burke, einem der (offenbar nur wenigen) gläubigen Kardinäle, verfaßt. Er beklagt die „tiefe Erschütterung des kirchlichen Lebens“ nach dem II. Vaticanum und den „Glaubensverlust weiter Kreise, der in vielen Ländern stattgefunden hat.“ Die „schweigende Apostasie Europas“ sei zu einer „lautstarken“ geworden.
Zum Katechismus selbst:
„Zahlreiche Päpste und Geistesmänner haben diesem Werk größte Anerkennung gezollt […]. Um einem möglichen Einwand vorzugreifen, ist es wichtig festzuhalten, daß eine neue Ausgabe des Römischen Katechismus nach der Veröffentlichung des sog. Weltkatechismus keineswegs überflüssig ist, hat doch gerade der Papst, der letzteren Katechismus herausgab, dem Römischen Katechismus größtes Lob gespendet […]. Papst Benedikt XVI. bezeichnete den Römischen Katechismus sogar, vor seiner Erhebung auf den Stuhl Petri, als den ‚wichtigsten katholischen Katechismus‘.“
In Zeiten wie diesen ist der Schluß der Einleitung Seiner Eminenz bemerkenswert:
„[Möge] die Allerseligste Jungfrau Maria, die ‚allein alle Häresien auf der ganzen Welt vernichtet hat‘, sie, das ‚große Zeichen am Himmel, mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen‘, überall eine hellstrahlende neue Blüte des Glaubens bewirken, von dem der Römische Katechismus in so schöner Weise kündet“ (11ff).
Zur Entstehungsgeschichte
Das Konzil von Trient beklagte die schlechte religiöse Bildung von Eltern und Lehrern (also vierhundert Jahre vor dem II. Vaticanum!). Der dort geäußerte Plan eines „zuverlässigen und authentischen Abrisses der katholischen Lehre“ (21) wurde von Kaiser Ferdinand und dem französischen König (Denkschrift vom 3. Jänner 1563) unterstützt.
Der gefeierte Stilist Giulio Pogiani machte im Auftrag der Kirche den Katechismus zu einem „klassischen Werk“.
Bedauerlicherweise verschwand der Katechismus im 17. und 18. Jahrhundert aus der Hand des Seelsorgeklerus:
„Anlaß dazu bildeten jedenfalls die um das Jahr 1600 zwischen den großen theologischen Schulen entstandenen Streitigkeiten über die Wirksamkeit der göttlichen Gnade, in denen sich eine Partei für ihre Ansicht auf den Römischen Katechismus berief, obschon dieser in der Vorrede ausdrücklich erklärt, nicht theologische Ansichten, sondern nur ganz sichere Glaubenslehren behandeln zu wollen. Später wirkten ungünstig ein gewisse religiöse Strömungen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts: Der Jansenismus mochte ein Buch nicht leiden, in dem fortwährend die Barmherzigkeit, Güte und Liebe Gottes gepriesen wird. Ebenso empfand die im achtzehnten Jahrhundert auch in kirchliche Kreise eindringende Aufklärung (Rationalismus) eine unwillkürliche Abneigung gegen ein Werk, das in jeder Zeile übernatürlichen Glaubensgeist atmet“ (25).
Der Katechismus richtet sich an den „Lebenswerten“ der geoffenbarten Wahrheit aus, an die Herz und Willen ergreifenden Gehalte der Lehre. Es sollen ja die Handlungen des Menschen zum Guten motiviert werden. Darum ist der Katechismus auch nicht polemisch, sondern positiv. Er will zwar die Katholiken vor der Häresie schützen, die im 16. Jahrhundert in großer Stärke und verwirrender Vielfalt zwischen Wittenberg, Genf und England aufgetreten ist. Er will das aber nicht durch explizite Widerlegung der Irrlehren, sondern durch Darlegung der geoffenbarten Wahrheit.
Der Katechismus soll „Geschmack an dem, was droben ist“, vermitteln. Daher ist er auch eher einfach verfaßt (68).
Glaube und Moral – bedenkenswerte Stellen
Werfen wir einen Blick auf einige memorierungswürdige Passagen, die den Geist freundlicher Ermahnung und nachvollziehbarer Darlegung atmen.
Sehr eingängig wird über das Allgemeine Endgericht gehandelt:
„Man muß dann auch die Gründe aufzeigen, warum außer dem besonderen Gericht über jeden einzelnen auch noch dieses zweite allgemeine Gericht gehalten wird. Mag der Mensch auch gestorben sein, es leben doch nicht selten noch Kinder, die es ihren Eltern nachtun; es sind Nachkommen oder Jünger da, die der Verstorbenen Beispiel in Wort und Tat weiter nachahmen und verbreiten. […] Außerdem ist es sehr in der Ordnung, daß ebenjener Mensch, der durch das ungerechteste Verfahren der Welt aus Menschenmund verurteilt wurde, nun auch vor aller Augen als Richter aller zu Gericht sitzt“ (135).
Natürlich ist die Eschatologie der Zielpunkt menschlichen Handelns. Diese ist uns heute durch das Versagen der Verkündigung, durch die Spekulationen über eine „leere Hölle“ (Hans Urs von Balthasar und neuerdings Papst Franziskus) weitgehend aus dem Blick gekommen:
„Das sind die Wahrheiten, die der Seelsorger dem Christenvolk recht oft einhämmern sollte. […] Darum steht das Wort im Ekklesiastikus (Sir. 7,40): ‚In all deinen Werken gedenke deiner letzten Dinge, und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen.‘“ (140)
Der Katechismus betont – gegen die Abwertung des freien Willens durch Luther und Calvin – stark die menschliche Verantwortung:
„Wie nämlich der Mensch aus freien Stücken auf die Schlange gehört und sich so das Verderben zugezogen hat, so will der Herr auch nur wiederum Freiwillige in die Reihe der Seinen aufgenommen haben, solche, die seinen göttlichen Geboten aus freien Stücken gehorchen und sich so das ewige Heil erwirken“ (266).
Was über die Eucharistie und die Verpflichtung, sie im Stand der Gnade zu empfangen, gesagt wird (285), richtet sich eo ipso gegen die falschen Lehren der letzten elf Jahre.
Gegen den Nominalismus der Protestanten (und übrigens auch des Islam) wird die Erkennbarkeit und Geltung des Naturrechtes eingeschärft (454).
Sehr schön wird der Kampf mancher Ideologen gegen den von ihnen so bezeichneten „Eudämonismus“, d. h. gegen den inneren Zusammenhang von Dienst an Gott einerseits und Lohn und Glück für den Gläubigen andererseits, durch eine bemerkenswerte Formulierung lahmgelegt:
„Gott hat gerade dadurch seine Milde und den Reichtum seiner Güte gegen uns gezeigt, daß er seine Ehre mit unserem Nutzen verbinden wollte. Denn Gott hätte uns zwingen können, ohne jeden Lohn seiner Majestät zu dienen; aber er hat die Bestimmung getroffen, daß, was für ihn ehrenvoll ist, auch für den Menschen nützlich sei“ (459).
In der Erklärung des zehnten Gebotes gibt es einen Absatz, der in Zeiten künstlich gemachter wirtschaftlicher und medizinischer Krisen besonders in den Ohren klingeln sollte:
„Manche Menschenklassen leiden mehr als andere am Laster der Begierlichkeit; diese müssen vom Pfarrer sorgfältiger zur Einhaltung dieses Gebotes ermahnt werden. […] [Nämlich] Kaufleute, die Hungersnot und Teuerung herbeiwünschen und es schwer ertragen, wenn außer ihnen noch andere Geschäftsleute da sind, eben weil sie teurer verkaufen möchten. […] Desgleichen [sündigen] Ärzte, die den Ausbruch von Seuchen […] wünschen“ (590).
Gegen manche psychische Krankheiten unserer Zeit ist die Ausrichtung auf Gott in allen Lebenslagen und die Loslösung von der ungeordneten Anhänglichkeit an das Irdische gerichtet (672).
Anhänge
Der Verlag hatte die glückliche Idee, vier Anhänge dem Text des Katechismus beizugeben, die die Lehrentwicklung nach Trient illustrieren:
Die Bulle Ineffabilis Deus von Pius IX. über die Unbefleckte Empfängnis (1854), die Dogmatische Konstitution Dei Filius des I. Vaticanums über die Offenbarung, die Dogmatische Konstitution Pastor Aeternus desselben Konzils über das kirchliche Amt (beide 1870) und die Dogmatische Bulle Munificentissimus Deus von Papst Pius XII. über die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel (1950).
Katechismus mit Bibeltext der Vulgata
Was zu beachten ist, ist, daß die Notation der Psalmen der Vulgata (und Septuaginta) folgt. Wenn der Leser also in seiner Bibel nachschlägt, möge er beachten, daß die Zählung der problematischen Einheitsübersetzung dem Masoretischen Text folgend in den meisten Fällen zur Vulgata-Notation eins dazuzählt. Manchmal wurde in den Anmerkungen 1 Sam geschrieben, wo es klassisch 1 Kön heißt. Das ist kein gröberes Problem, man muß nur wissen: Die Zitate der hl. Schrift folgen der Vulgata. Das heißt beispielsweise, daß in Hiob 19,26 V das Gegenteil von dem steht, was wir heute in der Einheitsübersetzung (dort heißt es zu diesem Vers: „In H unklar.“) haben.1
Resümee
Der Römische Katechismus ist Zeuge eines zu Recht so bezeichneten „erneuerten Glaubens“, sowohl des je persönlichen Glaubensvollzuges als auch der vertieften Doktrin. Wir erkennen hier das sich entfaltende Verständnis des Glaubensgutes. Die revolutionären Bestrebungen im 16. Jahrhundert, fälschlich „Reformation“ genannt, waren ein Anlaß für die Lehrende Kirche, manche Fragen des Glaubens genauer zu formulieren. So wurde das Alte neu, aber „nichts Neues“ gesagt. Noch wichtiger war es aber, daß die Seelsorger den Gläubigen helfen sollen, ihren je persönlichen Glauben intensiver zu praktizieren. Der Römische Katechismus ist kein dogmatisches Lehrbuch, sondern eine Unterweisung zunächst für die Seelsorger, dann für die Gläubigen. Sie soll das Gewissen und Gespür des Gläubigen ansprechen und formen.
Dank gebührt dem Renovamen-Verlag, daß er Gläubigen und Suchenden dieses großartige Werk an die Hand gibt. Die Fastenzeit ist eine hervorragende Möglichkeit für jeden einzelnen, tiefer in das Glaubensgut einzudringen und es mit Verstand und Herz zu erfassen und umzusetzen.
Römischer Katechismus, gemäß Beschluß des Konzils von Trient herausgegeben auf Befehl der Päpste Pius V. und Klemens XIII., Renovamen-Verlag, Bad Schmiedeberg 2023, 840 S.
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Pro Lifer, Katechist für erwachsene Taufbewerber, hätte sich in Pfarre und Schule eine sinnvolle Katechese gewünscht, findet den KKK und das Kompendium des KKK rebus sic stantibus post concilium – bei einigen verbesserungswürdigen Stellen – überraschend gut, zumal Aussagen des II. Vaticanums in einen richtigen Rahmen gestellt werden.
1 Zum Unterschied von Masoretischem Text einerseits und Vulgata und Septuaginta andererseits haben wir uns bereits ausführlich geäußert.
Schon bestellt. Danke!
Mir ist ein Fehler unterlaufen, auf den mich der Verleger hingewiesen hat:
Die Übersetzung beruht nicht auf jener von 1856. Es handelt sich um Übersetzungen aus neuerer Zeit, nämlich aus dem 20. Jahrhundert.