Vom 6. bis 10. Februar fand im Vatikan eine internationale Tagung über die „ständige Priesterausbildung“ statt. Die Eröffnungsansprache hielt Kardinal Lazarus You Heung-sik, der Präfekt des Klerusdikasteriums. Die Tagung wurde gemeinsam von drei Dikasterien organisiert, dem Klerusdikasterium in Zusammenarbeit mit dem Dikasterium für die Ostkirchen und dem Dikasterium für die Evangelisierung. Am 8. Februar empfing Papst Franziskus die Tagungsteilnehmer. Seine Ansprache stellte er unter das Motto: „Die Schönheit, heute Jünger zu sein. Eine einzige, ganzheitliche, gemeinschaftliche und missionarische Ausbildung“. Diese Stichwörter finden sich auch in der Ansprache von Kardinal You Heung-sik und in seinem Interview, das am 8. Februar vom Avvenire, der Tageszeitung der italienischen Bischöfe, veröffentlicht wurde. Hier die vollständige Wiedergabe des Interviews, um das derzeitige römische Denken zum Priestertum zu erfassen. Ein eigentümliches Stichwort dabei ist das der „Vergemeinschaftung“ des Priesters und die Rede von einem stattfindenden „Epochenwechsel“, der allerdings nicht näher ausgeführt wird. Hier das Interview:
Frage: Welche Priester braucht eine Kirche, die dazu berufen ist, sich einem epochalen Wandel zu stellen, wie wir ihn gerade erleben: große Theologen oder große Experten für Menschlichkeit?
Kardinal You Heung-sik: Große Theologen werden sicherlich gebraucht, und es ist wichtig, daß Priester Experten für die Menschheit sind. Aber nicht jeder wird ein großer Theologe sein können, und Experten für Menschlichkeit werden es erst mit der Zeit und ‚im Feld des Lebens‘. Entscheidend ist meines Erachtens, daß die Priester in erster Linie Männer des Evangeliums sind, die bereit sind, sich von der befreienden Botschaft Jesu immer wieder neu herausfordern zu lassen. Wenn sie das tun, entwickelt sich in ihnen eine Weisheit, die über die Wissenschaft hinausgeht, und sie werden in einer tieferen Weise Experten für die Menschen sein, weil sie die Menschen mit den Augen Jesu sehen und ihnen seine Liebe vermitteln. Das scheint mir das Wichtigste für einen Priester zu sein: ein Experte in der Kunst zu werden, sich in andere einzufühlen, ihre Sorgen und Freuden zu teilen, mit einem Wort: in der Kunst des Liebens. Ich sehe täglich, wie viel Freude ein Priester in den Menschen wecken kann. Ich sehe täglich, wie viel Freude ein Priester auf diese Weise erzeugen kann.
Frage: Was ist das schwierigste Hindernis auf dem Weg zu einer wirklich effektiven Ausbildung: die Illusion, schon alles zu wissen, oder die Angst, daß die Kluft zwischen dem kirchlichen Wissen und der aktuellen Mentalität zu groß ist, um sie zu überbrücken?
Kardinal You Heung-sik: Wer glaubt, schon alles zu wissen, wächst nicht mehr. Er glaubt, den Gipfel erreicht zu haben, aber in Wirklichkeit ist er innerlich schon abgeschaltet. Er bewegt sich nicht mehr, er läßt sich nicht mehr herausfordern, er wagt nicht, er riskiert nicht, er lebt nicht. Für mich ist die Kluft zwischen kirchlichem Wissen und heutiger Mentalität aber nicht theoretisch zu überbrücken. Wir müssen es sein, die sie überbrücken, mit unserem Leben. Ich sehe, daß es vor dem Sprechen vor allem wichtig ist, zuzuhören, zu begreifen und mitzuteilen, was der andere erlebt, auch wenn es vielleicht ganz anders ist als wir, um zu versuchen, es zu verstehen. Mir gefällt diese Passage aus dem einfachen Gebet, das dem heiligen Franziskus zugeschrieben wird: ‚Oh, Meister, laß mich nicht so sehr danach trachten, verstanden zu werden, als vielmehr zu verstehen; geliebt zu werden, als vielmehr zu lieben‘. Ich habe in meinem Land oft erlebt – und jetzt erlebe ich es hier –, daß man, wenn man so lebt, Wege öffnet, zum Beispiel zur buddhistischen Welt, oder zu den Gleichgültigen.
Frage: Ein Schwerpunkt der Tagung ist den Wegen zum Leben der Affektivität als Ressource gewidmet. Aber welche Art von Affektivität kann ein Priester heute in der lateinischen Kirche konkret leben?
Kardinal You Heung-sik: Der Zölibat sollte keine Pflicht sein, sondern eine freie Entscheidung. In der westlichen lateinischen Kirche wird seit vielen Jahrhunderten geglaubt, daß diese Entscheidung den Prozeß der Gleichgestaltung mit Christus und die Ausübung des priesterlichen Dienstes im Zeichen der Ganzhingabe fördert. Wenn eine Person das Gefühl hat, daß sie diese Wahl nicht reifen läßt und diese Disziplin nicht akzeptieren kann, dann ist es besser für sie, einen anderen Lebensstand zu wählen. Das scheint mir wichtig zu sein. Es bedeutet nicht, die Zuneigung zu unterdrücken, sondern sie auszudehnen, den Drang zu verspüren, über die so schöne Aussicht, eine Frau und Kinder zu haben, hinauszugehen, um wie Jesus zu leben, für die universelle Brüderlichkeit. Für mich ist das eine faszinierende Erfahrung, bei der man jeden Tag die Freude der Brüderlichkeit und auch die wahre Fruchtbarkeit und Vaterschaft erlebt. Natürlich ist ein solches Leben auch immer wieder eine neue Eroberung. Es gibt auch Zeiten, in denen es nicht einfach ist, aber es ist es wert.
Frage: Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Erziehung zur Affektivität und der Mißbrauchsprävention, einem der Themen, die Sie auf der Konferenz behandeln werden?
Kardinal You Heung-sik: Eine Affektivität, die unterdrückt und verschlossen gelebt wird, die nicht transparent geteilt wird, läuft Gefahr, in die Irre zu gehen. Für mich ist die beste Vorbeugung ein echtes Leben der Brüderlichkeit, unter den Priestern und mit allen. Für mich war es immer ein Geschenk, mit anderen Priestern zusammenzuleben, Brüder zu haben, mit denen ich Freud und Leid und auch die unvermeidlichen Prüfungen teilen kann. Nicht nur auf spiritueller Ebene, sondern auch in den Momenten der Entspannung, der Erholung, des gemeinsamen Urlaubs. Aber auch die Mißbrauchsprävention erfordert Aufmerksamkeit und konkrete Maßnahmen, die uns immer bewußter werden. Die Kirche ist immer in Bewegung, und ich denke, die bisher unternommenen Schritte sind wichtige Schritte.
Frage: Was ist mit dem Begriff ‚Vergemeinschaftung‘ gemeint? Warum ist sie für Priester heute so wichtig?
Kardinal You Heung-sik: Das scheint mir klar zu sein, auch wenn in der Vergangenheit der Schwerpunkt bei der Ausbildung oft auf der individuellen Dimension lag, die ja nie zu kurz kommen darf. Es ist nicht zu leugnen, daß unter den heutigen Bedingungen ein starker Individualismus in der Gesellschaft um sich greift, der zur Einsamkeit führt; ein Phänomen, das auch Priester betrifft und ihnen sehr schaden kann. Der Mensch ist ein soziales Wesen, er ist nach dem Bild eines Gottes geschaffen, der Gemeinschaft ist, das Wesen der Kirche ist Gemeinschaft. All dies muß sich in der priesterlichen Ausbildung widerspiegeln: Sie ist kein optionales oder sekundäres Zubehör. Wie kann der Priester sonst ein Experte für die Menschen sein und wie kann er ein Diener im Dienst einer Gemeinschaft sein?
Frage: Welche Veränderungen bringt die von Papst Franziskus geforderte synodale Kirche für die Weiterbildung der Priester mit sich?
Kardinal You Heung-sik: Wir müssen uns auf das konzentrieren, was ich gerade gesagt habe. Wir müssen in dieser Hinsicht Fortschritte machen. Das Zweite Vatikanische Konzil sprach von Priestern fast ausschließlich im Plural, während wir heute zu oft vom Priester im Singular sprechen. Wir müssen den Priester ‚vergemeinschaften‘, und zwar nicht nur den Priester, sondern alle Getauften. Wir müssen lernen, gemeinsam zu gehen: gemeinsam zu leiden, uns gemeinsam zu freuen, gemeinsam zu entscheiden, gemeinsam zu handeln. Für die Priester bedeutet dies, mehr im Volk zu leben und auch unter sich selbst mehr Brüderlichkeit zu schaffen. Daraus erwächst eine große Frucht: Jesus hat den Seinen versprochen, in ihrer Mitte zu sein, wenn sie in seinem Namen vereint sind.
Frage: Heute entscheiden sich zu viele Priester, den Dienst zu verlassen. Glauben Sie, daß es unter den Gründen für diese Entscheidungen neben persönlichen Schwächen, die immer schwer zu ergründen sind, auch Gründe gibt, die durch Ausbildungsmängel bedingt sind?
Kardinal You Heung-sik: Das ist ein schmerzhaftes und leider zunehmendes Phänomen. Die Gründe sind vielfältig und hängen auch mit der Zeit zusammen, in der wir leben. Einige sind in diesem Interview bereits angesprochen worden. Für mich geht es darum, daß der Priester zuallererst ein lebendiger Christ sein muß, ein Jünger Jesu, wie die Ratio fundamentalis, das 2016 herausgegebene Grundlagendokument für die Priesterausbildung, betont. Lange bevor man mit den Anforderungen des pastoralen Dienstes konfrontiert wird, muß man mit den Anforderungen des Evangeliums konfrontiert werden und lernen, darauf zu antworten. Dies muss in der ganzheitlichen Ausbildung entscheidend betont werden.
Frage: Welches sind im Hinblick auf die missionarische Ausbildung die neuen pastoralen Wege, zu denen die Priester heute berufen sind?
Kardinal You Heung-sik: Es gibt so viele Herausforderungen, die mit dem Epochenwandel zusammenhängen, von dem wir bereits gesprochen haben. Es genügt, an das Thema der digitalen Revolution zu denken, das in den Überlegungen der jüngsten Synodenversammlung eine gewisse Rolle spielte, oder an die Fragen im Zusammenhang mit einer anderen Vision von „Familie“, die in der heutigen Kultur weit verbreitet ist. Für mich liegt der Kern des Ganzen darin, daß wir von einer Pastoral der „Erhaltung des Bestehenden“ zu einer Pastoral übergehen müssen, die generativ ist, und das ist nicht nur eine Frage der Mittel und Methoden, die wir anwenden, sondern erfordert, daß wir unseren Blick auf den gekreuzigten und auferstandenen Jesus richten.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Avvenire (Screenshot)
Der Club der alten Herren ist jetzt langsam zu Hochform aufgelaufen. Ich frage mich, wann Jesus Christus zur Frau gemacht wird. Ich schäme mich zutiefst für die Würdenträger der Kirche, die geschworen haben, die Kirche zu verteidigen. Pfui sage ich, Pfui.
Im Grunde sind das alles nur Phrasen und Schlagworte, angefangen beim unverzichtbaren “ synodal“ Geschwurbel. Inhalte sehe ich in diesem Interview nicht, aber die Plattitüden eines völlig von seinem Amt überforderten Präfekten, der einfach nachplappert, was ihm die ihrerseits theologisch und kirchengeschichtlich dürftigen Vorgaben des Papstes nahelegen. Verlorene Zeit, sich damit zu befassen. Kein Priester wird dadurch gewonnen, keiner unterstützt. Alles synodale Augenwischerei.
Der Herr Kardinal entstammt einer Gesellschaft des sogenannten Massenmenschen, wo Individualität kritisch gesehen oder ganz abgelehnt wird. Dass er in der Vergemeinschaftung von Priestern untereinander eine Lösung für Probleme des Klerus sucht, ist bei ihm nachvollziehbar. Die Frage ist, ob dieses Konzept auch der Lehre des Jesus von Nazareth entspricht.
Dazu möchte ich ein wenig ausholen und in der uns nächsten, realen Lebenswelt beginnen. Es gab eine Zeit, in der Kinder gefragt wurden, „was sie einmal werden wollen, wenn sie groß sind“. Kleine Buben äußerten oft konkrete Berufswünsche, die mit „Geschwindigkeit“ oder „Feuer“ zu tun haben, also etwa Lokführer, Rennfahrer oder Feuerwehrmann. Kleine Mädchen waren dem Lebendigen näher und wollten oft Lehrerin, Kindergärtnerin oder Krankenschwester werden. Frägt man heute nach, sind die Zukunftsvorstellungen sehr vage, „werden“ möchten viele junge Leute eigentlich nichts mehr, allenfalls noch etwas „machen“, z.B. „was mit Medien“ oder was mit „Aktivismus“ oder sie wollen „ Geld machen“.
Jesus Christus hat seinen Jüngern dagegen eine andere Frage gestellt. Er hat gefragt, „wer willst du sein, wem willst du dienen?“. Also konkret als Beispiel ein anderer Stand als der des Priesters: willst du der Ehemann deiner dir bestimmten Ehefrau sein und der Vater ganz bestimmter Kinder, die Gott dir zugedacht hat? So wirst du eine Familie und ein Heim haben.
Es geht nicht verdreht in dem Sinne, also wenn ich erst eine Frau habe und Nachwuchs habe und ein Haus habe und einen Job habe und ein Pferd und ein Boot und drei Autos habe, dann werde ich jemand sein. Dazu sagt Jesus, dieser Weg ist falsch, du irrst dich, denn du wirst nie ans Ende des Habenwollens kommen und was ist dann mit dir? Ein Mann kann etliche Sprößlinge haben, ein Vater ist er deshalb noch lange nicht.
Jesus lehrt: Frage dich zuerst, was deine dir zugeignete Bestimmung ist, alles notwendige und noch viel mehr, wird dir dann dazu gegeben werden. Mt 6, 25–34
So forsche ein jeder in sich selbst, wo er den Sinn seines Lebens suche, in den äußeren Umständen oder in der Bejahung seiner Bestimmung, mit seinem „Fiat“.
Nun könnte man fragen, was ist mit denen, die sich in ihren Entscheidungen vertan haben? Die sich selbst auf den Leim gegangen sind? Schwierig, auch die Empfehlungen des Saulus Paulus in 1 Kor 7 ff sind nicht alle hilfreich und trostspendend, so bleibt in Demut die Hoffnung auf die Güte und Gnade des lebendigen Gottes und das Gestalten des persönlichen Lebensalltags in kluger, gerechter, maßvoller und tapferer Weise.