Von einer Katholikin
„Wie kann man behaupten, die Landwirtschaft zu retten, ohne Dutzende von Abkommen oder Freihandelsverträgen in Frage zu stellen, die von Brüssel ausgehandelt und ratifiziert wurden, Verträge im neoliberalen und globalistischen Geist, die die französische und europäische Landwirtschaft der Konkurrenz von Produkten aussetzen, die man aus verschiedenen Ländern importiert, in denen die Einhaltung von Umwelt- und Hygienestandards, denen unsere Landwirte unterworfen sind, nicht gefordert wird?“
Das schreibt Bischof Marc Aillet, einer der glaubwürdigsten Bischöfe Frankreichs, der erst kürzlich klar gegen die durch Fiducia supplicans ermöglichten Paarsegnungen Stellung genommen hat.
In seinem Communiqué „Pas de pays sans paysans!“ („Kein Land ohne Landwirte“) vom 1. Februar geht er auf die dramatische Lage im Agrarsektor ein, die die Bauern seit Januar zu Protesten und Blockaden auf die Straßen treibt, und er kritisiert die Regierung, die mit Sofortmaßnahmen und Notpaketen das eigentliche Problem nicht lösen wird.
Der Bischof kennt die Verzweiflung vieler Landwirte, die angesichts eines unlauteren Wettbewerbs und massiver nationaler und v. a. europäischer Reglementierungen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Was viele nicht wüßten: Die offiziellen Statistiken verzeichnen alle zwei Tage einen Selbstmord unter Landwirten.
Bischof Aillet benennt klar die Misere;
„Das Überleben unserer Landwirtschaft und unserer Souveränität in der Lebensmittelversorgung sind nicht von vornherein kompatibel mit dem ‚Green Deal‘ und dem sog. Programm ‚Farm to Fork‘, die unter dem Deckmantel des Umweltschutzes und der Reduzierung der Treibhausgase auf europäischer Ebene eine Schrumpfung der Landwirtschaft und der Tierhaltung vorsehen (Flächenstillegung, Reduzierung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und der Produktion um 10 bis 20 Prozent etc.).“
Das im Mai 2020 von der EU-Kommission aufgelegte Programm für eine Farm-to-Fork-Strategie (Vom Hof auf den Tisch) entstand im Rahmen des europäischen Green Deals.
Dieser wurde im Dezember 2019 ins Leben gerufen. Damit will die EU ihr politisches Ziel angehen, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und sich als „Vorreiter im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel“ zu positionieren.
Es ist offensichtlich, daß der „grüne Wandel“ hin zu einer „gerechten und prosperierenden Gesellschaft mit einer modernen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft“ einer Ideologie als Vehikel dient, die die Gesellschaft massiv verändern will.
Schon im vergangenen Jahr hatte der Deutsche Bauernverband das Programm als „zentralistischen und auflagenorientierten Ansatz, der wirtschaftliche Fragen wie die Wettbewerbsfähigkeit der Agrarbranche weitgehend außer acht läßt“, kritisiert und von einem „Ansatz ohne die Landwirte“ gesprochen und gefordert, in der Agrar- und Lebensmittelpolitik wirtschaftlich sinnvolle Wege zu mehr Nachhaltigkeit zu gehen. Sonst stehe die Ernährungssicherheit der EU auf dem Spiel.
Bischof Aillet kommt zum gleichen Schluß. Es brauche eine neue Agrarpolitik, die die vitalen Interessen eines Landes berücksichtige und die es den Landwirten ermögliche, von den Früchten ihrer Arbeit in Würde leben zu können, ohne von Hilfen und Subventionen abzuhängen.
Der Bischof verweist auf mehrere seiner Kollegen im Bischofsamt, die die Mobilisierung der Bauern ebenfalls unterstützen. Der Bischof von Tarbes und Lourdes forderte zu Gebet und Unterstützung auf, mehrere bretonische Hirten betonten in einer gemeinsamen Erklärung ihre Solidarität mit Bauern, Viehzüchtern und Fischern, die um ihre Zukunft kämpfen, desgleichen die Bischöfe der Diözesen des Languedoc.
Doch es geht um mehr als die materielle Existenzsicherung der Bauern. Daß die Krise der Landwirtschaft in Wirklichkeit auch eine Krise der Zivilisation ist, die von ihren Wurzeln abgeschnitten wird, steht für Bischof Aillet außer Frage. Er macht unmißverständlich klar, daß mit der Gefährdung des Bauernstandes auch die Identität Frankreichs geschwächt wird.
Das bäuerliche Leben und seine Traditionen haben das Land geprägt. La France profonde, das tiefe, ländliche, traditionelle Frankreich, macht nach wie vor große Teile des Landes aus und sorgt mit seinen Erträgen für Ernährungssicherheit. Die Franzosen unterstützen mehrheitlich die Proteste der Bauern, die als Berufsgruppe Ansehen im Land genießen.
Aber nicht nur in Frankreich, sondern vielerorts in Europa zeigen die Bauern ihren Unmut – mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber auch ähnlichen Problemen. Die europäischen Normen und Umweltauflagen u. a. zum Schutz der Biodiversität und Förderung der biologischen Landwirtschaft überlasten die Landwirte, dazu kommen hohe Steuern, zu viel Bürokratie, höhere Produktionskosten sowie Inflation und Mißernten. Vom sog. Green Deal für die ökologische Wende in der EU sehen sich die Bauern überfahren und haben sich aufgemacht, sich gegen die zentralistische Verbots-und Auflagenpolitik der EU zu wehren.
Bild: Youtube/Memoria (Screenshot)