(Rom) In seiner ersten Ansprache im neuen Jahr 2024 ließ Papst Franziskus mit einem versteckten Hinweis aufhorchen. Man könnte auch von einer Provokation sprechen. Am Ende seiner Predigt zum Hochfest der Gottesmutter Maria, am 1. Januar, verwies Franziskus auf Martin Luther.
Doch zunächst generell zu seiner Predigt: In Rom gibt es beharrliche Gerüchte, daß Santa Marta seit einiger Zeit an einem Fiducia-supplicans-ähnlichen Dokument arbeitet. Mit der genannten Erklärung des Glaubensdikasteriums wurde die Homo-Segnung eingeführt und durch die ausdrückliche Zustimmung von Franziskus faktisch die Abschaffung der himmelschreienden Homo-Sünde und die Anerkennung der Homosexualität besiegelt – zumindest wenn es nach Santa Marta geht. Das ist die Absicht von Fiducia supplicans. Anderslautende „Interpretationen“, wie sie Glaubenspräfekt Victor Manuel Fernández abgab, sind bloße Nebelkerzen. Sie dienen der Verschleierung der bergoglianischen Intentionen. Das in Vorbereitung befindliche neue Dokument, soll als nächsten Schritt ein Frauendiakonat in der Kirche einzuführen. Auch in diesem Fall liegen die Nebelkerzen bereit: Es werde sich nicht um ein richtiges Diakonat handeln, sondern „nur“ um die Einführung von „dienstorientierten“ Diakoninnen. Es werde also etwas sein, das zwar Diakonin heißt, dabei in Wirklichkeit mehr eine Diakonisse sein werde. Sie werde äußerlich den Diakonen völlig gleich, aber diesen gegenüber eigentlich von „niedrigerem“ Rang sein. Kurzum, auch hier soll den Worten (der Theorie) nach verschleiert werden, was in der Praxis ganz anders sein wird und auch anders gewollt ist.
Die erste Predigt von Franziskus im neuen Jahr 2024 liefert, wenn man sie genau liest, ausreichend Munition für den bergoglianischen „Paradigmenwechsel“.
Nun aber zu Martin Luther, auf den Franziskus gestern verwies, ohne ihn in der Predigt namentlich zu nennen. Wörtlich sagte der Papst:
„Denn, wie einmal geschrieben wurde, war es nicht die Fülle der Zeit, die die Sendung des Sohnes Gottes bewirkt hat, sondern im Gegenteil: Es war die Sendung des Sohnes, die die Fülle der Zeit heraufgeführt hat.“
In der schriftlichen Fassung, wie sie auch auf der offiziellen Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlicht wurde, findet sich der Zusatz:
„(vgl. M. Luther, Vorlesung über den Galaterbrief 1516–1517, 18).“
Da drängt sich die Frage auf, ob es für einen solchen Hinweis nicht ausreichend katholische Theologen und Kirchenmänner gäbe, auf die verwiesen werden könnte. Der Verweis ist ja denkbar harmlos. Warum also gerade auf Luther, einen Erzhäresiarchen? Die Sache ist gefinkelt, denn die zitierte Vorlesung hielt Luther noch vor dem sogenannten, wenn auch nie erfolgten Thesenanschlag an der Wittenberger Schloßkirche. Santa Marta kann darauf verweisen, den vorhäretischen Luther zitiert zu haben. Kommt hier besondere Schläue zum Einsatz? Ist es eine reine Höflichkeitsgeste? Als dahinterstehende Absicht darf jedoch immer die ersterzielte, unmittelbare Wirkung angenommen werden, die in diesem Fall offensichtlich ist: „Der Papst zitiert Martin Luther“. Eine solche „Vereinnahmung“ gab es bereits 2017/18 zu den 500-Jahrfeiern der protestantischen „Reformation“. Sie zeitigte keinerlei Erfolg, was die Rückkehr der Lutheraner in die Einheit der Kirche betrifft, stiftete aber einige Verwirrung unter den Katholiken, die im derzeitigen Pontifikat mit der faktischen Anerkennung häretischer Abspaltungen und sogar anderer Religionen als irgendwie gleichrangig und gleichwertig konfrontiert sind. Oder wie sagte es Franziskus im April 2016 beim „Earth Day“ der Fokolarbewegung in Rom, „mehr globalistisch als katholisch“ (Chiesa e postconcilio): Die Religionszugehörigkeit „ist nicht wichtig“. Wichtig sei, so Franziskus damals zu den jungen Leuten in den Gärten der Villa Borghese, daß alle Menschen sich respektieren und das Klima retten. Damals hieß die Parole noch „Mutter Erde retten“, das Schlagwort „Klima-Rettung“ kam erst mit der PR-Figur Greta Thunberg und der milliardärsfinanzierten Extinction Rebellion ab 2018 zum Einsatz, meinte aber dasselbe. Wenn nun die Katholiken dadurch irritiert sind, so können Nicht-Katholiken darin, was vielleicht schwerwiegender ist, keine Einladung und keinen Ansporn erkennen, sich ernsthaft mit dem katholischen Glauben auseinanderzusetzen und die Bekehrung zur katholischen Kirche anzustreben.
Nur am Rande sei vermerkt, daß von den im Petersdom anwesenden Sternsingern „politisch korrekt“ keiner als Mohr zu erkennen war, obwohl kein Katholik weltweit, welcher Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit auch immer, daran Anstoß nehmen würde. Es ist nur eines von mehreren Beispielen, wie sich das Diktat der kulturmarxistischen Cancel Culture durchsetzt – weil die kirchliche Obrigkeit ihr ohne Sinn und Nutzen nachgeben will.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)