Warum wir zum Patriarchat zurückkehren sollen

Die schlechten Früchte der falschen Ideologien


Der feministische Kampf gegen das "Patriarchat" führte zur Auflösung der Vaterfigur und der Familie
Der feministische Kampf gegen das "Patriarchat" führte zur Auflösung der Vaterfigur und der Familie

Ein Mord­fall läßt die Wogen in Ita­li­en hoch­ge­hen. Bestimm­te Kräf­te ver­su­chen den tra­gi­schen Fall für ihre poli­ti­schen Zie­le aus­zu­nüt­zen. Da die­sel­ben Mecha­nis­men auch im deut­schen Sprach­raum ange­wandt wer­den, doku­men­tie­ren wir die­sen Fall, der nur auf den ersten Blick ein ita­lie­ni­sches Pro­blem zu sein scheint, in Wirk­lich­keit einen weit­rei­chen­den Kul­tur­kampf betrifft.

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Von Rober­to de Mattei*

Nach der Ermor­dung der jun­gen Frau Giu­lia Cec­chet­tin am 11. Novem­ber stell­te Ita­li­en fest, daß es vom „Patri­ar­chat“ bedroht sei. Der Titel eines Dos­siers in der Tages­zei­tung La Repubbli­ca vom 24. Novem­ber ist viel­sa­gend: „Femi­zi­de: Stop­pen wir das Gemet­zel“. Die The­se, die von Medi­en, sozia­len Medi­en und allen mög­li­chen Influen­cern ver­brei­tet wur­de, lau­tet, daß es ein regel­rech­tes Femi­zid-Gemet­zel gibt und die Ver­ant­wor­tung dafür der immer noch vor­herr­schen­den Kul­tur des „Patri­ar­chats“ zuge­schrie­ben wer­den muß. Das Patri­ar­chat muß bekämpft wer­den, um die Gewalt gegen Frau­en zu beenden.

Das Patri­ar­chat war ein sozia­les System, das die Auto­ri­tät des Man­nes und die Rol­len­ver­tei­lung inner­halb der Fami­lie sank­tio­nier­te. Mit Aus­nah­me der heu­ti­gen Zeit wur­de die väter­li­che Auto­ri­tät immer als eines der unver­än­der­li­chen Ele­men­te der sozia­len Ord­nung ange­se­hen, das für alle Völ­ker und zu allen Zei­ten not­wen­dig war. Seit Jahr­hun­der­ten übt der Vater in der Fami­lie die Rol­le aus, die der Sou­ve­rän in der poli­ti­schen Gesell­schaft inne­hat (das Wort Vater­land selbst lei­tet sich von Vater ab) und die der Papst, der „Hei­li­ge Vater“, in der Kir­che aus­übt. Vor fünf­zig Jah­ren war dies noch das ita­lie­ni­sche Fami­li­en­mo­dell: Der Vater muß­te die Fami­lie lei­ten und für ihren finan­zi­el­len Unter­halt sor­gen, die Mut­ter küm­mer­te sich um den Haus­halt und die Erzie­hung der zahl­rei­chen Kin­der. Zur Fami­li­en­ein­heit gehör­ten oft auch die Groß­el­tern, die eine Tra­di­ti­on bewahr­ten, die von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter­ge­ge­ben wurde.

Die­ses sozia­le System wur­de durch die Kul­tur­re­vo­lu­ti­on von 1968 und durch die dar­auf fol­gen­den Geset­ze zer­stört: Geset­ze wie die Schei­dung, die Abtrei­bung und in Ita­li­en vor allem das Gesetz über das neue Fami­li­en­recht vom 22. April 1975, das die väter­li­che Auto­ri­tät ent­haup­te­te, die recht­li­che Vor­rang­stel­lung des Vaters abschaff­te und zum Ver­schwin­den von Auto­ri­tät und Iden­ti­tät in den ita­lie­ni­schen Fami­li­en beitrug.

Unter den Ideo­lo­gen der 68er Jah­re sind auch die Theo­re­ti­ker der „Anti­psych­ia­trie“ zu nen­nen wie David Coo­per, Autor eines vom Ver­lag Ein­au­di mehr­fach auf­ge­leg­ten Buches mit dem bezeich­nen­den Titel „Der Tod der Fami­lie“. Dies war die Über­zeu­gung, die sich Ende der 1960er Jah­re zu ver­brei­ten begann: das bevor­ste­hen­de und unver­meid­li­che Aus­ster­ben der Insti­tu­ti­on Fami­lie. In die­sem Essay schlug Coo­per vor, die väter­li­che Rol­le durch die brü­der­li­che zu erset­zen, und hoff­te so auf eine para­do­xe Gesell­schaft von Brü­dern ohne Vater, oder bes­ser gesagt von Brü­dern, weil sie Vater­mör­der sind: wie es 1793 mit der Ermor­dung des fran­zö­si­schen Königs gesche­hen war und wie es Nietz­sche hoff­te, indem er die Ermor­dung von Gott­va­ter prophezeite.

Der Demo­kra­ti­sie­rungs­pro­zeß der Kir­che, der Gesell­schaft und der Fami­lie ist ein und der­sel­be. Die Zer­stö­rung der Fami­lie muß­te sich vor allem auf die „Befrei­ung“ der Frau stüt­zen. Der Femi­nis­mus behaup­te­te, die Unter­schei­dung zwi­schen männ­li­chen und weib­li­chen Rol­len auf­zu­he­ben und die natür­li­che Beru­fung zur Mut­ter­schaft und zum Frau­sein zu zer­stö­ren. Das „Recht“ auf Abtrei­bung und Emp­fäng­nis­ver­hü­tung wur­de als Recht der Frau auf Selbst­be­stim­mung über ihren eige­nen Kör­per und ihre Sexua­li­tät pro­pa­giert, um sich von der männ­li­chen Auto­ri­tät und dem „Joch“ der Mut­ter­schaft zu befrei­en. Die Ver­männ­li­chung der Frau geht ein­her mit der Ent­wür­di­gung des Man­nes, die durch Mode, Wer­bung und Musik in vol­lem Umfang geför­dert wird. Die Gen­der-Theo­rie ist ein Aus­gangs­punkt, aber die Paro­len gegen die Kul­tur des Patri­ar­chats, die heu­te erklin­gen, haben ihren Ursprung in femi­ni­sti­schen Demon­stra­tio­nen wie der vom 6. Dezem­ber 1975 in Rom, an der etwa zwan­zig­tau­send Frau­en teil­nah­men, die Paro­len wie die­se skan­dier­ten: „Kei­ne Ehe­frau­en, Müt­ter, Töch­ter mehr! Zer­stö­ren wir die Familien!“.

Und die Fami­lie wur­de zer­stört. Die Auto­ri­tät des Vaters hat sich auf­ge­löst, die Geschlech­ter­rol­len wur­den unter­drückt und alle Fami­li­en­mit­glie­der, Vater, Mut­ter und Kin­der, lei­den unter einer tie­fen Iden­ti­täts­kri­se. Die patri­ar­cha­li­sche Fami­lie gibt es in Ita­li­en nicht mehr, abge­se­hen von ein paar glück­li­chen Inseln. Und auf die­sen weni­gen Inseln, die wir nicht patri­ar­cha­lisch, son­dern natür­lich nen­nen soll­ten, respek­tiert die Frau ihren Mann und die Kin­der respek­tie­ren ihre Eltern, und die Frau wird nicht getö­tet, son­dern geliebt und geach­tet. Der Mör­der von Giu­lia Cec­chet­tin ist kein Kind der patri­ar­cha­li­schen Kul­tur, son­dern der rela­ti­vi­sti­schen und femi­ni­sti­schen Kul­tur der 68er, die heu­te die gesam­te Gesell­schaft durch­dringt und für die jeder gleich­zei­tig ver­ant­wort­lich und Opfer ist.

Aber die Kri­se der Fami­lie geht über das Ende der patri­ar­cha­li­schen Fami­lie hin­aus. Ita­li­en ist auf dem Weg zu einer Sin­gle-Gesell­schaft, in der es kei­ne Fami­li­en mehr gibt. Laut dem jüng­sten Bericht des Sta­ti­stik­am­tes CENSIS über die sozia­le Lage des Lan­des wird im Jahr 2040 nur noch jedes vier­te Paar, d. h. 25,8 Pro­zent der Gesamt­be­völ­ke­rung, Kin­der haben, und der Anteil der Ein-Per­so­nen-Haus­hal­te wird 37 Pro­zent betra­gen. 34 Pro­zent der Ita­lie­ner wer­den alt und allein sein. Das liegt dar­an, daß heu­te nicht nur die Fami­lie in der Kri­se ist, son­dern auch die Exi­stenz der Paa­re selbst. Die Men­schen hei­ra­ten nicht nur immer sel­te­ner und brin­gen weni­ger Kin­der zur Welt, son­dern leben auch weni­ger zusam­men, weil sie sich vor der Vor­stel­lung scheu­en, irgend­ei­ne Ver­ant­wor­tung für einen Part­ner oder Lebens­ge­fähr­ten zu über­neh­men, vor dem man Angst hat, ihn zu lan­ge zu behalten.

Der soge­nann­te Femi­zid ist nicht das Ergeb­nis der alten patri­ar­cha­li­schen Kul­tur, son­dern der neu­en anti­pa­tri­ar­cha­li­schen Kul­tur, die die Ideen ver­wirrt, die Gefüh­le brü­chig macht und die Psy­che desta­bi­li­siert, indem sie sie der natür­li­chen Unter­stüt­zung beraubt, die die Fami­lie mit ihren väter­li­chen und müt­ter­li­chen Sicher­heits­punk­ten von Geburt an bot. Der Mann ist allein mit sei­nen Alb­träu­men, sei­nen Äng­sten, sei­nen Befürch­tun­gen, am Ran­de eines Abgrunds: dem Abgrund der Lee­re, in den man stürzt, wenn man dar­auf ver­zich­tet, zu sein, was man ist, wenn man sei­ne unver­än­der­li­che und dau­er­haf­te Natur als Mann, Frau, Vater, Mut­ter, Kind auf­gibt. Und wenn alle von Femi­zid spre­chen, spricht nie­mand über ein weit­aus ver­brei­te­te­res und dif­fu­se­res Ver­bre­chen: den Kin­der­mord, der jeden Tag in Ita­li­en, in Euro­pa und in der Welt von Vätern und Müt­tern began­gen wird, die ein Höchst­maß an Gewalt gegen ihr unschul­di­ges Kind aus­üben, bevor es das Licht der Welt erblickt. Eine Gesell­schaft, die ihre Kin­der tötet, ist zum Tode ver­ur­teilt, und der Atem des Todes, in jeder Form, nicht nur der des Frau­en­mor­des, ist immer stär­ker zu spü­ren. Das Leben, die Wie­der­her­stel­lung der Gesell­schaft, ist nur mög­lich, wenn wir das natür­li­che und gött­li­che Modell der Fami­lie wie­der­fin­den. Um dem Wahn­sinn Ein­halt zu gebie­ten, der unse­re Gesell­schaft zer­stört, müs­sen wir mit Got­tes Hil­fe zum patri­ar­cha­li­schen Fami­li­en­mo­dell zurück­keh­ren, das auf der Auto­ri­tät des Vaters, dem Ober­haupt der Fami­lie, und auf der Hei­lig­keit der Mut­ter, die ihr Herz­stück ist, beruht: bei­de ver­eint in der Auf­ga­be, Kin­der zu zeu­gen und zu erzie­hen, um sie zu Bür­gern des Him­mels zu machen. Die Alter­na­ti­ve ist die Höl­le, die bereits auf die­ser Erde beginnt.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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