
(London) Im Oktober 2022 haben sich die Bischöfe der Kirche von England darauf geeinigt, in einem ersten Schritt spezielle Gebete zur Segnung von Homo-Paaren zu empfehlen, die in den Gottesdiensten verwendet werden können.
Die Generalsynode der anglikanischen Kirche hat einen Plan zur versuchsweisen Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren gebilligt. Nach einer knappen Abstimmung innerhalb der Kirche von England können solche Segnungen von Homo-Partnerschaften in den kommenden Wochen beginnen.
Laut einer Umfrage der Times befürworten mehr als die Hälfte der anglikanischen Geistlichen diese Neuerung, die es ihnen erlaubt, Homo-Paare zu segnen. 53,4 Prozent der Befragten sprachen sich dafür, 36,5 Prozent dagegen aus. Der Rest äußerte keine Meinung.
Das Ergebnis fiel also knapp aus, doch geht man an der Kirchenspitze davon aus, daß sich die Mehrheitsverhältnisse im Laufe der Zeit zugunsten der Homosexualität verschieben würden. Man setzt also auf einen Gewöhnungseffekt. Der Hegelsche Primat der Tat über die Lehre ist beim anglikanischen Mainstream vorherrschend.
Und was hat die genannte Meldung mit der katholischen Kirche zu tun? Das Gesagte erinnert an die katholische Kirche in ihrer derzeitigen Verfassung. Der Weg, den die Anglikaner in den vergangenen 40 Jahren gegangen sind, sollte für den Papst und die Bischöfe abschreckend wirken. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Unter der Führung von Papst Franziskus wird die Kirche auf den anglikanischen Weg geführt. Was das bedeutet, läßt sich an der Frage der Frauenordination aufzeigen.
Zunächst ging es „nur“ um die Zulassung von Frauen zum Priestertum (die anglikanischen Weihen werden von der katholischen Kirche nicht anerkannt). Es gab starke Widerstände gegen die Zulassung von Frauen, als die Debatte in den frühen 80er Jahren begann. Die Abstimmungen in der Generalsynode scheiterten. Es wurde jedoch in zeitlichen Abständen so lange abgestimmt, bis sich in allen drei Wahlkurien eine Mehrheit fand. So wurden Frauen 1994 zur Ordination zugelassen. Kaum war diese geschehen, forderten sie natürlich auch den Zugang zum Bischofsamt. Das Spiel begann wieder von vorne und verlief exakt gleich. Es gab anfangs erhebliche Widerstände, doch wurde so lange abgestimmt, bis es schließlich 2014 auch dafür eine Mehrheit gab.
Genau dieses Szenario zeichnet sich für die katholische Kirche ab durch den Gewöhnungseffekt und die Synodalisierung. Am Ende werden neue Mehrheiten, die durch entsprechende Ernennungspolitik erst geschaffen werden, zum Ausdruck des Heiligen Geistes stilisiert.
Künftig dürfen in Englands anglikanischen Kirchen Homosexuelle Familie und Freunde zu einem besonderen Gottesdienst einladen, der nach derzeitigem Stand an Samstagen stattfinden könnte, um ihre „Ehen“ segnen und feiern zu lassen. Diese vorerst versuchsweise eingeführte Neuregelung geht auf einen Antrag des Bischofs von Oxford Steven Croft zurück. Er machte auf die unterschiedlichen Regelungen zur Homo-Segnung in den anglikanischen Bistümern aufmerksam und bezeichnete sie als potentielle Spaltung der Kirche. Aus dem Grunde sei es besser, eine einheitliche Homo-Segnung einzuführen.
Mit 227 gegen 203 Stimmen votierte die Generalsynode schließlich für die Segnung der Sünde. Man hat aus der aufgezeigten Vergangenheit gelernt. Kein Geistlicher, so Croft, werde gezwungen, Homo-Segnungen durchzuführen. Auch das erinnert an die Vorgehensweise von Papst Franziskus, der „irreversible“ Prozesse anstoßen, aber niemand zwingen wolle. Über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion könne jede Bischofskonferenz, ja, jeder Bischof allein entscheiden. Zumindest solange, bis ein katholischer Steven Croft dann irgendwann darin eine potentielle Spaltung der Kirche sieht und eine einheitliche Regelung vorschlägt.
In einer gemeinsamen Erklärung nichtssagender Worte erklärten Justin Welby, Erzbischof von Canterbury, und Stephen Cottrell, Erzbischof von York: „Wir haben in der ausführlichen Debatte, die sich über zwei Tage erstreckte, laut und deutlich gehört, wie tief die Gefühle in der Kirche zu diesen wichtigen Fragen sind. […] Obwohl der Antrag mit knapper Mehrheit angenommen wurde, unterschätzen wir die Tiefe der Gefühle nicht und werden über all das, was wir gehört haben, nachdenken, während wir versuchen, gemeinsam voranzukommen.“
Diese hohle Phraseologie hat auch in der katholischen Kirche Einzug gehalten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Churchofengland.org (Screenshot)