Die Verwirrungsstrategie des Vatikans

Viele Fronten gleichzeitig


Überflutet Santa Marta mit einer schnellen Abfolge unterschiedlicher Ereignisse die Welt, um eine ernsthafte Reaktion darauf zu erschweren?
Überflutet Santa Marta mit einer schnellen Abfolge unterschiedlicher Ereignisse die Welt, um eine ernsthafte Reaktion darauf zu erschweren?

Von Rober­to Cascioli*

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Die Syn­ode, Ant­wor­ten (oder ver­meint­li­che Ant­wor­ten) auf die Dubia, ein Apo­sto­li­sches Schrei­ben zum Kli­ma: so vie­le wich­ti­ge Ereig­nis­se auf einen Schlag, um eine Debat­te und tie­fer gehen­de Bewer­tun­gen zu ver­hin­dern. Und in der Zwi­schen­zeit bahnt sich ein offe­ner Kon­flikt um die Syn­ode an.

Die Ereig­nis­se der letz­ten Zeit in bezug auf die The­men, die auf der Syn­ode auf­tau­chen wer­den, die aber auch ganz all­ge­mein das Wesen der Kir­che und ihren Platz in der Welt betref­fen, legen eini­ge Über­le­gun­gen nahe. Zwei im besonderen.

1

Die erste: Die Ankunft des neu­ernann­ten Kar­di­nals Vic­tor Manu­el Fernán­dez an der Spit­ze des Dik­aste­ri­ums für die Glau­bens­leh­re hat ein­deu­tig eine neue Pha­se des Pon­ti­fi­kats von Fran­zis­kus eröff­net, näm­lich den Beginn eines offe­nen Krie­ges gegen jene, die es auch nur wagen, Zwei­fel oder Ver­wun­de­rung über die­se oder jene Bemer­kung des Pap­stes oder, schlim­mer noch, über die Rich­tung des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats zu äußern.

Fernán­dez hat nicht nur schon vor sei­nem offi­zi­el­len Amts­an­tritt als Prä­fekt viel gere­det und geplau­dert, son­dern nach sei­nem Amts­an­tritt auch sofort klar­ge­stellt, daß er nicht die Absicht hat, „Gefan­ge­ne zu machen“. In einem Inter­view mit dem Natio­nal Catho­lic Regi­ster vom 11. Sep­tem­ber brand­mark­te er jene Bischö­fe als „häre­tisch und schis­ma­tisch“, die den Anspruch erhe­ben, „über die Leh­re des Pap­stes zu urtei­len“, und erfand ein nie exi­stie­ren­des Cha­ris­ma, wonach nur der Papst „eine leben­di­ge und akti­ve Gabe“ habe, die es ihm erlau­be, das „sta­ti­sche“ Glau­bens­gut zu inter­pre­tie­ren. Mit ande­ren Wor­ten: Der Papst kann ent­schei­den, was er will, und nie­mand kann ihm wider­spre­chen, eine Art Mar­che­se del Grillo.

Und am 2. Okto­ber hat es sich der­sel­be Fernán­dez nicht neh­men las­sen, kurz nach­ein­an­der die Ant­wort des Pap­stes auf die ersten Dubia der fünf Kar­di­nä­le vom Juli (die er als aktu­el­le und end­gül­ti­ge Ant­wort aus­gibt) und die Ant­wor­ten an den eme­ri­tier­ten Erz­bi­schof von Prag, Kar­di­nal Domi­nik Duka, zur Fra­ge der Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne zu ver­öf­fent­li­chen, die nach der Ver­wir­rung auf­ge­tre­ten ist, die durch das nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia ent­stan­den ist.

Wenn das Ziel dar­in bestand, bestimm­te The­men abzu­schlie­ßen und mit den­je­ni­gen abzu­rech­nen, die sich dem Umsturz der Kir­che wider­set­zen, um dann in aller Ruhe und nach Plan mit der bereits für die Syn­ode vor­be­rei­te­ten Tages­ord­nung fort­zu­fah­ren, dann war das Kal­kül wahr­schein­lich falsch. Dies zeigt die ener­gi­sche Reak­ti­on von Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, der auf der von der Bus­so­la Quo­ti­dia­na orga­ni­sier­ten Kon­fe­renz am 3. Okto­ber in Rom auf die Äuße­run­gen von Fernán­dez reagier­te, indem er die Pflicht ein­for­der­te, „die immer­wäh­ren­de Leh­re und Dis­zi­plin der Kir­che“ zu ver­tei­di­gen, und die theo­lo­gi­schen Erfin­dun­gen von Fernán­dez demon­tier­te: „Man muß“, so Bur­ke, „über den Ernst der kirch­li­chen Lage nach­den­ken, wenn der Prä­fekt des Glau­bens­dik­aste­ri­ums jene der Häre­sie und des Schis­mas bezich­tigt, die den Hei­li­gen Vater bit­ten, das Petrus­amt aus­zu­üben, um das depo­si­tum fidei zu schüt­zen und zu fördern“.

Und Kar­di­nal Bur­ke spricht nicht nur in sei­ner per­sön­li­chen Eigen­schaft, son­dern auch für die ande­ren vier Kar­di­nä­le, die die Dubia mit ihm unter­zeich­net haben. Gera­de die Rom-Kon­fe­renz „Das syn­oda­le Babel“ hat gezeigt, daß es einen wich­ti­gen Teil der Kir­che gibt, der auf der glei­chen Wel­len­län­ge liegt und sich auf den „Wider­stand“ vor­be­rei­tet. Auch Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler und ande­re Bischö­fe haben sich öffent­lich für die Dubia aus­ge­spro­chen, und sicher­lich wer­den vie­le ande­re Geist­li­che folgen.

Was sich also abzeich­net, ist ein offe­ner Kampf, der auf Jah­re der Zer­mür­bung und der hin­ter­häl­ti­gen Tak­tik, die Kir­che zu ver­än­dern, folgt. Aber es ist gut zu ver­ste­hen, daß es sich nicht ein­fach um einen Macht­kampf zwi­schen Grup­pen han­delt. Es stimmt, daß die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der Katho­li­ken, oder bes­ser gesagt der Kir­chen­be­su­cher, dem Gesche­hen im wesent­li­chen gleich­gül­tig gegen­über­steht, aber auf dem Spiel steht das Wesen der Kir­che selbst, wie Kar­di­nal Bur­ke in sei­ner Anspra­che am 3. Okto­ber mei­ster­haft erklär­te: Es ist ein Zusam­men­prall zwi­schen denen, die mei­nen, eine „neue Kir­che“ schaf­fen zu müs­sen, indem sie das vage Kon­zept der Syn­oda­li­tät nut­zen, um die gött­li­che Offen­ba­rung „ela­stisch“ zu machen, und denen, die statt­des­sen das ver­tei­di­gen, was die Kir­che in den ver­gan­ge­nen zwei­tau­send Jah­ren immer ver­kün­det hat.

2

Ein zwei­tes Ele­ment betrifft die vom Papst und sei­nem Bera­ter­stab ver­folg­te Stra­te­gie. In nur drei Tagen hat der Hei­li­ge Stuhl Ereig­nis­se und Ent­schei­dun­gen gebün­delt, die für meh­re­re Mona­te aus­rei­chen könn­ten: die bereits erwähn­ten Ant­wor­ten auf die ersten Dubia der fünf Kar­di­nä­le und jene an Kar­di­nal Duka, dann die Eröff­nung der Syn­ode und gleich­zei­tig, noch gestern, die Ver­öf­fent­li­chung des Apo­sto­li­schen Schrei­bens Lau­da­te Deum, eine Ergän­zung der vor acht Jah­ren ver­öf­fent­lich­ten Enzy­kli­ka Lau­da­to si‘.

All dies sind wich­ti­ge Ereig­nis­se, die einer ein­ge­hen­den Unter­su­chung und Dis­kus­si­on bedür­fen, aber sie wer­den in rascher Fol­ge abge­feu­ert, nicht wegen man­geln­der Koor­di­nie­rung der ver­schie­de­nen Ämter oder orga­ni­sa­to­ri­scher Unord­nung, son­dern mit einem prä­zi­sen Ziel: meh­re­re Fron­ten auf ein­mal zu eröff­nen, um eine Debat­te zu ver­hin­dern. Es ist unmög­lich, ernst­haft über ein The­ma nach­zu­den­ken, alle sei­ne Impli­ka­tio­nen zu erfas­sen und sei­ne Bedeu­tung zu beur­tei­len, wenn man sich mit meh­re­ren Din­gen gleich­zei­tig befas­sen muß. Die­je­ni­gen, die sich auf die Syn­ode kon­zen­trie­ren, wer­den das Kli­ma-Schrei­ben über­se­hen. Wer sich auf das pein­li­che – und skan­da­lö­se – Schrei­ben Lau­da­te Deum und das grenz­de­bi­le Podi­um von „Testi­mo­ni­als“ kon­zen­triert, die es heu­te vor­stel­len wer­den, wird die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne und die Ver­su­che, eine „neue Kir­che“ durch­zu­set­zen, aus den Augen ver­lie­ren. In der Ver­wir­rung las­sen sich die mei­sten Neue­run­gen leich­ter durch­set­zen, und wenn man Auf­se­hen erregt, wird es für die­je­ni­gen, die sich dage­gen weh­ren wol­len, schwie­ri­ger, das Ziel zu erken­nen. Und in jedem Fall bleibt alles auf einer ober­fläch­li­chen Ebene.

Des­halb haben wir beschlos­sen, dem Schrei­ben Lau­da­te Deum heu­te kei­nen Arti­kel zu wid­men, wir las­sen uns durch die­se Stra­te­gie nicht ablen­ken. Wir fah­ren fort, uns ein­ge­hend mit den The­men der Dubia und der Syn­ode zu befas­sen; in den kom­men­den Tagen wer­den wir in aller Ruhe, aber mit durch­dach­ten Argu­men­ten, auch die Kno­ten im Zusam­men­hang mit der Kli­ma­er­wär­mung behan­deln. Die­je­ni­gen, die unser Medi­um ver­fol­gen, wis­sen übri­gens sehr gut, daß wir das The­ma Kli­ma­wan­del und die Umwelt­pro­ble­ma­tik häu­fig auf der Grund­la­ge ech­ter wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se behandeln.

*Chef­re­dak­teur der katho­li­schen Online-Zei­tung La Nuo­va Bus­so­la Quotidiana.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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