Laut Papst Franziskus ist die Glaubenslehre ohne Geschmack und Substanz?

Die Gläubigen sollen die Kirche als "Sünderin" anklagen


"Der Papst der Worte" von Marco Matteucci
"Der Papst der Worte" von Marco Matteucci

(Rom) Auf dem Rück­flug aus der Mon­go­lei nahm Papst Fran­zis­kus zu den Kri­ti­kern sei­nes Pon­ti­fi­kats Stel­lung, inbe­son­de­re zu dem von ihm ange­sto­ße­nen „syn­oda­len Pro­zeß“. Die Epi­so­de, die Fran­zis­kus dabei erzähl­te, und mehr noch, was er dar­aus fol­ger­te, las­sen sprach­los zurück. Die Fra­ge stell­te ihm der Jour­na­list der pro­gres­si­ven spa­ni­schen Zeit­schrift Vida Nue­va Anto­nio Pelayo.

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Anto­nio Pelayo (Vida Nue­va): Hei­li­ger Vater, Sie haben soeben über die Syn­ode gespro­chen, und wir alle stim­men mit Ihnen über­ein, daß die­se Syn­ode viel Neu­gier­de und viel Inter­es­se weckt. Aber lei­der weckt sie auch viel Kri­tik, die aus katho­li­schen Krei­sen kommt: Ich möch­te auf ein Buch mit einem Pro­log von Kar­di­nal Bur­ke ver­wei­sen, der sagt, die Syn­ode sei die ‚Büch­se der Pan­do­ra‘, aus der alles Unheil für die Kir­che her­aus­kom­men wird. Was hal­ten Sie von die­ser Posi­ti­on? Und glau­ben Sie, daß es sich um eine Posi­ti­on han­delt, die von der Rea­li­tät über­holt ist, oder wird sie die Syn­ode beeinflussen?

Papst Fran­zis­kus: Ich weiß nicht, ob ich es schon ande­re Male gesagt habe. Vor eini­gen Mona­ten rief ich eine Kar­me­li­tin an: „Wie geht es den Non­nen, Mut­ter Obe­rin?“, sag­te ich zu der Prio­rin, die mir ant­wor­te­te. Und schließ­lich sagt sie zu mir – eine nicht-ita­lie­ni­sche Kar­me­li­tin: „Eure Hei­lig­keit, wir haben Angst vor der Syn­ode“. „Aber was ist denn los? Wol­len Sie eine Non­ne zur Syn­ode schicken?“, sag­te ich scherz­haft. Sie sag­te: „Nein, wir haben Angst, daß sie unse­re Leh­re ändert“. Das ist es, was sie sag­te: Es gibt die­se Idee. Aber wenn man die­sen Ideen auf den Grund geht, wird man Ideo­lo­gien fin­den. Immer, wenn man in der Kir­che den Weg der Gemein­schaft angrei­fen will, ist es immer eine Ideo­lo­gie, die angreift. Und sie beschul­di­gen die Kir­che für die­ses oder jenes, aber sie beschul­di­gen sie nie für das, was wahr ist: daß sie sün­dig ist. Nie­mals sagen sie: „Sün­de­rin“. Sie ver­tei­di­gen eine „Dok­trin“, in Anfüh­rungs­zei­chen, die eine Leh­re wie destil­lier­tes Was­ser ist, die nach nichts schmeckt, und sie ist nicht die wah­re katho­li­sche Leh­re, die im Glau­bens­be­kennt­nis steht. Es ist so, daß die wah­re katho­li­sche Leh­re oft ein Ärger­nis ist, genau­so wie die Idee, daß Gott Fleisch gewor­den ist, daß Gott Mensch gewor­den ist, daß die Mut­ter­got­tes ihre Jung­fräu­lich­keit bewahrt hat… Das skan­da­li­siert. Die katho­li­sche Leh­re ist manch­mal skan­da­lös. Ideo­lo­gien sind alle­samt Destil­la­te, sie skan­da­li­sie­ren nie.

An die­ser Stel­le soll gar nicht ver­sucht wer­den, der Fra­ge nach­zu­ge­hen, ob Papst Fran­zis­kus bei der Kar­me­li­tin, mit der er, gemäß sei­ner Schil­de­rung, tele­fo­nier­te und die ihm ihre Sor­gen und die ihrer Mit­schwe­stern anver­trau­te, „auf den Grund ging“ und eine „Ideo­lo­gie“ fand. Inter­es­sant wäre vor allem, wel­che „Ideo­lo­gie“ er wohl gefun­den hät­te. Die Suche nach einer Ant­wort wäre müßig, da von Fran­zis­kus kei­ne Details ver­ra­ten wurden.

„Mastro Tit­ta“, ein katho­li­scher Kolum­nist, der unter die­sem Pseud­onym sei­ne Kom­men­ta­re bei Stilum curiae, dem Blog von Mar­co Tosat­ti, ver­öf­fent­licht, kri­ti­sier­te jüngst Aus­sa­gen des päpst­li­chen Son­der­ge­sand­ten für die Ukrai­ne, des ita­lie­ni­schen Kar­di­nals Matteo Maria Zup­pi von der Gemein­schaft Sant’Egidio, Erz­bi­schof von Bolo­gna, Vor­sit­zen­der der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz und einer von meh­re­ren Kron­prin­zen des regie­ren­den Pap­stes für das Amt eines Fran­zis­kus II. oder Johan­nes XXIV., wie Fran­zis­kus auf der­sel­ben flie­gen­den Pres­se­kon­fe­renz am Mon­tag meinte.

Die päpst­li­chen Sei­ten­hie­be, mit denen er Kri­ti­ker sei­nes Kur­ses als „Schrift­ge­lehr­te“, „Pha­ri­sä­er“, „Para­gra­phen­rei­ter“, „Indiet­ri­sten“ und „Ideo­lo­gen“ dis­kre­di­tiert, rie­fen erneut Mastro Tit­ta auf den Plan. Hören wir ihn selbst mit einer poin­tier­ten und auch etwas sar­ka­sti­schen Reaktion:

Die Glaubenslehre schmeckt nach nichts? Heiligkeit, was reden Sie denn da?

Von Mastro Titta

„Sie ver­tei­di­gen eine ‚Dok­trin‘, in Anfüh­rungs­zei­chen, die eine Leh­re wie destil­lier­tes Was­ser ist, die nach nichts schmeckt.“ Berg­o­gli­os Wor­te in der flie­gen­den Pres­se­kon­fe­renz auf dem Rück­weg aus der Mon­go­lei offen­ba­ren mit eksta­ti­scher Per­fek­ti­on, was er von der katho­li­schen Leh­re hält: etwas, das ohne Geschmack und ohne Sub­stanz ist. Die Meta­pher des destil­lier­ten Was­sers ist unerbittlich.

Er fügt hin­zu, daß das, um das man im Vor­feld der Syn­ode fürch­tet, nicht „die wah­re Leh­re des Glau­bens­be­kennt­nis­ses“ ist. Er stellt fest, daß „sie die Kir­che für die­ses und jenes beschul­di­gen, aber nie für das, was wahr ist: daß sie sün­dig ist. Nie­mals sagen sie Sünderin“.

Aus­lö­ser für die­se Stim­me des unüber­leg­ten Spre­chens ist die übli­che Tele­fon­plau­de­rei, die sich Berg­o­glio zwi­schen einem päpst­li­chen Müßig­gang und dem ande­ren mit einer Kar­me­li­tin gönn­te, die ihm gegen­über ihre „Befürch­tung“ geäu­ßert haben soll, daß „die Syn­ode unse­re Dok­trin ändern wird“. Wel­che Argu­men­te die arme När­rin zur Begrün­dung ihrer Äng­ste vor­brach­te, wur­de nicht bekanntgegeben.

Es ist auch nicht bekannt, wer die när­ri­sche Kar­me­li­tin ist. Es gibt über­ra­schen­de Tele­fon­an­ru­fe des Pap­stes, ohne daß Jour­na­li­sten oder Kame­ras sie aufzeichnen.

Sie sind ganz anders als die über­ra­schen­den Anru­fe, von denen wir zufäl­li­ger­wei­se alles bis ins letz­te Detail wis­sen. Wir sehen zum Bei­spiel, wenn der Papst aus­geht, um eine beschei­de­ne Bril­le zu kau­fen („Allein“, titelt La Stam­pa über dem Foto, das die gan­ze Fan­mei­le des päpst­li­chen Medi­en­tros­ses zeigt, der sich läs­sig vor dem beschei­de­nen Opti­ker ver­sam­melt hat­te, bei dem der Hei­li­ge Vater einen beschei­de­nen Preis­nach­laß erbet­tel­te), wäh­rend wir ande­re Tele­fon­an­ru­fe wie den hier erwähn­ten ein­fach glau­ben müssen.

Inter­es­sant ist nicht die völ­lig unan­ge­brach­te Pho­bie – natür­lich nicht, der Papst legt gro­ßen Wert dar­auf, dies klar­zu­stel­len – , son­dern die Ant­wort Berg­o­gli­os auf eine so offen­sicht­li­che Dummheit.

Die Dok­trin hat weder Inhalt noch Geschmack. Das Dum­mer­chen von Kar­me­li­tin und vie­le Dum­mer­chen wie sie soll­ten ihre Zeit, anstatt sich mit irr­lich­tern­den Feu­ern abzu­ge­ben, lie­ber damit ver­brin­gen, die Kir­che als das anzu­kla­gen, was sie ist: sündig.

Um es noch ein­mal zu sagen: Ein Pon­ti­fex, des­sen zen­tra­le Auf­ga­be es ist, sei­ne Brü­der im Glau­ben – genau­er gesagt: in der Glau­bens­leh­re – zu bestär­ken, for­dert die katho­li­schen Gläu­bi­gen auf, sol­che belang­lo­sen Unsin­nig­kei­ten [wie die Glau­bens­leh­re] aufzugeben.

Gleich­zei­tig sol­len die unbe­darf­ten Gläu­bi­gen zu Anklä­gern der Kir­che wer­den (an Ver­leum­dern der Kir­che herrscht ja bekann­ter­ma­ßen ein ekla­tan­ter Man­gel), d. h. jener Insti­tu­ti­on, der er vorsteht.

Wenn Wor­te etwas bedeu­ten: Ein Herr, der nichts zu leh­ren hat, aber einer zwei­tau­send Jah­re alten Insti­tu­ti­on vor­steht, die von Sün­de durch­tränkt ist und für die die tota­li­tä­re Barm­her­zig­keit, die er pre­digt, nicht gilt, so wür­de ich sagen, bie­tet reich­lich psych­ia­tri­sches Material.

Der Ton der Ant­wor­ten ist undeut­lich gespro­chen, unge­ord­net hin­ge­wor­fen, erup­tiv. Berg­o­glio hat zuviel gleich­zei­tig am Köcheln und springt vom Hun­dert­sten ins Tau­send­ste. Er ent­leert, ver­flüs­sigt, redu­ziert. Er wie­der­holt zwang­haft bereits geäu­ßer­te Kon­zep­te, kom­pri­miert sie wie Klei­der in einem Urlaubs­kof­fer. Er hat es eilig.

Für ihn gilt, was Kar­di­nal Con­sal­vi zu Napo­le­ons Absich­ten, die Kir­che zu zer­stö­ren, sag­te: „Eure Maje­stät, wir Prie­ster haben das seit acht­zehn Jahr­hun­der­ten ver­sucht und es ist uns nicht gelungen“.

Berg­o­glio hat weder zwei­tau­send Jah­re Tra­di­ti­on auf dem Buckel noch zwan­zig Jahr­hun­der­te Syn­oda­li­tät vor sich.

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Mar­co Mat­teuc­ci via Stilum curiae

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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