Die gekauften Kinder der Ukraine

Das unmenschliche Geschäft


Gekaufte Kinder: in der Ukraine von Leihmüttern ausgetragene Kinder, die im Hotel Venezia in Kiew auf ihre zahlenden Käufer warten
Gekaufte Kinder: in der Ukraine von Leihmüttern ausgetragene Kinder, die im Hotel Venezia in Kiew auf ihre zahlenden Käufer warten

Der Krieg hat vie­le dunk­le Sei­ten. Die „Ent­füh­rung“ ukrai­ni­scher Kin­der durch Ruß­land ist in west­li­chen Medi­en ein Dau­er­the­ma. Dabei scheint es aller­dings vor allem dar­um zu gehen, für die nöti­ge Empö­rung sor­gen, die Washing­ton zur Auf­recht­erhal­tung der nöti­gen Kriegs­stim­mung braucht. Es steht außer Fra­ge, daß jedes Kind zu sei­nen recht­mä­ßi­gen Eltern gehört. Das genann­te Pro­blem scheint in sei­ner Dimen­si­on aber auf­ge­bauscht und Ruß­land bemüht sich, wie vati­ka­ni­sche Ver­mitt­ler­stel­len bestä­ti­gen, um die Rück­füh­rung eva­ku­ier­ter Kin­der zu ihren Eltern. Was in den Medi­en durch­aus auch, aber wesent­lich lei­ser zur Spra­che kommt, aber kei­ne Wir­kung zeigt, ist der unmensch­li­che Kin­der­han­del, der in der Ukrai­ne blüht, gedeckt durch eine gras­sie­ren­de Kor­rup­ti­on und offen­bar gewoll­te rechts­freie Räu­me – was west­li­che Staats­kanz­lei­en nicht zu inter­es­sie­ren scheint. War­um aber wird die­se Form der Ent­mensch­li­chung fak­tisch vom Westen gedeckt? Weil die zah­len­de Kund­schaft für die Gebär­mut­ter­ver­mie­tung, ver­harm­lo­send „Leih­mut­ter­schaft“ genannt, aus dem Westen kommt? Weil sich im Westen eine Tech-Ideo­lo­gie des Mach­ba­ren aus­brei­tet, die ger­ne Gott spie­len will?

Tanyas Embryonen

Anzei­ge

Vor sechs Jah­ren schick­te Tanya zwei Embryo­nen nach Kiew, an ihren Fall erin­ner­te jüngst die Jour­na­li­stin Cate­ri­na Gio­jel­li (Tem­pi). Eine Gebär­mut­ter in der Ukrai­ne zu mie­ten ist bil­lig, und Tanya und ihr Mann, die in Los Ange­les in den USA leben, kön­nen sich die ame­ri­ka­ni­schen Prei­se nicht lei­sten. Die Lie­fe­rung kostet sie 10.000 Dol­lar. Sie sind über­rascht, als die Fir­ma Bio­Tex­Com ihnen mit­teilt, daß die Embryo­nen, sobald am Ziel­ort ankom­men, sofort einer Leih­mut­ter ein­ge­pflanzt wer­den. Ursprüng­lich waren ande­re Zeit­plä­ne genannt wor­den. Erst recht war das Stau­nen groß, als kurz dar­auf mit­ge­teilt wird, daß der „Trans­fer“ erfolg­los war. Für das Paar ist es unmög­lich, Ein­zel­hei­ten zu erfah­ren. Die Leihmutter-“Klinik“ schweigt. Eini­ge Wochen spä­ter beschließt Tan­y­as Ehe­mann, der sich auf einer Geschäfts­rei­se befin­det, per­sön­lich in Kiew bei Bio­Tex­Com um eine Erklä­rung zu bit­ten. Er wird von einem Mit­ar­bei­ter emp­fan­gen, der sich bei ihm bedankt. Wofür? Für die Embryonen-„Spende“ an ein ande­res Paar.

Dies ist nur der Anfang der Nach­for­schun­gen, die Jour­na­li­sten von Poli­ti­co und der deut­schen Welt über Bio­Tex­Com anstell­ten, den Leih­mut­ter­schafts-Gigan­ten in der Ukrai­ne, wo 600 der 1.000 „Leihmutterschafts“-Kinder seit Beginn des rus­si­schen Angriffs gebo­ren wur­den. Das Geschäft mit den Leih­müt­tern boomt mit­ten im Krieg. Die Geschich­ten von Tanya, den Auf­trag­ge­bern und den Leih­müt­tern, die mit Welt und Poli­ti­co spra­chen, begin­nen jedoch vor dem Krieg und vor der Coro­na-Pseu­do­pan­de­mie: als die Kin­der noch nicht in Bun­kern gela­gert wur­den oder im Emp­fangs­raum eines sta­chel­draht­ge­schütz­ten Hotels auf ihre Eltern war­te­ten, die als Auf­trag­neh­mer fungierten.

Ausgetauschte Zwillinge, verlorene Embryonen, Anklage wegen Kinderhandels

Ein deut­sches Paar war gezwun­gen, einem ande­ren Paar in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land einen Ter­min zum heim­li­chen Aus­tausch sei­ner Zwil­lin­ge zu geben: Bio­Tex­Com hat­te die Babys näm­lich an die fal­schen Auf­trag­ge­ber gelie­fert. Eben­falls aus Deutsch­land stamm­te die Frau, die beschloß, ihre Leih­mut­ter­schaft in der Ukrai­ne abzu­bre­chen: Bio­Tex­Com hat­te ihr nicht alle Embryo­nen zurück­ge­ge­ben. Neben dem Han­del mit gene­ti­schem Mate­ri­al und Kin­dern beun­ru­higt vie­le ehe­ma­li­ge Staats­an­wäl­te und Anwäl­te, die mit der Welt spra­chen, die Gesund­heit der Leih­müt­ter: Es gibt Omer­tà, eine Mau­er des Schwei­gens, über Kom­pli­ka­tio­nen in der Schwan­ger­schaft und nach der Geburt, und alles, was nicht ver­öf­fent­licht wird in den Bio­Tex­Com-Geschich­ten von „Hun­der­ten von Geschich­ten glück­li­cher Fami­li­en, die sich auf ihr Neu­ge­bo­re­nes freu­en“. Und die ukrai­ni­schen Behör­den? Die schau­en weg und wol­len kei­ne Ermitt­lun­gen anstellen.

Inter­pol hat die Fra­gen, die Poli­ti­co zu der von Tanya vor fünf Jah­ren ein­ge­reich­ten Kla­ge stell­te, nicht beant­wor­tet: Wur­den ihre Embryo­nen einem ande­ren Paar ein­ge­pflanzt? Wur­de ihr Kind von ande­ren Eltern gebo­ren und aufgezogen?

Für den Grün­der von Bio­Tex­Com, Albert Tochi­l­ov­sky, sind die Beden­ken von Tanya absurd: „Die Qua­li­tät ihres Mate­ri­als war abso­lut schlecht, es hät­te für uns kei­nen Sinn gemacht, es für ein ande­res Paar zu ver­wen­den“ oder die Embryo­nen aus­zu­tau­schen, und nie­mand hal­te die Embryo­nen ande­rer Leu­te als Gei­seln, denn in der Kli­nik gebe es schließ­lich eine rie­si­ge Bank von Eizel­len, die „von jun­gen und gesun­den Spen­dern“ gewon­nen wurden.

Poli­ti­co erin­nert jedoch dar­an, daß Tochi­l­ov­sky 2018 und 2019 unter Haus­ar­rest stand, weil der ehe­ma­li­ge Staats­an­walt Jurij Kowalt­schuk ihn des Kin­der­han­dels, der Steu­er­hin­ter­zie­hung und der Geld­wä­sche verdächtigte.

Der Krieg in der Ukraine deckt Skandale zu und beflügelt das Geschäft

Tem­pi berich­te­te, wie sich ein ita­lie­ni­sches Ehe­paar an das Gericht wand­te, als es fest­stell­te, daß die aus der Ukrai­ne nach Hau­se gebrach­ten Kin­der gene­tisch nicht mit ihm ver­wandt waren. Die im Jahr 2011 gebo­re­nen Babys wur­den dar­auf zur Adop­ti­on frei­ge­ge­ben. Offen­bar kein Ein­zel­fall: Ande­re „Wunsch­el­tern“ hat­ten die zur Adop­ti­on frei­ge­ge­be­nen Kin­der abge­lehnt, als sie fest­stell­ten, daß sie gesund­heit­li­che Pro­ble­me hatten.

Ein sol­cher Fall ist die Geschich­te von Bridget, der „Toch­ter“ eines ame­ri­ka­ni­schen Paa­res, die 2016 gebo­ren wur­de und schließ­lich in einem Wai­sen­haus in Sapo­risch­ja in der Ost­ukrai­ne leb­te. Schon damals hat­te Bio­Tex­Com Kri­tik als „Unsinn“ bezeich­net und erklärt, wenn es einen „Embry­o­tausch“ gege­ben habe, sei dies auf die anfäng­li­che Uner­fah­ren­heit der Kli­nik zurück­zu­füh­ren gewe­sen: „Ich glau­be nicht, daß nur wir hier Feh­ler gemacht haben. Wenn jemand anfängt, die DNA zu über­prü­fen, wird es eine Men­ge Skan­da­le geben“, ver­tei­dig­te sich Tochi­l­ov­sky, der dann gegen­über Poli­ti­co wie­der­hol­te, daß die­se Fäl­le, die an unte­re Gerich­te ver­wie­sen waren, bis sie abge­wie­sen wur­den, durch kor­rup­te Staats­an­wäl­te und Erpres­sungs­ver­su­che ange­heizt wor­den seien.

Zu den Para­do­xa des Krie­ges gehört, daß er dazu bei­getra­gen hat, die Zwei­fel zu zer­streu­en, und Bio­Tex­Com die Mög­lich­keit bot, sich sogar ein hel­den­haf­tes Image zuzu­le­gen. Wäh­rend die Ukrai­ne gegen Ruß­land kämpft, star­te­te Bio­Tex­Com die Kam­pa­gne ‚Make babies, don’t make war‘, ‚wir wer­den unser Bestes tun, um Ihren Traum, Eltern zu wer­den, zu erfül­len, nichts kann uns auf­hal­ten‘. Eine Kam­pa­gne, die funk­tio­niert: Die Kli­nik rekru­tiert Frau­en aus den zurück­er­ober­ten Gebie­ten: „Wir haben einen gro­ßen Man­gel an Leih­müt­tern, die Zahl der poten­ti­el­len Kun­den ist drei­mal so hoch wie die Zahl der Leih­müt­ter“, begei­stert sich Tochilovsky.

VIP-Pakete und Leihmütter-Tragödien

Im Durch­schnitt kostet die Anmie­tung der Gebär­mut­ter einer von Bio­Tex­Com ange­wor­be­nen Frau zwi­schen 40.000 und 50.000 Dol­lar. 71.000 Dol­lar koste­te das „All-inclusive“-VIP-Paket. Die Kli­nik ist für die Hälf­te der etwa 2.000 bis 2.500 Leih­mut­ter­schafts­ge­bur­ten in der Ukrai­ne pro Jahr ver­ant­wort­lich. Unter dem Mot­to „Abso­lu­te Unfrucht­bar­keit gibt es nicht“ wirbt Bio­Tex­Com für eine Rei­he von Dienst­lei­stun­gen, die von der „größ­ten Bank von (Eizell-)Spenderinnen in Euro­pa“ mit 1.500 ukrai­ni­schen Frau­en aus der „Mit­tel­schicht“ bis hin zur „inno­va­ti­ven“ mito­chon­dria­len Ersatz­the­ra­pie und dem „gene­ti­schen Prä­im­plan­ta­ti­ons­scree­ning“ zur Geschlechts­aus­wahl rei­chen. Das Unter­neh­men ver­spricht die Unter­brin­gung in „erst­klas­si­gen Hotels“ in Kiew und die Erstel­lung von Geburts­ur­kun­den für das Kind“, schreibt Poli­ti­co.

Die Welt befrag­te sie­ben Leih­müt­ter und „die mei­sten sag­ten, sie bereu­ten die Ent­schei­dung“. Vic­to­ria brauch­te Geld, um von einem Mann weg­zu­kom­men, der sie miß­han­del­te: Bio­Tex­Com gab ihr 15.000 Dol­lar (etwa 12.000 Euro) für drei Schwan­ger­schafts­ver­su­che. Der drit­te Ver­such war erfolg­reich, aber was danach geschah, war unmensch­lich, wie sie selbst sagt: „Das Baby wur­de mir nicht auf die Brust gelegt, ich hat­te kein Recht, es zu füt­tern, ich hat­te kein Recht, es zu besu­chen (…) Ich wein­te, ich schrie in die­ser Sta­ti­on. Ich konn­te es nicht ertra­gen, mir wur­de übel, ich träum­te von die­sem Baby“.

Ausrangierte Babys

Tatia­na – über ihre Geschich­te hat The Guar­di­an wie­der­holt berich­tet – erklär­te, was geschah, nach­dem sie 2014–2015 Leih­mut­ter gewor­den war: „Ich sehe Men­schen, die der Armut ent­kom­men wol­len, indem sie sich für das [Leihmutterschafts-]Programm anmel­den, um Geld zu ver­die­nen und ein Haus zu kau­fen, und ich möch­te sie war­nen, damit sie nicht das erle­ben, was mir pas­siert ist.“ Ihr haben die Ver­tre­ter von Bio­Tex­Com ins Gesicht gelacht, als sie um Hil­fe bei der Bewäl­ti­gung der Fol­gen der Leih­mut­ter­schaft bat: Die Ärz­te haben ihr den Gebär­mut­ter­hals, die Gebär­mut­ter und die Eier­stöcke ent­fernt. Seit­dem hat sie sich 20 Strah­len­be­hand­lun­gen unter­zo­gen und eine Che­mo­the­ra­pie gegen Krebs begon­nen. „Ich hat­te Krank­hei­ten im Magen, in der Bla­se, in den Nie­ren und in der Milz“.

Olga wur­de nach dem Tod des Babys, das sie 2014 in sich trug, die Gebär­mut­ter ent­fernt. Ihre Anzei­ge wur­de archi­viert. Nadi­as Anzei­ge ist noch anhän­gig. Anna, eine ehe­ma­li­ge Kran­ken­schwe­ster bei Bio­Tex­Com, adop­tier­te ein kran­kes Kind, nach­dem sei­ne chi­ne­si­schen leib­li­chen Eltern sich wegen der gesund­heit­li­chen Pro­ble­me gewei­gert hat­ten, es mit nach Hau­se zu neh­men. Sie sag­te, daß das gän­gi­ge Pra­xis sei. Die zah­len­den Kun­den bestel­len, und wenn das Pro­dukt nicht ihren Vor­stel­lun­gen ent­spricht, leh­nen sie es ab.

Selbst Leihmutterschafts-Apologeten warnen: „Meiden sie die Ukraine“.

Aus den Doku­men­ten, die der Welt vor­lie­gen, geht her­vor, daß Leih­müt­ter zwi­schen 2014 und 2017 durch­schnitt­lich 9.600 bis 14.400 Dol­lar (etwa 8 bis 12.000 Euro) dafür bezahlt wur­den, eine Schwan­ger­schaft aus­zu­tra­gen. „Bio­Tex­Com ver­lang­te von sei­nen Kun­den oft das Fünffache.“

Laut Katie Has­son, stell­ver­tre­ten­de Direk­to­rin des Cen­ter for Gene­tics and Socie­ty in Oak­land, Kali­for­ni­en, ber­gen eini­ge der von Bio­Tex­Com ange­bo­te­nen medi­zi­ni­schen Ver­fah­ren – ins­be­son­de­re „ris­kan­te Tech­ni­ken, die als ‚mito­chon­dria­ler Trans­fer‘ bekannt sind“, bei denen „Mate­ri­al aus den Eizel­len zwei­er ver­schie­de­ner Frau­en kom­bi­niert wird“ – „erheb­li­che Risi­ken für die Gesund­heit der Frau­en. Die Ein­pflan­zung meh­re­rer Embryo­nen in Leih­müt­ter, um die Chan­cen auf eine erfolg­rei­che Schwan­ger­schaft zu erhö­hen, oder weil die Möch­te­gern-Eltern zwei Kin­der wol­len, erhöht das Risi­ko von Kom­pli­ka­tio­nen sowohl für die Kin­der als auch für die Frau­en, die sie aus­tra­gen, erheb­lich“. Zahl­rei­che ethi­sche Fra­gen ste­hen im Raum, seit in Groß­bri­tan­ni­en das erste Baby mit der DNA von drei Per­so­nen gebo­ren wur­de. In der Ukrai­ne herrscht dies­be­züg­lich ein weit­ge­hend rechts­frei­er Raum, ein Eldo­ra­do für skru­pel­lo­se Geschäftemacher.

Maria Dmy­trie­wa, Lei­te­rin der Pro­gram­me des Zen­trums für Demo­kra­tie­ent­wick­lung in Kiew, nennt es „Skla­ve­rei“. Mary­na Legen­ka, Vize­prä­si­den­tin der NGO La Stra­da-Ukrai­ne, zählt die ver­trag­li­chen „Ein­schrän­kun­gen“ für Leih­müt­ter auf. Auch Sam Evering­ham, Grün­der von Gro­wing Fami­lies, einer in Syd­ney ansäs­si­gen Bera­tungs­agen­tur für Leih­mut­ter­schaft, der ein Kind bekam, indem er eine Gebär­mut­ter in Indi­en mie­te­te, argu­men­tiert, daß Bio­Tex­Com in einer „Grau­zo­ne“ des Mark­tes ope­riert, „es ist eine Art Fabrik. Sie stel­len die Leih­mut­ter­schaft nicht in den Vor­der­grund (…) Wir emp­feh­len sie nicht. Aber sie haben eine rie­si­ge Mar­ke­ting-Maschi­ne, vor allem online, und sie sind bil­lig, also sind sie immer noch beliebt“. Syl­vie Men­nes­son, Vor­sit­zen­de von Cla­ra in Paris, ist der Mei­nung, daß unfrucht­ba­re Paa­re die Ukrai­ne mei­den soll­ten: „Wenn es Pro­ble­me gibt, wer­den sie sich nicht dar­um küm­mern. Vor allem, wenn das Baby eine Früh­ge­burt ist (…). Wer will schon unter Bom­ben gebo­ren werden?“.

Kinder zu verkaufen

Laut der femi­ni­sti­schen Akti­vi­stin Marie-Josè­phe Devil­lers, Autorin des Buches „Towards the Aboli­ti­on of Sur­ro­ga­te Mother­hood“ („Für die Abschaf­fung der Leih­mut­ter­schaft“), „haben die Euro­pä­er, die für den Zugang zu den Kör­pern der ukrai­ni­schen Frau­en bezah­len, die ver­zwei­fel­te Situa­ti­on noch viel schlim­mer gemacht. Das ist neo­li­be­ra­le Aus­beu­tung. Der Pro­fit treibt einen Markt an, der das Indi­vi­du­um, das um jeden Preis ein Kind will, über das kol­lek­ti­ve Wohl des Schut­zes der Frau­en stellt“. Es geht um Frau­en, die heu­te ihre Haut ris­kie­ren, um ihren Auf­trag­ge­bern in der Ukrai­ne ‚die Ware‘ zu lie­fern. Und die Kin­der? Da ist der Fall des klei­nen Kin­des, das von einem ita­lie­ni­schen Paar zur Adop­ti­on frei­ge­ge­ben wur­de, des fran­zö­si­schen Vaters, der an der unga­ri­schen Gren­ze beim „Schmug­geln“ von zwei Kin­dern in einem Lie­fer­wa­gen erwischt wur­de, weil Frank­reich sich gewei­gert hat­te, die Päs­se der Kin­der zu geneh­mi­gen, des deut­schen Paa­res, das durch eine E‑Mail von Bio­Tex­Com erfuhr, daß einer sei­ner Zwil­lin­ge gegen den eines ande­ren Paa­res aus­ge­tauscht wor­den war. Oder von Inge, der Frau, die, nach­dem sie 11.000 Dol­lar für das Ver­fah­ren aus­ge­ge­ben hat­te, beschloß, alles abzu­bre­chen, aber ihre Embryo­nen nicht zurückbekam.

„Die schockie­rend­ste Anschul­di­gung war, daß Bio­Tex­Com Doku­men­te und DNA-Tests gefälscht hat, um den Ver­kauf von Kin­dern zu ermög­li­chen, die in der Ukrai­ne für Eltern gebo­ren wur­den, die gene­tisch nicht mit ihnen ver­wandt waren. Selbst wenn auf 1.000 Kin­der eines kommt, das [ille­gal] ver­kauft wur­de, macht dies alle guten und huma­nen Absich­ten der Kli­nik zunich­te. Ich den­ke, das ist inak­zep­ta­bel“, sag­te der einst mit dem Fall Bio­Tex­Com betrau­te Staats­an­walt Kowalt­schuk gegen­über Poli­ti­co. Der Staats­an­walt wur­de von den Ermitt­lun­gen ent­bun­den. Hat­te er zu tief gegra­ben? Tat­sa­che ist, daß die Ukrai­ne ein mas­si­ves Kor­rup­ti­ons­pro­blem hat.

Es lie­gen laut Recher­chen allein Dut­zen­de von Anzei­gen von Frau­en vor, die zwi­schen 2013 und 2017 in der Kli­nik als Leih­müt­ter gear­bei­tet haben. Die Kli­nik hat „pro­mi­nen­te“ Unter­stüt­zer wie „den ehe­ma­li­gen Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten und Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten 2019 Vita­liy Kupriy, der im August 2018 eine Fol­ge sei­ner Fern­seh­sen­dung der Ver­tei­di­gung von Bio­Tex­Com wid­me­te“. Die Fäl­le lie­gen schon eini­ge Jah­re zurück, doch die Lage ist nicht bes­ser gewor­den, son­dern hat sich durch den Krieg noch verschlimmert.

Neben den Vor­wür­fen aus­ste­hen­der Zah­lun­gen und der Wei­ge­rung, Ent­schä­di­gung für medi­zi­ni­sche Kom­pli­ka­tio­nen zu lei­sten, die wäh­rend der Leih­mut­ter­schaft auf­tra­ten, wird Tochi­l­ov­sky auch der Steu­er­hin­ter­zie­hung beschul­digt (zwei­stel­li­ge Mil­lio­nen­be­trä­ge an Bio­Tex­Com-Gel­dern, die über Fir­men, die auf den Sey­chel­len oder in Lett­land, Zypern und der Tsche­chi­schen Repu­blik regi­striert sind, in Off­shore-Unter­neh­men ver­steckt wur­den). Anschul­di­gun­gen, die gericht­lich nie bewie­sen wur­den. Was die ver­tausch­ten Babys betrifft, so gab der Grün­der von Bio­Tex­Com selbst zu, daß es sich um „mensch­li­ches Ver­sa­gen“ handelte.

Krieg entvölkert

Das ukrai­ni­sche Par­la­ment arbei­tet an einem Gesetz, das die Ver­mie­tung von Gebär­müt­tern an Aus­län­der ver­bie­ten soll. Der Ansatz ist halb­her­zig, ethisch zwei­fel­haft (Ver­bot nur für Aus­län­der?) und wird nicht mit Nach­druck betrie­ben. Zu vie­le inter­na­tio­na­le Medi­en­an­fra­gen über die „unmensch­li­che Behand­lung“ von Leih­müt­tern und Kin­dern scha­den jedoch dem Image und haben zumin­dest etwas Bewe­gung in die Sache gebracht. Vor allem hat die Ukrai­ne selbst einen enor­men Men­schen­ver­lust zu ver­zeich­nen. Damit sind nicht nur die Ver­lu­ste an der Front gemeint, son­dern die Mil­lio­nen, die als Flücht­lin­ge das Land ver­las­sen haben: 3,5 Mil­lio­nen nach Ruß­land, drei­mal soviel in den Westen. Wie vie­le wer­den nicht mehr zurück­keh­ren? Die Regie­rung in Kiew geht laut Schät­zun­gen davon aus, daß die Ukrai­ne (in den Gren­zen vor 2014) im Jahr 2030 um zehn Mil­lio­nen Ein­woh­ner geschrumpft sein wird. Tochi­l­ov­sky wehrt ab: Sein Unter­neh­men Bio­Tex­Com habe „Vor­keh­run­gen getrof­fen, Nie­der­las­sun­gen in Geor­gi­en und Kasach­stan zu eröff­nen, um auf jedes Sze­na­rio vor­be­rei­tet zu sein“.

Im Jahr 2022 hat­te der Leih­mut­ter­schafts­markt einen Wert von 14 Mil­li­ar­den Dol­lar. Laut dem For­schungs- und Bera­tungs­un­ter­neh­men Glo­bal Mar­ket Insights wird er bis 2032 auf 129 Mil­li­ar­den Dol­lar anwachsen.

Das ita­lie­ni­sche Par­la­ment ver­ab­schie­de­te den muti­gen Vor­schlag der neu­en Rechts­re­gie­rung von Mini­ster­prä­si­den­tin Gior­gia Melo­ni, die Leih­mut­ter­schaft – die in Ita­li­en bereits gesetz­lich ver­bo­ten ist – zu einem uni­ver­sel­len Ver­bre­chen zu machen, was die straf­recht­li­che Ver­fol­gung in Ita­li­en mög­lich macht, auch wenn die Tat im Aus­land began­gen wird. Dage­gen pole­mi­sier­te die lin­ke Phi­lo­so­phin Miche­la Mar­za­no, Dozen­tin der Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Paris IV und ita­lie­ni­sche Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­te der Links­de­mo­kra­ten. Seit Mona­ten wird in der Pres­se die Leih­mut­ter­schaft als ein „Akt der Lie­be, des Glücks, des Fort­schritts, der Frei­heit“ dar­ge­stellt (auch in der Ukrai­ne, wo der Schrift­stel­ler Jan­ec­zek die Tra­gö­die der in einem Bun­ker gefan­ge­nen Neu­ge­bo­re­nen für die Ver­tei­di­gung der ukrai­ni­schen Frei­heit hoch­zu­spie­len ver­such­te, „die Putin im Namen der Rück­kehr zu tra­di­tio­nel­len Wer­ten aus­lö­schen will“).

Die tra­di­tio­nel­len Wer­te haben einen Wert an sich, weil sie rich­tig sind und daher immer und über­all zu gel­ten haben, in Ruß­land wie in der Ukrai­ne. Der Krieg oder gar eine Par­tei­nah­me in die­sem Krieg soll­te damit nichts zu tun haben. Der Kin­der­han­del in der Ukrai­ne, dem die dor­ti­gen Gesetz­ge­ber nicht wil­lens schei­nen, ernst­haft ent­ge­gen­zu­tre­ten, und der die west­li­chen Staats­kanz­lei­en, die täg­lich mit Kiew in Kon­takt ste­hen und von deren Geld die Ukrai­ne heu­te völ­lig abhän­gig ist, nicht aus­rei­chend zu inter­es­sie­ren scheint, zeigt die Tra­gö­die auf, wenn Men­schen­le­ben zum Spiel­ball wer­den, zu einem Pro­dukt, das gekauft und ver­kauft wer­den kann, zu einer Pro­dukt­li­nie für das Glück der Erwachsenen.

Text: Mar­tha Burger/​Giuseppe Nar­di
Bild: You­tube (Screen­shot)

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