„Die Frage des deutschen Synodalen Wegs ist nicht abgeschlossen“

Interview des neuernannten Glaubenspräfekten


Der künftige Glaubenspräfekt der katholischen Kirche, Kardinal in spe Victor Manuel Fernández, nahm in einem Interview mit einer spanischen Zeitschrift zum deutschen Synodalen Weg Stellung.
Der künftige Glaubenspräfekt der katholischen Kirche, Kardinal in spe Victor Manuel Fernández, nahm in einem Interview mit einer spanischen Zeitschrift zum deutschen Synodalen Weg Stellung.

(Rom) Unter den zahl­rei­chen Inter­views des ernann­ten Prä­fek­ten des Glau­bens­dik­aste­ri­ums, Kar­di­nal in spe Vic­tor Manu­el Fernán­dez, fin­det sich auch jenes, das gestern von der spa­ni­schen Zeit­schrift Alfa & Ome­ga ver­öf­fent­licht wur­de, die von der Stif­tung San Augu­stín der Erz­diö­ze­se Madrid her­aus­ge­ge­ben wird. Wegen des direk­ten Bezugs zum schis­ma­ti­sie­ren­den deut­schen Syn­oda­len Weg, dem der Papst­ver­trau­te Blu­men streut, ver­öf­fent­li­chen wir das Inter­view voll­stän­dig in deut­scher Übersetzung:

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Fra­ge: Wie haben Sie die Über­ra­schung des Kar­di­nalats auf­ge­nom­men, so unmit­tel­bar nach Ihrer Ernen­nung zum Prä­fek­ten des Dik­aste­ri­ums für die Glaubenslehre?

Fernán­dez: Ich hat­te gehofft, der Papst wür­de mich nicht zum Kar­di­nal ernen­nen, um nicht das Feu­er derer zu schü­ren, die ihm scha­den wol­len, indem sie mich angrei­fen. Aber ich neh­me es als das, was die Far­be des Kar­di­nalats aus­drückt: die Bereit­schaft, Blut zu ver­gie­ßen, wenn es nötig ist.
Ande­rer­seits habe ich mich sehr dar­über gefreut, daß der Kar­di­nals­ti­tel an zwei ande­re Argen­ti­ni­er ver­lie­hen wur­de, die ich bewun­de­re. Pater Luis Pascual Dri, jetzt ein alter Mann, hat mit gro­ßer Freu­de und Freund­lich­keit viel Gutes getan. Und Angel Six­to Ros­si, aus mei­ner Pro­vinz Cór­do­ba, ist ein wei­ser Mann mit einer enor­men Sen­si­bi­li­tät für das Lei­den, aber auch mit gro­ßem Unterscheidungsvermögen.

Fra­ge: Drei Argen­ti­ni­er: Was für einen Bei­trag erwar­tet der Hei­li­ge Vater von Ihrem Hei­mat­land für die Weltkirche?

Fernán­dez: Argen­ti­ni­en ist ein Ein­wan­de­rungs­land, aber mit einer äußerst erfolg­rei­chen Inte­gra­ti­ons­er­fah­rung, des gegen­sei­ti­gen Respekts und der Ras­sen­mi­schung. Da ist es für sie[die Argen­ti­ni­er] ganz natür­lich, jeman­dem zuzu­hö­ren, der ganz anders ist, ihn zu respek­tie­ren und nach Gemein­sam­kei­ten zu suchen. Zwei­fel­los hat dies auch Aus­wir­kun­gen auf die theo­lo­gi­sche Metho­de. Ande­rer­seits hat sich hier eine Theo­lo­gie ent­wickelt, die das Volk und die Armen als Sub­jek­te aner­kennt, die in der Lage sind, ein gül­ti­ges Den­ken mit eige­nen Kate­go­rien zu entwickeln.

Fra­ge: Wor­in besteht der Sinn des Rich­tungs­wech­sels im Dik­aste­ri­um, um den Fran­zis­kus Sie gebe­ten hat? Geht es dar­um, eine durch die Umstän­de erzwun­ge­ne Über­be­to­nung der Fra­ge des Miß­brauchs zu korrigieren?

Fernán­dez: Nein, wir wol­len auf kei­nen Fall die Bedeu­tung eines so heik­len, demü­ti­gen­den und schmerz­haf­ten The­mas schmä­lern. Man kann nie zu viel tun. Viel­mehr wol­len wir, ohne es zu ver­nach­läs­si­gen, den theo­lo­gi­schen Teil stär­ker aus­bau­en, um zu ver­hin­dern, daß er zum Aschen­put­tel wird. Das Pro­blem ist, daß es für eine Per­son schwie­rig ist, ein Exper­te in Theo­lo­gie und Recht zu sein und gleich­zei­tig dem Pro­fil von Fran­zis­kus zu ent­spre­chen. Ich den­ke, es ist gut, daß die Abtei­lung für Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren so viel Auto­no­mie wie mög­lich hat und von ihren eige­nen Exper­ten gelei­tet wird.

Fra­ge: Sie haben erklärt, daß Sie Ihre neue Rol­le dar­in sehen, den Dia­log zu för­dern, um Posi­tio­nen bes­ser zu ver­ste­hen, bevor sie ver­ur­teilt wer­den, und auch, um ver­schie­de­ne Posi­tio­nen zu har­mo­ni­sie­ren, ohne eine ein­zi­ge Inter­pre­ta­ti­on auf­zu­zwin­gen. Wie machen Sie das, ohne den pasto­ra­len Ansatz aus den Augen zu ver­lie­ren, der Ihnen eben­falls am Her­zen liegt, um die Men­schen nicht zu verwirren?

Fernán­dez: Der Papst bit­tet mich um etwas, das nicht ein­fach ist: zu ver­su­chen, die Irr­tü­mer oder Fak­to­ren der Ver­wir­rung zu über­win­den, nicht nur durch Tadel, son­dern vor allem durch Wachs­tum, durch Rei­fung im Ver­ständ­nis einer Wahr­heit, das heißt, sie wird nicht nur durch die Wie­der­ho­lung der glei­chen alten Wor­te gelöst, son­dern durch die Fähig­keit, ein neu­es Ele­ment ein­zu­brin­gen, das die Über­le­gun­gen berei­chert. Ist dies nicht der Fall, bleibt der Feh­ler ver­bor­gen und liegt auf der Lau­er, taucht aber in ande­rer Form wie­der auf, weil ein berech­tig­tes Anlie­gen nicht berück­sich­tigt wur­de. Aber das dau­ert natür­lich län­ger und erfor­dert mehr Aufwand.

Fra­ge: Wie wer­den Sie einen sol­chen Dia­log im Fal­le des deut­schen Syn­oda­len Wegs ange­hen, da schon frü­he­re Ver­su­che geschei­tert sind und der Pro­zeß bereits abge­schlos­sen ist?

Fernán­dez: Ich glau­be, daß die Fra­ge des deut­schen Syn­oda­len Wegs nicht ganz abge­schlos­sen ist, solan­ge es nicht eine Ant­wort für das Volk Got­tes in Deutsch­land gibt, das mehr wirk­li­chen Raum für Frau­en und ande­re Din­ge for­dert, denen es nicht schlecht wäre, mehr Auf­merk­sam­keit zu schenken.

Fra­ge: Kar­di­nal Mül­ler, Ihr Vor­gän­ger, hat Ihre Ernen­nung mit der Aus­sa­ge kri­ti­siert, die Kir­che brau­che kei­ne Moder­ni­sie­rung, weil ihre Leh­re und Lit­ur­gie im Plan Got­tes ein für alle­mal fest­ge­legt sei. Wie ver­ste­hen Sie die Lehrentwicklung?

Fernán­dez: Die Leh­re ist immer die­sel­be, weil sie letzt­lich geof­fen­bar­te Wahr­heit ist. Aber gleich­zei­tig muß man immer sagen, daß unser Ver­ständ­nis die­ser Leh­re wächst und daß sich die Aus­drucks­form zu ver­schie­de­nen Zei­ten ändert und reift. Das ist in der Geschich­te der Fall gewe­sen, das ist offen­sicht­lich. Ich kann auch nicht vor­ge­ben, daß das, was ich behaup­te, unver­än­dert bleibt.

Fra­ge: Sind Sie zuver­sicht­lich, daß es mög­lich sein wird, die gegen­wär­ti­ge kirch­li­che Pola­ri­sie­rung zu über­win­den, die auch im Zusam­men­hang mit Ihrer Ernen­nung deut­lich gewor­den ist?

Fernán­dez: Die­se Pola­ri­sie­rung ist älter als die­se Unge­rech­tig­keit. Es genügt, dar­an zu erin­nern, daß es vor Jahr­hun­der­ten einen hef­ti­gen Streit zwi­schen Jesui­ten und Domi­ni­ka­nern, Tho­mi­sten und Moli­ni­sten gab, die sich gegen­sei­tig ver­damm­ten und nach Rom gin­gen, um die Exkom­mu­ni­ka­ti­on des ande­ren zu for­dern. Der Papst muß­te ein­grei­fen und ver­bot ihnen, sich gegen­sei­tig zu ver­ur­tei­len. Aber wir kön­nen bis in die ersten Jahr­hun­der­te der Kir­che zurück­ge­hen. Um die Pola­ri­sie­rung zu über­win­den, müs­sen wir ein wenig demü­ti­ger sein und aner­ken­nen, daß die geof­fen­bar­te Wahr­heit auf allen Sei­ten über uns hin­aus­geht. Es ist unmög­lich, uns als ihre Mei­ster aufzuspielen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Alfa & Ome­ga (Screen­shot)

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