„Werde Papst Franziskus zum Círio de Nazaré einladen“

Der Schulterschluß zwischen Papst Franziskus und Präsident Lula


Brasiliens Präsident Lula da Silva will Papst Franziskus zum Círio de Nazaré einladen (Bild).
Brasiliens Präsident Lula da Silva will Papst Franziskus zum Círio de Nazaré einladen (Bild).

Bra­si­li­ens Staats- und Regie­rungs­chef Luiz Iná­cio Lula da Sil­va wird mor­gen von Papst Fran­zis­kus in Audi­enz emp­fan­gen. Lula, der Anfang 2020 beton­te, „Papst Fran­zis­kus denkt wie wir“, und damit die poli­ti­sche Lin­ke mein­te, sag­te am Sams­tag, er wol­le Fran­zis­kus bei der Audi­enz zur gro­ßen Pro­zes­si­on des Círio de Naza­ré nach Bra­si­li­en einladen.

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Der Círio de Naza­ré fin­det immer am zwei­ten Wochen­en­de (Sams­tag und Sonn­tag) im Okto­ber statt. Im 15. Jahr­hun­dert war die Got­tes­mut­ter Maria im por­tu­gie­si­schen Küsten­ort Naza­ré (Naza­reth) erschie­nen. Die Jesui­ten brach­ten ihre Ver­eh­rung nach Bra­si­li­en. Im Jahr 1700 fand der Mesti­ze Pla­ci­do José de Sou­za aus der Gegend von Mari­tu­ba in der Nähe der 1616 gegrün­de­ten Stadt Belém (Beth­le­hem) im Staat Pará eine Sta­tue Unse­rer Lie­ben Frau von Naza­ré und nahm sie mit nach Hau­se. Die Mari­en­sta­tue kehr­te aber wie­der an den Fund­ort zurück, wes­halb Pla­ci­do den Ent­schluß faß­te, der Got­tes­mut­ter dort eine Kapel­le zu errich­ten. Die Zahl von Pil­gern nahm zu, sodaß sich der Orts­bi­schof der Sache annahm. Die heu­te bekann­te Pro­zes­si­on fin­det seit 1773 statt. Wegen des immer grö­ßer wer­den­den Andrangs wur­de statt der ursprüng­li­chen Kapel­le eine gro­ße Kir­che errich­tet, die in ihrem Grund­riß der römi­schen Patri­ar­chal­ba­si­li­ka Sankt Paul vor den Mau­ern nach­emp­fun­den ist und 1923 von Papst Pius XI. zur Basi­li­ca minor erho­ben wur­de. Sein Nach­fol­ger Pius XII. ließ das Gna­den­bild krönen.

Die jähr­li­che Pro­zes­si­on ist eines der größ­ten reli­giö­sen Ereig­nis­se Bra­si­li­ens. Sie fin­det zu Land und auf dem Was­ser statt, indem das Mari­en­stand­bild auf einem Schiff auf dem Fluß Guamá, einem Neben­fluß des Tocan­tins, trans­por­tiert wird. Dabei wird es von gut tau­send Boo­ten begleitet. 

Die Basi­li­ka Unse­rer Lie­ben Frau von Naza­ré in Belém im bra­si­lia­ni­schen Staat Pará

Am Sams­tag abend wird Unse­re Lie­be Frau von Naza­ré aus ihrer Kir­che in die Kathe­dra­le von Belém gebracht. Die­se Pro­zes­si­on dau­ert bis zu fünf Stun­den. An ihr neh­men Hun­dert­tau­sen­de von Gläu­bi­gen teil. Die Sta­tue wird auf einem präch­tig geschmück­ten Wagen von Gläu­bi­gen an 400 Meter lan­gen Sei­len gezo­gen. Vie­le ver­su­chen zumin­dest für kur­ze Zeit den Wagen am Seil zie­hen oder die­ses zumin­dest berüh­ren zu kön­nen, was als beson­de­rer Gna­dener­weis gese­hen wird. Das Seil wird anschlie­ßend in klei­ne Stücke zer­schnit­ten und unter den Gläu­bi­gen ver­teilt, denen sie als Kon­takt­re­li­quie gilt. 

Rund um das Fest hat sich ein rei­ches Brauch­tum ent­wickelt. Die Stadt wird fei­er­lich in den Kir­chen­far­ben geschmückt. Es ist üblich, daß man sich in den Fami­li­en von Belém zu die­sem Anlaß gegen­sei­tig beschenkt. Am Fest­tag wer­den zudem beson­de­re Spei­sen zubereitet.

Der Brücken­schlag zu Fran­zis­kus hat damit zu tun, daß Belém neben Man­aus die wich­tig­ste Stadt des bra­si­lia­ni­schen Ama­zo­nas­beckens ist, einer Welt­ge­gend, der Fran­zis­kus 2019 eine Son­der­bi­schofs­syn­ode widmete.

Am ver­gan­ge­nen Sams­tag sag­te Lula im Rah­men einer Fei­er zur Über­ga­be von Gebäu­den des sozia­len Wohn­baus im Bun­des­staat Pará:

„Ich möch­te ihn [Fran­zis­kus] ein­la­den, wie­der nach Bra­si­li­en zu kom­men. Ich möch­te ihn zu der Círio-Fei­er hier ein­la­den. Es wäre außer­or­dent­lich schön, wenn er am Círio de Naza­ré teil­neh­men könnte.“

Lula, der im ver­gan­ge­nen Jahr knapp die Prä­si­dent­schafts­wah­len gewin­nen konn­te, ist eine Sym­bol­ge­stalt der latein­ame­ri­ka­ni­schen Lin­ken, mit der Papst Fran­zis­kus eine demon­stra­ti­ve Nähe pflegt. Lula selbst bezeich­net sich am Sams­tag zur Begrün­dung sei­ner Ein­la­dung als „ein Mann, der sehr an Gott glaubt“. Fran­zis­kus und Lula haben bereits am 31. Mai mit­ein­an­der tele­fo­niert.

Das Gna­den­bild über dem Hoch­al­tar der Basilika

Fran­zis­kus besuch­te Bra­si­li­en bereits im Som­mer 2013, weni­ge Mona­te nach sei­ner Wahl, um am Welt­ju­gend­tag in Rio de Janei­ro teil­zu­neh­men. Auch damals regier­te die lin­ke Arbei­ter­par­tei (PT), die stark mit der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie ver­mengt ist, deren star­ker Mann Lula ist. Vor­sit­zen­de der Arbei­ter­par­tei ist seit 2019 die deutsch­stäm­mi­ge Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­te Glei­si Hof­mann, die ein von Jesui­ten geführ­tes Gym­na­si­um besuch­te und wegen ihrer Beein­flus­sung durch die Befrei­ungs­theo­lo­gie 1983, im Alter von 18 Jah­ren, der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Bra­si­li­ens bei­trat. Zur Arbei­ter­par­tei wech­sel­te sie nach dem Zusam­men­bruch des Ostblocks.

Lula sag­te am Sams­tag, er wer­de Fran­zis­kus um den Segen für die Men­schen des Staa­tes Pará bit­ten. In Bra­si­li­en selbst zwei­feln aller­dings vie­le Chri­sten an der Gläu­big­keit Lulas, dem der Ruf eines Kavi­ar-Sozia­li­sten nach­hängt. Der ehe­ma­li­ge Gewerk­schaf­ter und Grün­der der Arbei­ter­par­tei gehör­te selbst nie der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei an. Mit einem euro­päi­schen Sozi­al­de­mo­kra­ten ist er des­halb aber nicht zu ver­glei­chen. Mit Blick auf sei­ne Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur ging Lula 2022, wie bereits bei allen sei­nen Kan­di­da­tu­ren seit 1989, ein Bünd­nis mit den Kom­mu­ni­sten und auch den Grü­nen ein. Sie brach­ten ihm mehr als 2,1 Mil­lio­nen Wäh­ler­stim­men. Sein Vor­sprung auf den christ­lich-kon­ser­va­ti­ven Kan­di­da­ten Jair Bol­so­n­a­ro betrug am Ende knapp zwei Mil­lio­nen Stimmen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/basilicadenazare.com.br (Screen­shots)

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