Zum Tod von Silvio Berlusconi und Antonio Borelli Machado

Ein Nachruf auf zwei ungleiche Persönlichkeiten


Silvio Berlusconi (links) und Antonio Augusto Borelli Machado
Silvio Berlusconi (links) und Antonio Augusto Borelli Machado

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Am 12. Juni 2023 ist Sil­vio Ber­lus­co­ni, Grün­der von Fin­in­vest und For­za Ita­lia, Mini­ster­prä­si­dent in vier Regie­run­gen und unbe­strit­te­ner Prot­ago­nist von drei­ßig Jah­ren ita­lie­ni­schem Leben, im Alter von 86 Jah­ren in Mai­land gestor­ben. Ein Leben mit gro­ßem Enga­ge­ment und star­ken Gegen­sät­zen in den Berei­chen Wirt­schaft, Medi­en und Poli­tik, aus dem er trotz zahl­rei­cher Wun­den immer als Sie­ger her­vor­ging. Es gab nur einen Unter­neh­mer vor ihm, der so viel Macht aus­üb­te, aller­dings eher aus erb­li­chen denn aus per­sön­li­chen Grün­den: Gian­ni Agnel­li. Der Fiat-Chef unter­stütz­te jedoch die kul­tu­rel­le und poli­ti­sche Revo­lu­ti­on, indem er sich den Vor­ga­ben der inter­na­tio­na­len „star­ken Mäch­te“ anschloß. Ber­lus­co­ni hin­ge­gen war ein „Außen­sei­ter“, der es wag­te, den Histo­ri­schen Kom­pro­miß in Fra­ge zu stel­len, indem er sich 1994 der „fröh­li­chen Kriegs­ma­schi­ne­rie“ von Sozia­li­sten-Kom­mu­ni­sten ent­ge­gen­stell­te und dafür alle Kon­se­quen­zen zahl­te, ein­schließ­lich einer hef­ti­gen gericht­lich-media­len Ver­fol­gung, die ihm mehr als 30 Pro­zes­se und 130 Ankla­gen ein­brach­te, mit nur einer rechts­kräf­ti­gen Ver­ur­tei­lung, wegen Steuerbetrugs.

Der Anti­kom­mu­nis­mus war eine Kon­stan­te und das gro­ße Ver­dienst von Sil­vio Ber­lus­co­ni. Unver­geß­lich ist, daß er am 27. Febru­ar 1998 auf dem Par­tei­tag der Alle­an­za Nazio­na­le (AN) mit einem Buch­ge­schenk für jeden der 2.500 Teil­neh­mer erschien: Das Schwarz­buch des Kom­mu­nis­mus von Sté­pha­ne Cour­tois, das in jenem Jahr von sei­nem Ver­lag Mond­ado­ri über­setzt wur­de. Ber­lus­co­nis gro­ßer Feh­ler war es, nicht ver­stan­den zu haben, daß ein Anti­kom­mu­nis­mus nicht ohne eine Reak­ti­on auf den mora­li­schen Ver­fall mög­lich war, der Ita­li­en in jenen Jah­ren über­fiel und den lei­der auch sei­ne Fern­seh­sen­der anheiz­ten. Bereits 1987 erin­ner­te das Kul­tur­zen­trum Lepan­to in einem Auf­ruf mit dem Titel Wohin steu­ert Ita­li­en?, der am 5. Juni als Anzei­ge in Ber­lus­co­nis Tages­zei­tung Il Giorn­a­le erschien, dar­an, daß

„die wirk­li­che Alter­na­ti­ve, vor der Ita­li­en heu­te steht, zwi­schen der Ver­tei­di­gung der west­li­chen und christ­li­chen Zivi­li­sa­ti­on und der Kapi­tu­la­ti­on vor dem mora­li­schen Rela­ti­vis­mus besteht, der im Sozia­lis­mus und Kom­mu­nis­mus sei­nen radi­kal­sten Aus­druck fin­det. Die Oppo­si­ti­on gegen den Kom­mu­nis­mus kann nicht vom Kampf gegen die­sen Rela­ti­vis­mus, d. h. von der Ver­tei­di­gung der reli­giö­sen und mora­li­schen Grund­sät­ze des Evan­ge­li­ums, getrennt wer­den. Ande­rer­seits kann kein Appell an die­se Grund­sät­ze wirk­sam sein, wenn er nicht von einer radi­ka­len und akti­ven Oppo­si­ti­on gegen den Sozia­lis­mus-Kom­mu­nis­mus beglei­tet wird, der die heim­tückisch­ste Bedro­hung unse­rer Zivi­li­sa­ti­on darstellt.“

Sil­vio Ber­lus­co­ni hat­te das Gemüt eines Erobe­rers. Sein Hori­zont war vor allem Ita­li­en, für das er sich als Reprä­sen­tant par excel­lence fühl­te. In sei­nem lan­gen Leben hat er alles erreicht, was ein Mensch mit Geld, aber vor allem mit den ihm ver­lie­he­nen Talen­ten und Fähig­kei­ten auf Erden erobern kann, bis hin zu sei­nem letz­ten Erfolg: der par­tei­über­grei­fen­den Hul­di­gung von Freun­den und Gegnern.

Ita­li­en hat ihm die höch­sten Ehren erwie­sen: Staats­trau­er, Staats­be­gräb­nis im Dom, zele­briert vom Erz­bi­schof von Mai­land, unter Teil­nah­me des Prä­si­den­ten der Repu­blik und der höch­sten insti­tu­tio­nel­len Ämter, 33 Sei­ten im Cor­rie­re del­la Sera und 27 Sei­ten in La Repubbli­ca (frü­her sein erbit­ter­ter Feind), um sein öffent­li­ches und pri­va­tes Leben zu illu­strie­ren. In sei­nen letz­ten Stun­den auf Erden ver­folg­te Ber­lus­co­ni laut Cor­rie­re das Cham­pi­ons-League-Fina­le und schien „beses­sen“ von dem Gedan­ken an die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on sei­ner Par­tei For­za Ita­lia und von der Sor­ge über den Kon­flikt in der Ukrai­ne und des­sen mög­li­che Aus­wei­tung zu einem Atom­krieg. Wir wis­sen nichts über den ent­schei­den­den Moment, den Moment, in dem der Sinn eines Lebens, das nicht Gott geschenkt ist, auf den Kopf gestellt wer­den kann.

Eine Woche vor Ber­lus­co­ni, am 5. Juni 2023, ver­starb der Schrift­stel­ler Anto­nio Augu­sto Borel­li Macha­do im Alter von 92 Jah­ren in São Pau­lo in Bra­si­li­en. „Dr. Borel­li“, wie er trotz sei­nes Inge­nieurs­di­ploms genannt wur­de, leb­te in einer klei­nen Woh­nung im Vier­tel Higié­no­po­lis, aber sein Blick ging in die gan­ze Welt. Vie­le Jah­re lang lei­te­te er das Doku­men­ta­ti­ons- und For­schungs­zen­trum der bra­si­lia­ni­schen Ver­ei­ni­gung für Tra­di­ti­on, Fami­lie und Pri­vat­ei­gen­tum, das mehr als vier­hun­dert Ver­öf­fent­li­chun­gen aus 25 Län­dern in drei­zehn Spra­chen aus­wer­te­te. Sein Archiv, das zu einer Zeit ange­legt wur­de, als es noch kein Inter­net gab, war reich an Zei­tungs­aus­schnit­ten von TFP-Kor­re­spon­den­ten in Ame­ri­ka und Euro­pa und ermög­lich­te es Dr. Borel­li, unter der Lei­tung von Pro­fes­sor Pli­nio Cor­rêa de Oli­vei­ra, dem er seit 1954 folg­te, stän­dig über die wich­tig­sten reli­giö­sen und poli­ti­schen Ereig­nis­se unse­rer Zeit infor­miert zu sein.

Anto­nio Borel­li Macha­do war auch einer der meist­ge­le­se­nen bra­si­lia­ni­schen Autoren der Welt, dank sei­ner Stu­die „Die Erschei­nun­gen und die Bot­schaft von Fati­ma nach den Manu­skrip­ten von Sr. Lucia“, die 1967 in São Pau­lo ver­öf­fent­licht wur­de. Im Vor­wort der ersten Aus­ga­be, die 1977 vom Ver­lag Cri­stia­ni­tà ins Ita­lie­ni­sche über­setzt wur­de, schrieb Pro­fes­sor Pli­nio Cor­rêa de Oli­vei­ra, daß „man kate­go­risch und ohne Angst vor Wider­sprü­chen sagen kann, daß die Erschei­nun­gen der Got­tes­mut­ter und des Frie­dens­en­gels in Fati­ma das wich­tig­ste und auf­re­gend­ste Ereig­nis des 20. Jahr­hun­derts sind“. Der­sel­be bra­si­lia­ni­sche Pro­fes­sor erin­ner­te im Vor­wort der von der Ver­ei­ni­gung Luci sul­l’Est geför­der­ten Aus­ga­be von 1991 mit dem Titel „Fati­ma: Bot­schaft der Tra­gö­die oder der Hoff­nung?“ dar­an, wie „die hei­li­ge Mut­ter­got­tes den Pro­ble­men Ruß­lands eine rele­van­te Bedeu­tung geben woll­te: Die Bestra­fung der Men­schen wird nur durch ihre Bekeh­rung ver­mie­den wer­den, durch die Wei­he Ruß­lands an das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens, durch die Süh­ne­kom­mu­ni­on der Gläu­bi­gen am ersten Sams­tag des Monats. (…) In Fati­ma hat die hei­li­ge Jung­frau ihren müt­ter­li­chen Blick auf die Welt und beson­ders auf Ruß­land gerich­tet und sei­ne Bekeh­rung nach schreck­li­chen Prü­fun­gen und Stra­fen für die Mensch­heit vor­aus­ge­se­hen“.

Ent­schei­den­de Pro­ble­me wie der der­zei­ti­ge Kon­flikt in der Ukrai­ne, der Ber­lus­co­ni so sehr zu schaf­fen mach­te, kön­nen nicht ohne die­se über­na­tür­li­che Per­spek­ti­ve gelöst wer­den, die der Schlüs­sel zur Deu­tung unse­rer Zeit ist. Die über­na­tür­li­che Per­spek­ti­ve hat das kul­tu­rel­le Enga­ge­ment von Dr. Borel­li gelei­tet, der als einer der aner­kann­te­sten „Fati­mo­lo­gen“ der Welt gilt. Sein Werk über Fati­ma hat eine Auf­la­ge von mehr als 4,5 Mil­lio­nen Exem­pla­ren erreicht, mit 230 Aus­ga­ben in zwan­zig Spra­chen. Die Tan­tie­men des Autors hät­ten ihn sehr reich machen kön­nen, aber Anto­nio Borel­li leb­te in fran­zis­ka­ni­scher Armut und folg­te der Metho­de des hei­li­gen Lou­is Gri­g­nion de Mont­fort zur Wei­he an Maria, bei der man sich von allen irdi­schen Gütern trennt. Sein Leben war offen­sicht­lich das eines gewis­sen­haf­ten Büro­kra­ten, aber sei­ne See­le war die eines Mysti­kers. Es war die „ordent­li­che Mystik“ eines Men­schen, der sein Leben in jedem Augen­blick sei­nes Tages auf die grö­ße­re Ehre Got­tes aus­rich­tet, um sei­ne Erfol­ge nicht in der Zeit, son­dern in der Ewig­keit zu ern­ten. Jeden Tag rezi­tier­te er den Psalm 50, der als Mise­re­re bekannt ist, und sei­ne Stim­me über­schlug sich vor Rüh­rung, wenn er die Wor­te „Cor cont­r­itum et humi­lia­tum, Deus, non despi­ci­es“ [Ein gebro­che­nes und ernied­rig­tes Herz wirst Du, Gott, nicht ver­ach­ten] wie­der­hol­te, mit denen wir unse­re Schwä­che der Macht und Barm­her­zig­keit Got­tes über­las­sen, der immer über unse­re Fein­de triumphiert.

Anto­nio Borel­li Macha­do starb eine Woche vor Sil­vio Ber­lus­co­ni, am ande­ren Ende der Welt. Ich kann­te sie bei­de. Ich emp­feh­le Ber­lus­co­nis See­le Gott und bit­te um Dr. Borel­lis Für­spra­che für all jene, die den Kampf, dem er sein Leben gewid­met hat, weiterführen.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017, und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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