
(Rom) Kardinal Camillo Ruini, unter Papst Johannes Paul II. Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, würdigte Silvio Berlusconi als einen Menschen „von großer Intelligenz und Großzügigkeit. Ich war einer seiner Freunde. Er hatte das Verdienst, 1994 die Machtübernahme der ehemaligen kommunistischen Partei zu verhindern“.
Italiens ehemaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist heute im Alter von 86 Jahren verstorben. Sein Gesundheitszustand war bereits seit mehreren Monaten stark angeschlagen. Im vergangenen Herbst war er erneut in den italienischen Senat gewählt worden.
Kardinal Ruini, der von 1991 bis 2007 in Vertretung des Papstes den Vorsitz in der Italienischen Bischofskonferenz führte und langjähriger Kardinalvikar in der Diözese Rom war, betonte in seinem persönlichen Nachruf, daß Berlusconi, der in Italien allgemein als „Cavaliere“ (Ritter) bekannt ist, „in der Außenpolitik sehr gut gearbeitet“ habe.
Der Kardinal, von dem gesagt wird, man habe seine Wahl im Konklave 2005 noch mehr gefürchtet als die von Joseph Ratzinger, kündigte an, morgen für Berlusconi ein Seelenamt zu feiern, „damit der Herr ihn in seiner Barmherzigkeit in seine ewige Fülle des Lebens aufnehme“.
Es sei keine Frage, so der Kardinal, daß Berlusconi sich „historische Verdienste um Italien“ erworben habe.
Berlusconi gehörte zu den erfolgreichsten Unternehmern Italiens. Vor allem baute er mit der Öffnung des Rundfunkbereichs für Privatsender ein Medienimperium auf, das ihm später auch politisch zugutekam. Bis zu seinem Einstieg in die Politik Ende 1993 verlief seine Karriere ruhig nach oben. Als die alten Regierungsparteien, allen voran die Christdemokraten, regelrecht implodierten, waren die Kommunisten, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks den Namen gewechselt hatten, siegessicher. Alle politischen Beobachter waren sich darin einig, daß die Parlamentswahlen 1994 erstmals die Kommunisten an die Macht bringen würden.
Da kündigte Berlusconi wenige Monate vor dem Urnengang an, eine bürgerliche Alternative zu schaffen, um die kommunistische Machtübernahme zu verhindern. Er schmiedete ein Bündnis und war am Wahlabend der strahlende Gewinner. Die Linke wurde von seinem Sieg so überrascht wie beim Wahlsieg von Donald Trump 2016. Und ebenso wurde es Berlusconi nie verziehen, den sicher geglaubten linken Wahlsieg verhindert zu haben.
Seit jenem Tag verging kein Moment in seinem Leben, an dem Berlusconi nicht von Staatsanwälten, „roten Roben“, wie Berlusconi sie nannte, vor Gericht gezerrt wurde. Manchmal hatte er bis zu zehn Verfahren gleichzeitig am Hals. Trotz des verbissenen Eifers verliefen die meisten im Sand. Zermürbend waren sie dennoch. Berlusconi war sicher kein Heiliger, das entschuldigt die systematischen Kriminalisierungsversuche nicht.
Erst im hohen Alter gelang seine Verurteilung und sein Ausschluß für fünf Jahre von öffentlichen Ämtern. 2013 wurde ihm sein Senatsmandat aberkannt. Als diese Frist abgelaufen war, kandidierte er im vergangenen Jahr wieder und zog als Vertreter seiner Partei Forza Italia in den Senat ein. An Sitzungen konnte er aber kaum mehr teilnehmen. Immer häufiger wurden seine Krankenhausaufenthalte.
Als der auf der politischen Linken „meistgehaßte“ und meistverfolgte Mann Italiens, von dem man als Teil der linken Diskreditierungsstrategie in anderen Ländern vor allem ein verzerrtes Bild präsentierte (wie es auch gegenüber Ronald Reagan und Donald Trump der Fall war und ist), man denke an die „Bunga-Bunga-Affäre“, die wie viele andere Anklagen mit einem Freispruch endete, wird Berlusconi nun ein Staatsbegräbnis erhalten.
Berlusconi bewegte sich fest im antikommunistischen und daher transatlantischen Netzwerk, bemühte sich jedoch eigeninitiativ und kreativ, soweit möglich, Spielräume zu schaffen, ohne auszubrechen, mit denen er seinem Land Perspektiven eröffnete. Dazu gehörte auch seine Freundschaft mit Wladimir Putin, an der er bis zu seinem Tod festhielt.
Berlusconi war 1994/1995, 2001–2006 und 2008–2011 italienischer Ministerpräsident. 2011 wurden vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama mit Hilfe der EU internationale Kredite als Druckmittel eingesetzt, um Berlusconi zum Rücktritt zu zwingen. Es folgten die Godman-Sachs- und EZB-Ministerpräsidenten Monti und Draghi, die Italien, ohne Mandat der Bürger, faktisch unter unternationale Aufsicht stellten. Von 1994 bis 2013 war er Kammerabgeordneter, danach Senator und mehrere Jahre auch EU-Abgeordneter. Legendär wurde seine Antwort auf einen Zwischenruf des längst in Vergessenheit geratenen SPD-Abgeordneten Martin Schulz, den er im EU-Parlament einen „Kapò“ nannte.
Kardinal Ruini sagte, „traurig zu sein über den Tod von Silvio Berlusconi. Ich war einer seiner Freunde“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vaticanmedia (Screenshot)