Die verhinderte Vorlesung von Papst Benedikt XVI. an der Universität La Sapienza

Heuchlerische Beileidsbekundung oder späte Einsicht?


Ein Schandfleck für die römische Universität La Sapienza bleibt die 2008 durch Linksradikale verhinderte Vorlesung von Papst Benedikt XVI.
Ein Schandfleck für die römische Universität La Sapienza bleibt die 2008 durch Linksradikale verhinderte Vorlesung von Papst Benedikt XVI.

(Rom) Eine fünf­zehn Jah­re zurück­lie­gen­de, aber offen­sicht­lich nicht ver­ges­se­ne Affä­re wur­de durch den Tod Bene­dikts XVI. wie­der ins Bewußt­sein gerückt. Anstoß sind die Bei­leids­be­kun­dun­gen der römi­schen Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za.

Anzei­ge

Anfang Novem­ber 2007 lud Prof. Rena­to Gua­ri­ni, der dama­li­ge Rek­tor der staat­li­chen römi­schen Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za, Papst Bene­dikt XVI. ein, die Inau­gu­ra­ti­ons­re­de für das neue aka­de­mi­sche Jahr zu hal­ten, die für den 17. Janu­ar 2008 geplant war.

Als sich die Nach­richt ver­brei­te­te, ver­öf­fent­lich­te die kom­mu­ni­sti­sche Tages­zei­tung Il Mani­festo am 14. Novem­ber 2007 einen Pro­test­brief von Mar­cel­lo Cini (1923–2012), damals bereits eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor der Phy­sik an der Sapi­en­za. Cini, ein über­zeug­ter Kom­mu­nist und laut Eigen­de­fi­ni­ti­on Mate­ria­list und Athe­ist, gehör­te 1970 zu den Grün­dern des Mani­festo. Die­se Tages­zei­tung war das Sprach­rohr von radi­ka­len lin­ken Abweich­lern der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens, die am revo­lu­tio­nä­ren Umsturz fest­hiel­ten, wäh­rend die Par­tei­füh­rung die Ver­wirk­li­chung des Sozia­lis­mus im Rah­men der par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tie durch Wah­len postulierte.

Am 23. Novem­ber folg­te ein an den Rek­tor gerich­te­tes Schrei­ben, das von 67 der ins­ge­samt 4.500 Pro­fes­so­ren der Uni­ver­si­tät unter­zeich­net wur­de und dem spä­ter wei­te­re 700 Pro­fes­so­ren und Wis­sen­schaft­ler folg­ten, die nur zum klei­nen Teil mit der Uni­ver­si­tät ver­bun­den waren.

Die offen­sicht­li­che ideo­lo­gi­sche Oppo­si­ti­on gegen die Anwe­sen­heit von Papst Bene­dikt XVI. stütz­te sich auf zwei Kri­tik­punk­te. Da war ein­mal ein angeb­li­cher Feh­ler in einer Rede von Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger über Gali­leo Gali­lei, die die­ser als dama­li­ger Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on am 15. Febru­ar 1990 an der­sel­ben Uni­ver­si­tät gehal­ten hat­te. Der behaup­te­te „Feh­ler“ stell­te sich dann als unbe­grün­det, sprich, (bös­wil­lig) kon­stru­iert her­aus. Zum ande­ren ging es um die Lec­tio magi­stra­lis „Glau­be, Ver­nunft und Uni­ver­si­tät“ von Papst Bene­dikt XVI. am 12. Sep­tem­ber 2006 an der Uni­ver­si­tät Regens­burg, die als „Regens­bur­ger Rede“ welt­be­rühmt wur­de und einen intel­lek­tu­el­len, aber auch pasto­ra­len Höhe­punkt sei­nes Pon­ti­fi­kats darstellte.

Die Regens­bur­ger Rede hielt dem Westen durch das Benen­nen der bei­den größ­ten Bedro­hun­gen, des Rela­ti­vis­mus und des Islam, mit sanf­ter Stim­me, aber intel­lek­tu­el­ler Schär­fe so uner­bitt­lich den Spie­gel vor, daß der links­li­be­ra­le Main­stream in Schnapp­at­mung nach Luft rang. Die dar­auf fol­gen­de ideo­lo­gisch moti­vier­te Empö­rung war enorm.

Im Pro­test gegen die Ein­la­dung von Bene­dikt XVI. an die Sapi­en­za kam es zur para­do­xen Gro­tes­ke, daß im Namen der Mei­nungs­frei­heit dem Papst die­se vor­ent­hal­ten wer­den soll­te. Die­se ver­kehr­te Logik kün­dig­te die inzwi­schen noch viel mas­si­ve­re Rea­li­täts­ver­wei­ge­rung an, mit der wir heu­te täg­lich kon­fron­tiert sind in einer Welt der vor­ab kon­stru­ier­ten Nar­ra­ti­ve abseits von Wahr­heit und Wirk­lich­keit. Es ging dem­nach in der Bekämp­fung der Bene­dikt-Rede nicht um Fak­ten, son­dern dar­um, ein Exem­pel zu sta­tu­ie­ren, und dar­um, den „per­ma­nen­ten Zorn“ der Lin­ken und ihren Drang zur Empö­rung zu befriedigen.

Es folg­te ein unglaub­li­ches media­les Trom­mel­feu­er, um die Teil­nah­me des Pap­stes an dem aka­de­mi­schen Fest­akt zu ver­hin­dern. Den Höhe­punkt bil­de­te die Beset­zung des Rek­to­rats und des Aka­de­mi­schen Senats durch Links­ra­di­ka­le, die aber – und das ist ent­schei­dend – aus den Redak­ti­ons­stu­ben, Par­tei­zim­mern und Salons der soge­nann­ten pro­gres­si­ven Welt bereit­wil­lig unter­stützt wurde.

Am 15. Janu­ar 2008 lehn­te der Hei­li­ge Stuhl, nach einem län­ge­ren Tau­zie­hen hin­ter den Kulis­sen, schließ­lich die Ein­la­dung offi­zi­ell ab. Das ent­sprach dem Wesen des fein­sin­ni­gen und sen­si­blen deut­schen Ober­hir­ten. Die Gewalt­tä­ter konn­ten tri­um­phie­ren, doch Sie­ger waren sie nicht. Bene­dikt ließ die Vor­le­sung, die er hal­ten woll­te, „aus dem Vati­kan“ ver­öf­fent­li­chen.

Der Hei­li­ge Stuhl ver­öf­fent­lich­te die durch bei­spiel­lo­se Feind­se­lig­keit ver­hin­der­te Inau­gu­ra­ti­ons­vor­le­sung an der römi­schen Uni­ver­si­tät La Sapienza

Ihr Inhalt war, durch den Kon­trast zu dem, was die empör­ten Geg­ner postu­liert hat­ten, eine ein­zi­ge intel­lek­tu­el­le, zutiefst beschä­men­de Ohr­fei­ge für sei­ne Kri­ti­ker, die sich aller­dings als taub und lern­un­wil­lig erwie­sen. Cini selbst ent­schul­dig­te sich auch spä­ter nie für sei­ne Aggres­si­on gegen Benedikt.

„Der Vor­fall wird unaus­lösch­lich als Schand­fleck in der jahr­hun­der­te­al­ten Geschich­te der größ­ten euro­päi­schen Uni­ver­si­tät ver­blei­ben“, so der tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Blog Mes­sa in lati­no.

Er ist ein bezeich­nen­des Bei­spiel, wie eine ent­schlos­se­ne radi­ka­le Min­der­heit ihren Wil­len dik­tie­ren kann, wenn die Mehr­heit, ob feig, ver­äng­stigt, oppor­tu­ni­stisch oder bil­li­gend schweigt.

Dies gilt umso mehr, da die Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za, die den Papst aus­sper­ren woll­te, auf die Grün­dung durch einen Papst und als päpst­li­che Uni­ver­si­tät zurück­geht. Ihre Errich­tung erfolg­te durch Boni­fa­ti­us VIII. im Jahr 1303 mit der päpst­li­chen Bul­le In supre­ma præminen­tia dignita­tis.

Nach der mili­tä­ri­schen Erobe­rung des Kir­chen­staa­tes durch die Trup­pen des neu­errich­te­ten König­reichs Ita­li­en im Jahr 1870 betä­tig­te sich der neue Staat als Räu­ber und ent­eig­ne­te die Kir­che ent­schä­di­gungs­los. Aus der päpst­li­chen Uni­ver­si­tät wur­de per Dekret eine staat­li­che. Der Besuch Bene­dikts wäre somit die Rück­kehr eines Pap­stes in eine einst päpst­li­che Insti­tu­ti­on gewe­sen. Wäh­rend die alten Uni­ver­si­täts­ge­bäu­de in der Alt­stadt erhal­ten blie­ben, schuf Mus­so­li­nis Star­ar­chi­tekt Mar­cel­lo Pia­cen­ti­ni 1935 im monu­men­ta­len, nüch­tern kal­ten Stil des Tota­li­ta­ris­mus, der allen tota­li­tä­ren Regi­men jener Zeit als genui­ner Aus­druck ihres Selbst­ver­ständ­nis­ses eigen war, den neu­en Haupt­sitz der Uni­ver­si­tät, die soge­nann­te Uni­ver­si­täts­stadt nörd­lich des Hauptbahnhofs.

Umso über­ra­schen­der ist die zuerst auf Insta­gram, dann auch auf Face­book ver­öf­fent­lich­te „tie­fe Bei­leids­be­kun­dung“ der Uni­ver­si­tät, „deren Wor­te ange­sichts der zusam­men­fas­send in Erin­ne­rung geru­fe­nen Fak­ten die Kon­tu­ren ech­ter Heu­che­lei anneh­men“, so Mes­sa in lati­no und kri­ti­sier­te mit einem Sprich­wort die dama­li­ge Feig­heit der Universitätsgremien:

Un bel tacer non fu mai scritto.
Ein schö­nes Schwei­gen wur­de nie geschrieben.

Der Schand­fleck ist nicht ver­ges­sen, wie die zahl­rei­chen Kom­men­ta­re zu den Bei­leids­ver­öf­fent­li­chun­gen auf den genann­ten sozia­len Netz­wer­ken zei­gen, die eine fast ein­hel­li­ge Ver­ur­tei­lung zum Aus­druck bringen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Chie­sa e postconcilio/Vatican.va (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!