Der ehemalige Rektor des weltbekannten Marienheiligtums von Fatima übt scharfe Kritik an der derzeitigen Leitung und Ausrichtung des Heiligtums. Die heutigen Verantwortlichen antworten auf die Kritik. In diesem „Kampf unter Gefährten“ wird so manche Wahrheit bekannt.
Monsignore Luciano Guerra, ehemaliger Rektor des Heiligtums von Fatima, äußerte gestern in großer Aufmachung von der Titelseite der Wochenzeitung Jornal de Leiria mehrere Kritikpunkte an der derzeitigen Leitung des Heiligtums. Er mahnte die Notwendigkeit „einer enormen Anstrengung zur Reinigung des Heiligtums“ an, „in dem Sinne, daß es den Pilgern zurückgegeben werden sollte“.
Guerra, heute 90 Jahre alt, war 35 Jahre lang Rektor des Heiligtums. Von 1973 bis 2008 leitete er einen der bekanntesten Wallfahrtsorte der Welt. In einem Interview mit der Wochenzeitung beklagte er, daß in seiner Amtszeit die „Priorität“ bei den „Pilgern im allgemeinen lag, insbesondere aber jenen, die man als arm bezeichnen kann, die menschliche Klassifizierung, die am besten zu den Kindern Gottes paßt“. Heute sei die Situation anders.
„Im aktuellen Programm des Heiligtums sind die Intellektuellen das Hauptziel“ und „die totale Hingabe an die Intellektuellen läßt keinen Raum für die Hingabe an die Armen.“ Es würden „die Intellektuellen und die Kunst überwiegen. Auf einer zweiten Ebene ist die große Masse der Pilger, einfache, arme und demütige Menschen, Menschen, die die Gottesmutter einlädt, nach Fatima zu kommen“.
„Es gab eine großartige Feier zum hundertsten Jahrestag [der Erscheinungen 2017]. Es gab eine Menge Musik und andere künstlerische Darbietungen. Es gibt auch heute noch wunderbare Ausstellungen, aber sie sind meiner Meinung nach zu teuer und ihre pastoralen Ergebnisse sind weniger offensichtlich. Der Pilger, der nach Fatima kommt, braucht nur eine Atmosphäre des Gebets.“
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die angeblich hohen Gehälter, die im Heiligtum gezahlt werden: „Ein Priester ist ein Priester“, so Msgr. Guerra. „Er ist in keiner Weise mit einem Manager eines Unternehmens zu vergleichen, auch wenn die Laien, die der Priester leitet, ein höheres Gehalt erhalten“.
Der ehemalige Rektor bedauerte auch die Art und Weise, in der in den vergangenen Jahren einige Mitarbeiter des Heiligtums aufgenommen oder entlassen wurden.
Einige Mitarbeiter seien „praktisch vertrieben worden“, anderen habe das Heiligtum „hohe Entschädigungen zahlen“ müssen, wieder andere seien gegangen und hätten geschwiegen „aus Angst vor Repressalien“. „Fast plötzlich wurden mehr als 130 neue Mitarbeiter eingestellt“ auf insgesamt 210 Mitarbeiter.
Die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa ersuchte das Fatima-Heiligtum um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen, die auch prompt erfolgte. Die derzeitige Leitung unter Msgr. Carlos Cabecinhas wies die Kritik einer „Intellektualisierung“ des Ortes zurück. Cabecinhas ist Priester der Diözese Fatima-Leiria wie Guerra und alle Rektoren vor ihnen.
In der Erklärung wurde daran erinnert, daß es Msgr. Luciano Guerra gewesen sei, der „die internationalen Kongresse initiiert hat, die in der Cova da Iria eine große Anzahl zeitgenössischer Theologen und Denker zusammengeführt haben“. Die nun geäußerte Kritik „offenbare einen großen Widerspruch zwischen der Kühnheit des damaligen Rektors (…) und der ‚Intellektualisierung‘ dieses Ortes durch den ehemaligen Rektor Luciano Guerra“.
Msgr. Guerra habe in den 35 Jahren seines Rektorats „einer Investitionspolitik Gestalt gegeben, die vor allem in der Errichtung großer Festräume bestand, die heute mit dem gleichen Engagement verwaltet und erhalten werden müssen, mit dem sie gebaut wurden, trotz der damaligen und heutigen Kritik, daß dies einen großen Teil der Haushaltsmittel verschlingt“. Dies geschehe, „um die Pilger aufzunehmen und ihnen eine echte Atmosphäre des Gebets zu bieten“.
„Die Verwaltung steht immer im Dienst der pastoralen Mission des Heiligtums. In Treue zu diesem Auftrag und zum Evangelium sucht das Heiligtum stets nach Strategien für ein effizienteres Handeln und die Optimierung seiner Ressourcen, ohne dabei jemals den Empfang der Pilger, die Achtung vor der Bestimmung der gespendeten Güter und die Unterstützung der Ärmsten und Schwächsten zu beeinträchtigen. So war es bisher und so wird es auch in Zukunft sein.“
Das Heiligtum versicherte zudem, daß „es nie eine Verpflichtung verletzt hat, vor allem nicht gegenüber seinen Mitarbeitern: Es hat keinen Mitarbeiter entlassen oder zum Weggang gezwungen. Es hat lediglich sein Personal an die pastoralen Bedürfnisse angepaßt, die sich aus einem neuen Kontext ergaben, der eine sehr deutliche Verringerung der Aktivitäten des Heiligtums im Jahr 2020 erzwang, die sich 2021 fortsetzte, und das [Personal] glücklicherweise in diesem Jahr 2022 wieder aufgenommen wurde.“
Im März 2021 wurde das Fatima-Heiligtum vom Rücktritt des damaligen Vize-Rektors Vitor Coutinho überschattet. Der 1991 zum Priester geweihte Coutinho machte eine steile Karriere. Unter dem jetzigen, seit 2011 amtierenden Rektor des Heiligtums wurde Coutinho 2014 zum Vize-Rektor bestellt. Er war 2017 der Koordinator der Kommission zur Ausrichtung der Hundertjahrfeiern der Marienerscheinungen von Fatima, Sekretär von Kardinal Antonio Marto, dem Bischof von Fatima-Leiria, den Papst Franziskus in den Kardinalsrang erhoben hatte, Kanzler der Diözese, Stiftungsrat der Fundação Francisco e Jacinta Marto und Mitglied von Ethikkommissionen. An der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster hatte Coutinho in Theologischer Ethik promoviert.
2020 ließ er sich von ersten Ämtern entbinden und 2021 auch vom Zölibat und seinem Priestertum.
Unter Rektor Guerra wurde die Basilika der Heiligen Dreifaltigkeit von Fatima errichtet. Guerra betrieb deren Errichtung seit 1973. 1996 konnte die Umsetzung beginnen, 1997 folgte ein Architekturwettbewerb, von 2004 bis 2007 wurde die neue Kirche gebaut, die wie fast alle großen Kirchenbauprojekte der jüngsten Zeit, Kirchenbänke ohne Kniebänke erhielt und unter anderem vom Jesuitenkünstler Marko Ivan Rupnik ausgestaltet wurde, der wegen Machtmißbrauchs auch im Zusammenhang mit der Sexualität exkommuniziert wurde, wie kürzlich bekannt wurde.
Handelt es sich beim Schlagabtausch zwischen dem ehemaligen Rektor Luciano Guerra und dem amtierenden Rektor Carlos Cabecinhas um einen Konflikt unter Verwaltern und Managern? Kritiker werfen beiden Rektoren vor, die geistliche Dynamik von Fatima im Zusammenhang mit dem dreiteiligen „Geheimnis von Fatima“ eingehegt und abgewürgt zu haben. Fatima sei domestiziert worden. Eine aktuelle Bedeutung des Dritten Geheimnisses werde als „religiöse Überspanntheit“ abgetan, als würde ein reales übernatürliches Eingreifen Gottes in die Geschichte stören.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Jornal de Leiria (Screenshot)/Wikicommons
Der neue fatima Bau ein steriler Hallenbau ?
Nein eher ein Freimaurertempel.