Papst Franziskus: „Mit China habe ich den Weg des Dialogs gewählt“

Casaroli und Johannes XXIII. waren "die Großen".


Heute vor einer Woche führten Vertreter der US-amerikanischen Jesuitenzeitschrift America ein Interview mit Papst Franziskus. Gestern wurde es veröffentlicht. Dabei ging es auch um die Beziehungen zur Volksrepublik China.
Heute vor einer Woche führten Vertreter der US-amerikanischen Jesuitenzeitschrift America ein Interview mit Papst Franziskus. Gestern wurde es veröffentlicht. Dabei ging es auch um die Beziehungen zur Volksrepublik China.

(Rom) Die US-ame­ri­ka­ni­sche Jesui­ten­zeit­schrift Ame­ri­ca ver­öf­fent­lich­te gestern ein aus­führ­li­ches Inter­view mit Fran­zis­kus. Das Inter­view wur­de am 22. Novem­ber auf spa­nisch geführt, also noch vor der Ein­set­zung des bis­he­ri­gen Unter­grund­bi­schofs Johan­nes Peng Weiz­hao als Weih­bi­schof von „Jian­gxi“. Der Vati­kan bezeich­ne­te die Ein­set­zung am ver­gan­ge­nen Sams­tag als Ver­stoß gegen das Geheim­ab­kom­men über die Ernen­nung von Bischö­fen zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und dem kom­mu­ni­sti­schen Regime der Volks­re­pu­blik China.

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Das Inter­view wur­de von meh­re­ren Redak­teu­ren von Ame­ri­ca geführt. Die Fra­ge zur Volks­re­pu­blik Chi­na wur­de von Gerard O’Connell gestellt, dem Vati­kan­kor­re­spon­den­ten von Ame­ri­ca und Ehe­mann der Vati­ka­ni­stin von La Nación und Papst-Freun­din Eli­sa­bet­ta Piqué. Redak­ti­ons­mit­glied von Ame­ri­ca ist der homo­phi­le Jesu­it und Berg­o­glia­ner P. James Mar­tin, der an dem Inter­view aber nicht betei­ligt war. Nach­fol­gend der Chi­na betref­fen­de Teil:

Gerard O’Con­nell: Apro­pos Kom­mu­nis­mus: Sie wur­den in bezug auf Chi­na kri­ti­siert. Sie haben mit Chi­na ein Abkom­men über die Ernen­nung von Bischö­fen unter­zeich­net. Eini­ge und Sie selbst haben gesagt, daß es kein groß­ar­ti­ges Ergeb­nis ist, aber es ist ein Ergeb­nis. Eini­ge in der Kir­che und in der Poli­tik sagen, daß Sie einen hohen Preis dafür zah­len, daß Sie zu den Men­schen­rech­ten schweigen.

Papst Fran­zis­kus: Es ist kei­ne Fra­ge von Reden oder Schwei­gen. Das ist nicht die Rea­li­tät. In Wirk­lich­keit geht es um Dia­log oder Nicht-Dia­log. Und man führt so vie­le Dia­lo­ge wie mög­lich. Für mich ist Erz­bi­schof Casaro­li das größ­te Vor­bild der heu­ti­gen Zeit in der Kir­che. Es gibt ein Buch über sei­ne Arbeit in Ost­eu­ro­pa mit dem Titel „Das Mar­ty­ri­um der Geduld“1. Die Päp­ste Paul VI. und Johan­nes XXIII. schick­ten ihn in Län­der in halb Euro­pa, um wäh­rend des Kom­mu­nis­mus im Kal­ten Krieg zu ver­su­chen, wie­der Bezie­hun­gen her­zu­stel­len. Und die­ser Mann führ­te einen Dia­log mit den Regie­run­gen, lang­sam, und tat, was er konn­te, und lang­sam konn­te die katho­li­sche Hier­ar­chie in die­sen Län­dern wie­der­her­ge­stellt wer­den. Zum Bei­spiel, ich den­ke an einen Fall, konn­ten sie nicht immer den Besten zum Erz­bi­schof der Haupt­stadt machen, son­dern den, der nach Ansicht der Regie­rung mög­lich war. Der Dia­log ist der Weg der besten Diplo­ma­tie. Mit Chi­na habe ich den Weg des Dia­logs gewählt. Er ist lang­sam, er hat sei­ne Feh­ler, er hat sei­ne Erfol­ge, aber ich kann kei­nen ande­ren Weg fin­den. Und ich möch­te beto­nen: Das chi­ne­si­sche Volk ist ein Volk von gro­ßer Weis­heit, das mei­nen Respekt und mei­ne Bewun­de­rung ver­dient, cha­peau. Und des­halb ver­su­che ich den Dia­log zu füh­ren, denn es geht nicht dar­um, daß wir die Men­schen erobern, nein, es gibt dort Chri­sten, wir müs­sen uns um sie küm­mern, damit sie gute Chi­ne­sen und gute Chri­sten sind. Der Dia­log öff­net immer Türen, immer. Ein sehr schö­nes Bei­spiel dafür, wie die Kir­che auch die­ses Apo­sto­lat aus­übt, ist die Anek­do­te, als Casaro­li das letz­te Mal Johan­nes XXIII. besuch­te und ihm über den Stand der Ver­hand­lun­gen in die­sen Län­dern berich­te­te. An den Wochen­en­den ging Casaro­li in ein Jugend­ge­fäng­nis in Casal del Mar­mo, um die Kin­der zu besu­chen. In der Audi­enz mit Johan­nes XXIII. spra­chen sie also über das Pro­blem eines bestimm­ten Lan­des, die­ses Lan­des und jenes Lan­des. So muß­ten schwie­ri­ge Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den, um Minds­zen­ty, der in der US-Bot­schaft in Buda­pest war, nach Rom zu holen. Das war ein Pro­blem, eine sehr schwie­ri­ge Ent­schei­dung, aber Casaro­li hat sie vor­be­rei­tet. Und als er gera­de gehen woll­te, frag­te ihn Johan­nes XXIII.: „Emi­nenz, eine Klei­nig­keit, gehen Sie noch an den Wochen­en­den in die­ses Insti­tut für Min­der­jäh­ri­ge?“ „Ja“. „Rich­ten Sie ihnen mei­ne Grü­ße aus und las­sen Sie sie nicht allein.“ In den Her­zen die­ser gro­ßen Män­ner war es genau­so wich­tig, die Bezie­hun­gen zu Prag, Buda­pest oder Wien wie­der­her­zu­stel­len, wie in ein Jugend­ge­fäng­nis zu gehen, um die Jugend­li­chen zu betreu­en. Das sind die Gro­ßen. Das zeigt sie mit ihrem wah­ren Gesicht.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Ame­ri­ca (Screen­shot)


1 Ago­sti­no Casaro­li: Il mar­ti­rio del­la pazi­en­za. La San­ta Sede e i paesi comu­ni­sti (1963–1989), hrsg. von C. F. Casula/​G. M. Vian, Ein­au­di, Turin 2020. Die Publi­ka­ti­on befaßt sich mit den Bezie­hun­gen des Hei­li­gen Stuhls mit den kom­mu­ni­sti­schen Staa­ten in der Zeit, die von Kar­di­nal Casaro­li mit­ge­prägt wurde.

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