Das kommunistische Regime in China baut eine allumfassende Datenbank auf, um jeden einzelnen Bürger seiner 1,4 Milliarden Einwohner zu erfassen und zu überwachen. Und zwar, dank 5G, viel schneller, mit viel mehr Daten und mit viel invasiverer Technik als bisher bekannt. Das ist das schockierende Ergebnis der einjährigen Recherche von Journalisten der New York Times, die mehr als 100.000 Handelsverträge analysierten, die von den Regierungen der 31 chinesischen Provinzen zur Vergabe von Überwachungsaufträgen an Dutzende von hochspezialisierten und in engem Zusammenhang mit dem Regime stehenden Unternehmen abgeschlossen wurden. Die von ChinaFile gesammelten und der US-Zeitung zur Verfügung gestellten Dokumente werfen ein erschreckend beunruhigendes neues Licht auf den chinesischen Überwachungsstaat, dessen oberstes Ziel die „Kontrolle der gesamten Bevölkerung“ ist.
Eine halbe Milliarde Kameras in China
Das wichtigste Instrument, das China zur Überwachung seiner Bürger einsetzt, sind Überwachungskameras. Analysten zufolge befindet sich mehr als die Hälfte der weltweit eine Milliarde Überwachungskameras in dem von Xi Jinping geführten Land. Die Kameras, die größtenteils mit Gesichtserkennungstechnologie ausgestattet sind, werden auf systematische, auf Künstlicher Intelligenz basierender Weise an den belebtesten Orten installiert: von den Einkaufsstraßen bis zu den wichtigsten Supermärkten, von den Zentren mit den belebtesten Restaurants bis zu den wichtigsten Treffpunkten, von den Bahnhöfen bis zu den Flughäfen. Das angestrebte Ziel ist die möglichst lückenlose Überwachung der Mobilität der eigenen Bürger und aller Menschen, die sich im Land aufhalten. Überwachung bedeutet bei Bedarf auch Kontrolle und Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
Die Regierung installiert die Kameras nicht nur im Freien, sondern auch in Gebäuden. In einem Dokument der Stadtpolizei von Fuzhou wird der Antrag auf Anbringung von Objektiven in den Lobbys der amerikanischen Hotelmarken Days Inn, Sheraton und Marriott International detailliert beschrieben. Die Kameras sind in der Lage, nicht nur die Gesichter der Personen zu erkennen und aufzuzeichnen, sondern auch Geschlecht, Rasse und Kleidung. Nach Angaben der Polizei der Provinz Fujian sind dort bereits 2,5 Milliarden Gesichtsbilder gespeichert und können in Echtzeit abgeglichen werden. Und dies gilt nur für eine der 31 Provinzen Chinas. Die Datenbank wird täglich automatisiert ausgebaut.
Das ist noch nicht alles. Aus den Verträgen geht hervor, daß in allen Provinzen des Landes „Wi-Fi-Sniffer“ und „Imsi-Catcher“ eingesetzt werden, um persönliche Daten von allen Mobiltelefonen in Signalreichweite zu stehlen. Dabei handelt es sich um Software, die überall eingesetzt wird und nicht nur jederzeit feststellen kann, wo sich der Besitzer des Telefons befindet, sondern ihn auch identifizieren kann.
Außerdem können sie den Umstand ausnutzen, daß Smartphones im Vergleich zur bereits zur Verfügung stehenden Überwachungstechnik nur mit geringem Schutz ausgestattet sind, um die installierten Apps zu identifizieren und so die Interessen und Gewohnheiten ihrer Besitzer aufzuzeichnen. Laut einem von der Polizei eines Bezirks in Guangdong unterzeichneten Vertrag ist es zum Beispiel das ausdrückliche Ziel, jene zu identifizieren, die eine App heruntergeladen haben, die aus dem Chinesischen ins Uigurische und umgekehrt übersetzt. Die Uiguren, eine turksprachige und islamische Minderheit im Westen des Landes, werden vom Regime in Peking wegen separatistischer Bestrebungen bekämpft. Seit 2017 hat China mindestens 1,5 Millionen Uiguren verhaftet und in Umerziehungslagern interniert, wo sie einer Gehirnwäsche und Zwangsarbeit unterzogen werden.
Ständig aktualisierte Überwachung
Da sich das Gesicht einer Person im Laufe der Zeit verändern kann, hat das kommunistische Regime begonnen, spezifischere biometrische Daten über jede Person zu sammeln, wie DNA, Iris und Stimme. Letztere werden von speziellen Aufzeichnungsgeräten erfaßt, mit denen die neuen Generationen von Überwachungskameras ausgestattet sind und die in einer Entfernung von bis zu 100 Metern arbeiten.
In Henan wurde 2014 ein Pilotprojekt zur Speicherung der Iris und der DNA von Chinesen in einer einzigen gigantischen Datenbank gestartet. Nach nur acht Jahren sind ähnliche Projekte in 25 von 31 Provinzen entwickelt worden.
Chinas digitaler Totalitarismus
Das ultimative Ziel dieser enormen Überwachungsanstrengungen ist der Aufbau einer zentralen landesweiten Datenbank, die das Leben jedes einzelnen Bürgers Chinas, von seiner Geburt bis zu seinem Tod, enthält und jeden Bürger im Land zu jedem Zeitpunkt und bis ins kleinste Detail identifizierbar macht. Wie aus einem Vertrag des Ministeriums für öffentliche Sicherheit hervorgeht, ist die riesige Menge an gesammelten Daten noch nicht zentralisiert, sondern auf die verschiedenen Provinzen verteilt. Der nächste angestrebte Schritt ist also die Errichtung der größten Überwachungsdatenbank der Welt.
Nimmt man noch die enorme Macht hinzu, die sich die Behörden während der Covid-19-Pseudopandemie angeeignet haben, um die Bewegungen der Bürger dank des „Gesundheits-QR-Codes“ zu kontrollieren und zu blockieren, versteht man, warum die Volksrepublik China nicht erst auf dem Weg, sondern bereits zu einem digitalen Totalitarismus geworden ist.
Der Schock über die Fortschritte bei der Knechtung im fernen China sollte nicht blauäugig werden lassen und den Blick auf die Gefahren des digitalen Totalitarismus bei uns verstellen. Die Enthüllungen der New York Times sind auch unter dem Blickwinkel des Konkurrenzkampfes zwischen den USA und der Volksrepublik China zu sehen. Das technisch Machbare wird angestrebt, da sollte man sich keinen Illusionen hingeben, weder in China noch im Westen. Die Corona-Monate haben gezeigt, wie schnell Undenkbares möglich wird. Die Versuchung ist groß. Umso notwendiger ist die Stärkung der Gewaltenteilung und der Machtkontrolle. Genau hier zeigten sich die größten Defizite in der Corona-Krise (in den Parlamenten, der Justiz und den Medien).
Das Beispiel China sollte rechtzeitig aufrütteln und abschrecken.
Text: Giuseppe Nardi
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