Die aktuelle Glaubenskrise der Kirche hat ihren Grund in der neuen Messe


Am Ersten Adventsonntag 1969 trat die nachkonziliare Liturgiereform von Papst Paul VI. in Kraft. Ein Kontrastpunkt: Messe des heiligen Gregor, unbekannter Meister, um 1440.
Am Ersten Adventsonntag 1969 trat die nachkonziliare Liturgiereform von Papst Paul VI. in Kraft. Ein Kontrastpunkt: Messe des heiligen Gregor, unbekannter Meister, um 1440.

Eine Ana­ly­se von Don Micha­el Gurtner*

Anzei­ge

Der­zeit arbei­tet die moder­ne Kir­che dar­an, ihre inne­re Ver­fas­sung zu ändern und sich selbst und durch eige­ne Initia­ti­ve von einer hier­ar­chi­schen Kir­che, wie sie von Gott gewollt und ein­ge­setzt wur­de, zu einer syn­oda­len, und daher mensch­lich kon­stru­ier­ten Kir­che zu machen. In der einen und ein­zi­gen Kir­che Jesu Chri­sti, wel­che die katho­li­sche Kir­che ist, ist seit Jahr­zehn­ten ein Pro­zeß der suk­zes­si­ven Los­lö­sung von der gött­li­chen Offen­ba­rung und von Chri­stus selbst im Gan­ge: Es ist somit ein Pro­zeß der Selbst­zer­stö­rung. Die Kir­che ist der­zeit dabei, sich von innen her selbst zu zer­flei­schen. Lei­der ist die Fra­ge mitt­ler­wei­le sehr berech­tigt, wie katho­lisch die katho­li­sche Kir­che noch ist. Ist sie wirk­lich noch so, wie sie von Chri­stus gedacht und gewollt ist? 

Zwar ist klar, daß die katho­li­sche Kir­che mit der von Jesus Chri­stus ein­ge­setz­ten Kir­che iden­tisch ist. Man kann sozu­sa­gen auf die katho­li­sche Kir­che zei­gen und sagen: „Das ist die eine und ein­zi­ge Kir­che, die Jesus Chri­stus ein­ge­setzt hat“. Etwas ganz ande­res hin­ge­gen ist die Fra­ge, ob das, was all­ge­mein von den irdi­schen Hier­ar­chen die­ser einen und ein­zi­gen Kir­che Jesu Chri­sti zu einem bestimm­ten Zeit­punkt getan, gelehrt, ent­schie­den oder geglaubt wird, dem ent­spricht, was Chri­stus gewollt hat. Man darf nicht den fata­len Fehl­schluß bege­hen und mei­nen, alles, was die Kir­che in ihren sicht­ba­ren Orga­nen sagt, ent­sprä­che auch auto­ma­tisch der Leh­re und dem Wil­len Jesu Chri­sti. Nicht alles, was die Kir­che sagt und tut, ist auto­ma­tisch schon dem gött­li­chen Wil­len ent­spre­chend: In ihr ist sehr wohl auch das Poten­ti­al gele­gen, in Wort und Tat gegen die Offen­ba­rung Got­tes zu agie­ren. Man nennt dies Irr­tum, wenn es aus unver­schul­de­ter Unkennt­nis her­aus geschieht, und Sün­de, wenn es wil­lent­lich und bewußt geschieht. Als Hilfs­vor­stel­lung kann man sich eine dop­pel­te Scha­blo­ne vor­stel­len. Ein Teil steht für die über­na­tür­li­che Kir­che, der ande­re für die natür­li­che. Die Form der Scha­blo­ne der über­na­tür­li­chen Kir­che ist form­ge­bend. Die Scha­blo­ne der natür­li­chen Kir­che ist form­neh­mend und muß zur Kon­gru­enz, d. h. zur Deckungs­gleich­heit gebracht wer­den. Sind bei­de For­men über­ein­stim­mend, ist alles in Ord­nung. Wei­chen bei­de For­men jedoch an gewis­sen Stel­len von­ein­an­der ab, so ist etwas aus dem Ruder gelau­fen und muß drin­gend kor­ri­giert, d. h. je nach­dem ent­fernt oder ergänzt wer­den, bis die gefor­der­te Deckungs­gleich­heit wie­der her­ge­stellt ist.

Da der inner­ste Kern der Kir­che die Lit­ur­gie, spe­zi­ell die Dar­brin­gung des eucha­ri­sti­schen Opfers ist, das im Zen­trum ihres Seins und Han­delns steht, muß die ana­ly­ti­sche Fra­ge auch nach der Hei­li­gen Mes­se gestellt wer­den: Wel­che Rol­le spielt die Lit­ur­gie­re­form gene­rell, spe­zi­ell die neue Mes­se in der Ent­wick­lung bis zu dem Punkt, den wir heu­te sehen: die Zer­set­zung der Kir­che von innen her?

Was meint die „neue Messe“?

Gleich zu Beginn einer Über­le­gung sol­cher­art sto­ßen wir auf ein erstes Grund­pro­blem: Wäh­rend für jeder­mann voll­kom­men klar und ein­deu­tig ist, wovon man spricht, wenn man von der Zele­bra­ti­on der „alten Mes­se“ han­delt, so ist dies bei der „neu­en Mes­se“ nicht der Fall. Hier muß man zuerst ein­mal abklä­ren, von wel­cher Art von „neu­er Mes­se“ man über­haupt spricht. Denn selbst wenn man sich nur inner­halb aller vom Mis­sa­le vor­ge­se­he­nen Mög­lich­kei­ten bewegt, reicht die Band­brei­te von einem latei­ni­schen Hoch­amt mit Weih­rauch, Barock­ka­sel und Hoch­al­tar bis zu einer Mes­se im Sitz­kreis mit grau­er Albe, Gitar­re, „Schwei­zer Hoch­ge­bet“ und modern-skur­ri­ler Aus­stat­tung von Kelch und Sto­la. Rein äußer­lich haben bei­de Mes­sen kaum etwas gemein, und doch wer­den sie nach dem­sel­ben Meß­buch von Paul VI. gele­sen, ohne des­sen Opti­ons­mög­lich­kei­ten zu verlassen.

Wenn man dann noch die Mes­sen hin­zu­nimmt, so wie sie tat­säch­lich in den Pfar­rei­en gehal­ten wer­den, näm­lich mit rei­hen­wei­se „lit­ur­gi­schen Aus­schrei­tun­gen“, d. h. wo man über die vom neu­en Meß­buch vor­ge­se­he­nen Mög­lich­kei­ten (teils sehr weit) hin­aus­geht, drif­tet das Gan­ze noch wei­ter aus­ein­an­der. Die­se „lit­ur­gi­schen Aus­schrei­tun­gen“, wenn man sie so nen­nen möch­te, sind an der Tages­ord­nung und schon lan­ge nicht mehr auf den rebel­li­schen drit­ten Hilfs­ka­plan beschränkt, der dabei gegen den Wil­len von Pfar­rer und Bischof agiert. Im Gegen­teil: Sol­che lit­ur­gi­schen Aus­schrei­tun­gen wer­den längst auch von hoch­ran­gi­gen Kle­ri­kern began­gen: Nicht nur die Pfarr­her­ren oder irgend­wel­che Kaplä­ne tre­ten hier nega­tiv in Erschei­nung, son­dern auch Bischofs­vi­ka­re, Gene­ral­vi­ka­re, Bischö­fe und Kar­di­nä­le. Das Inter­net ist voll von ent­spre­chen­den Berich­ten mit Bild­do­ku­men­ten, und bei wei­tem nicht alle der­ar­ti­gen Mes­sen sind doku­men­tiert. Man fin­det alles, vom sizi­lia­ni­schen Erz­bi­schof, der mit Meß­ge­wand und Mitra in sei­ner Kathe­dra­le eine Run­de mit dem Fahr­rad fährt, über einen deut­schen Bischof, der mit Kar­ne­vals­schmin­ke und Barock­ka­sel am Altar steht, bis hin zu einem Wie­ner Kar­di­nal, der wäh­rend einer Mes­se bei Dis­ko­be­leuch­tung mit Luft­bal­lo­nen han­tiert. Auch in den moder­nen Prie­ster­se­mi­na­ren (deren häß­lich­ster Raum meist die Semi­nar­ka­pel­le ist, die das gesam­mel­te, from­me Gebet erschwert, wenn nicht gar ver­un­mög­licht, und die beim Betre­ten ein selt­sa­mes Unbe­ha­gen oder gar Wider­stand her­vor­ruft) wird die Lit­ur­gie oft­mals als eine Art „Labor­si­tua­ti­on“ beschrie­ben, mit der man expe­ri­men­tie­ren kann und soll. Ein Ver­ständ­nis von Sakra­li­tät wird nicht unbe­dingt ver­mit­telt in der Prie­ster­aus­bil­dung. Des­halb ist es auch nicht ver­wun­der­lich, wenn man­che Prie­ster nichts mehr dabei fin­den, im Meer ste­hend auf einer Luft­ma­trat­ze, die als Altar dient, „Mes­se zu fei­ern“, oder ande­re Prie­ster im Wald am Boden auf einem Tuch als Altar in T‑Shirt und kur­zen Hosen sel­bi­ges tun. Die neue Mes­se wird eben als Gemein­schafts­mahl auf­ge­faßt und nicht mehr als erha­be­nes, sakra­les Opfer Jesu Chri­sti. Alles Kul­ti­sche hat man im neu­en Ver­ständ­nis von Lit­ur­gie, so wie es durch die Lit­ur­gie­re­form selbst geför­dert und gefor­dert wird, zu rein Kul­tu­rel­lem und Sozio­lo­gi­schem degradiert.

Doch selbst wenn man zuge­steht, daß die­se extre­men Bei­spie­le, auch wenn sie von Kar­di­nä­len und Bischö­fen began­gen wer­den, sich nicht direkt auf die Lit­ur­gie­re­form beru­fen kön­nen (indi­rekt jedoch sehr wohl!): Die Band­brei­te in der Form der Zele­bra­ti­on der Mes­se im neu­en Ritus ist selbst inner­halb des Rah­mens, den die offi­zi­el­len Nor­men stecken und zulas­sen, enorm, und es ist schwer ein­zu­se­hen, daß alle die­se so diver­gie­ren­den For­men Aus­druck des­sel­ben Glau­bens sein sol­len – das bereits durch die gro­ßen Unter­schie­de der mög­li­chen Tex­te, eben­so durch die ritu­el­len Voll­zü­ge. Das ist ein erstes (und ern­stes) Pro­blem, das uns bereits in die nach­fol­gen­den Schwie­rig­kei­ten, auf die wir gleich sto­ßen wer­den, hineinführt.

Die neue Messe ist gültig, aber mehrdeutig

Allein schon dadurch ver­liert die Mes­se und der mit ihr ver­bun­de­ne Glau­be die not­wen­di­ge Klar­heit und Ein­deu­tig­keit. Ja es ent­steht in den Gläu­bi­gen zwangs­läu­fig der Ein­druck, es gäbe die­se erst gar nicht, alles sei unde­fi­niert, unklar, und letzt­lich sei es auch gar nicht all­zu wich­tig, was geglaubt wer­de, son­dern allein, daß über­haupt etwas geglaubt wird – egal was (mit der ein­zi­gen Ein­schrän­kung: Es darf nicht „vor­kon­zi­li­ar“ sein). Wenn es von der Kir­che selbst vor­ge­se­hen ist, daß die Zele­bra­ti­on des Opfers einer sehr weit gestreu­ten Aus­wahl­mög­lich­keit selbst in zen­tral­sten Tei­len und somit zwangs­wei­se per­sön­li­chen Ent­schei­dun­gen und damit auch Vor­lie­ben unter­liegt, weil die­se eine Situa­ti­on geschaf­fen hat, in der es kei­ne ein­deu­ti­ge Lit­ur­gie mehr gibt, dann muß dies logi­scher­wei­se auch für den Glau­ben gel­ten, wel­cher der Lit­ur­gie zugrun­de liegt und selbst wie­der­um durch die­se begün­stigt wird. Das för­dert aber kein Über­zeugt­sein und somit kei­ne Glau­bens­über­zeu­gung, son­dern ein krea­ti­ves Aus­drücken der eige­nen, belie­bi­gen Mei­nun­gen und Ansich­ten. Das neue Meß­buch selbst zwingt den Prie­ster eine (per­sön­li­che) Ent­schei­dung zu tref­fen, wie und als was er die Hl. Mes­se präsentiert.

Die Kir­che hat damit de fac­to ihre bis­he­ri­gen Über­zeu­gun­gen auf­ge­ge­ben und höch­stens als eine von vie­len Mög­lich­kei­ten, aus denen man wäh­len kann, zur frei­en Aus­wahl gestellt. Es geht also viel mehr um Geschmack, Prä­fe­ren­zen und Mei­nun­gen, die alle gleich­be­rech­tigt neben­ein­an­der­ge­stellt wur­den. Davon abge­se­hen, daß das neue Meß­buch selbst schon wesent­li­che und sehr unglück­li­che Ände­run­gen vor­ge­nom­men hat, muß der Zele­brant selbst ent­schei­den, wo er den Schwer­punkt set­zen möch­te. Das ist jedoch absurd, wenn man bedenkt, daß die Hei­li­ge Mes­se eigent­lich klar defi­niert wäre und nicht zum Werk eines Prie­sters ver­kom­men oder zum Pro­dukt eines Lit­ur­gie­aus­schus­ses dege­ne­rie­ren darf. Somit ist auch klar, daß der Cha­rak­ter des „gemein­sam mit­ein­an­der Fei­erns“ über­wiegt und die kul­ti­sche Dar­brin­gung des Opfers Chri­sti durch sei­ne Kir­che in den Hin­ter­grund tritt. Der Durch­schnitts­ka­tho­lik wird die Hl. Mes­se also folg­lich als gemein­sa­me Fei­er ver­ste­hen, was ihm äußer­lich so prä­sen­tiert und dar­über hin­aus auch so gesagt wird, und nicht vor­nehm­lich als Opfer, was sie eigent­lich ist.

Es wird das Alte und Bis­he­ri­ge dabei nicht klar und ein­deu­tig wider­ru­fen, um kei­nen Wider­stand zu wecken, son­dern es wird ein­fach nicht mehr erwähnt und so lan­ge über­la­gert und ver­schwie­gen, bis es aus Glau­be und Bewußt­sein ver­schwin­det und im all­ge­mei­nen Den­ken von Kle­rus und Volk als nicht mehr aktu­el­le, gül­ti­ge Leh­re oder (lit­ur­gi­sche) Pra­xis gilt. Irgend­wann gilt es dann im all­ge­mei­nen Emp­fin­den nur mehr als „Frü­he­res“, das für heu­te kei­ne Gül­tig­keit mehr hät­te. Etwas ein­schla­fen und somit in Ver­ges­sen­heit gera­ten zu las­sen ist oft­mals wirk­sa­mer als eine direk­te Abschaf­fung, die even­tu­ell eine Wider­stands­be­we­gung her­vor­ru­fen wird.

Durch geschick­te Wort­wahl wer­den die Men­schen getäuscht (schein­bar unbe­deu­tend: präsidieren/​der Fei­er vor­ste­hen, Tisch des Wortes/​Brotes, etc.): Haupt­sa­che, das Ein­deu­ti­ge ist ver­schwun­den. Man spricht nun von „berei­chern­der Viel­falt“, „unter­schied­li­chen Zugän­gen“, „akti­ver Teilnahme“.

Dadurch ist zwar nicht per se die sakra­men­ta­le Gül­tig­keit der Mes­se ange­grif­fen, sehr wohl aber deren geist­li­che Frucht­bar­keit: Es genügt nicht, ein­fach gül­tig zu kom­mu­ni­zie­ren, als ob der Her­ren­leib eine Medi­zin wäre, die wie eine bio­che­mi­sche Reak­ti­on von selbst abläuft, son­dern die durch das Sakra­ment aus­ge­gos­se­nen Gna­den müs­sen auch auf frucht­ba­ren Boden fal­len, um sich recht ent­fal­ten zu kön­nen. Und die­ser Boden, d. h. unse­re See­le, wird durch die Kon­zep­ti­on der neu­en Mes­se nicht so berei­tet, wie es eigent­lich not­wen­dig wäre, damit sich die Gna­den voll­stän­dig ent­fal­ten kön­nen. Je nach­dem wie sie gehal­ten wird, kann die neue Mes­se den Boden der See­le sogar ver­stei­nern, anstatt ihn frucht­bar wer­den zu las­sen und zu dün­gen. Frei­lich kann die Gna­de Got­tes über­all wir­ken – das heißt aber nicht, daß wir unse­re Ver­ant­wor­tung für das Aller­hei­lig­ste dar­an abwäl­zen dür­fen und tun und las­sen dür­fen, was uns gera­de beliebt, frei nach dem Mot­to: Der Herr­gott ist so all­mäch­tig, der wird´s schon rich­ten. Mit die­ser Her­an­ge­hens­wei­se könn­ten wir letzt­lich alle Sakra­men­te abschaf­fen und jeg­li­che reli­giö­se Pra­xis, jeden Glau­ben und alle Lit­ur­gie auf­ge­ben: Denn der Herr­gott ist ja eh all­mäch­tig, er braucht unser Zutun nicht. Mit einer fal­schen Lit­ur­gie, wel­che zen­tra­le Grund­sät­ze aus dem Blick ver­lo­ren hat, ris­kie­ren wir, daß auch die sakra­men­ta­le Gna­de auf stei­ni­gen Boden fällt und von Dor­nen­ge­strüpp über­wu­chert wird. Und irgend­wann hören die Men­schen auf zu glau­ben, obwohl sie kom­mu­ni­zie­ren, oder kom­men gar nicht mehr.

Die neue Messe erzieht zum Kompromiß in zentralen Glaubensfragen

Ein zen­tra­les Pro­blem der neu­en Mes­se ist, daß sie zum Kom­pro­miß in Glau­bens­fra­gen erzieht. Sie zeigt es uns sozu­sa­gen an ihrem eige­nen Bei­spiel an sich selbst vor. Man gewöhnt sich dar­an, Abstri­che zu machen. Auf einen Abstrich folgt der näch­ste, und dar­auf­hin noch einer und noch einer, bis am Ende nichts mehr von der ursprüng­li­chen Sub­stanz übrig­ge­blie­ben ist.

Was zunächst noch als ein Man­gel emp­fun­den wird, den man mög­lichst besei­ti­gen möch­te, wird bald schon zur Gewohn­heit, mit der man sich abge­fun­den hat und die man schließ­lich auch ver­tei­digt. Zunächst zumin­dest als Opti­on, dann als ein Recht für alle, schließ­lich als all­ge­mei­ne Pflicht. Volks­al­tar, Mini­stran­tin­nen und Hand­kom­mu­ni­on sind nur drei beson­ders augen­fäl­li­ge Bei­spie­le, wel­che die­se sich immer wie­der­ho­len­de Ent­wick­lung vor­zei­gen. Mitt­ler­wei­le ist man dabei, uns an Lai­en­pre­digt, Lai­en­tau­fe, Lai­en­hoch­zeit und Lai­en­be­er­di­gung zu gewöh­nen. Der Prie­ster als sol­cher wird über­flüs­sig, da man ihm nach vie­len ande­ren Kom­pe­ten­zen, wie etwa Lei­tungs­funk­tio­nen, das letz­te weg­nimmt, was ihm geblie­ben ist: die Lit­ur­gie. Immer ist es jedoch das­sel­be Muster: Was als Skan­dal und Lit­ur­gie­miß­brauch begann, ist heu­te de fac­to ver­pflich­tend von allen anzu­neh­men. Es ist vom Unrecht zum Recht und zur Pflicht gewor­den. Es stellt sich schlei­chend eine fata­le Men­ta­li­tät des „bes­ser das als gar nichts“ oder „ist ja halb so schlimm, da nicht wesent­lich“ ein. Damit hat die unauf­halt­sa­me Spi­ra­le nach unten aber bereits begon­nen. Man wird durch die neue Mes­se selbst scheib­chen­wei­se an immer Neu­es gewöhnt, und es geht immer einen klei­nen Schritt wei­ter. Oft sind es schein­ba­re Klei­nig­kei­ten, die nicht als dra­stisch erschei­nen, aber nach und nach wer­den sie vom klei­nen Schritt zum gro­ßen, wenn man sie anein­an­der­reiht. Ver­gleicht man das „Nor­ma­le“ in grö­ße­ren zeit­li­chen Abstän­den, so wird sehr rasch deut­lich, wie sehr auch inner­halb des „nor­ma­len“ NOM ein Ver­fall fest­zu­stel­len ist.

Man wird durch die Lit­ur­gie­re­form dazu erzo­gen, immer neue und immer mehr Kom­pro­mis­se ein­zu­ge­hen. Ein Kom­pro­miß bedeu­tet aber an sich schon immer das Durch­wo­ben­sein von Din­gen, die nicht über­zeu­gen und die nicht das Best­mög­li­che sind. Der Kom­pro­miß ist immer die Dul­dung eines erkann­ten Übels als Teil des Gan­zen, eine Ver­min­de­rung der Qua­li­tät – anson­sten bräuch­te man ja kei­nen Kom­pro­miß ein­zu­ge­hen, wenn es nicht ein Abstrich vom Besten wäre. Das führt aller­be­sten­falls zum Durch­schnitt, der gera­de so irgend­wie noch genügt. Dar­auf kann aber kein gesun­der, voll­stän­dig ent­fal­te­ter Glau­be auf­bau­en, da Glau­be ein wirk­li­ches Über­zeugt­sein bedeu­tet und auf das Maxi­mal aus­ge­rich­tet ist: Glau­be ver­langt nach einem „mög­lichst viel und voll­stän­dig“, nicht nach einem „so wenig wie mög­lich und gera­de noch not­wen­dig“! Wenn der Kom­pro­miß aber wesent­lich einen Abstrich von Über­zeu­gun­gen bedeu­tet, so ist er damit auch ein Abstrich vom Glau­ben bzw. den Glau­bens­über­zeu­gun­gen. Gera­de wenn es um Gött­li­ches geht, gera­de wenn es um das Aller­hei­lig­ste geht, kann es nicht ange­hen, auf das gera­de noch Gül­ti­ge abzu­zie­len oder auf ein Mit­tel­maß, das mög­lichst vie­le ver­eint: Das sacri­fi­ci­um per­fec­tum ver­langt wesen­haft selbst nach einer lit­ur­gia per­fec­ta! Man kann nicht bewußt und wil­lent­lich aus dem per­fek­ten Opfer Got­tes einen mit­tel­mä­ßi­gen Kom­pro­miß in einer men­schen­zen­trier­ten Lit­ur­gie machen, ohne dabei das Wesent­li­che anzu­rüh­ren. Der Glau­be, der sich auf Kom­pro­mis­se ein­läßt, und sei es „nur“ in sei­nem äuße­ren Aus­druck, unter­liegt somit zumin­dest dem schwe­ren Risi­ko, lang­sam zu ver­schwin­den. Daß dies weit mehr als eine poten­ti­el­le Gefahr ist, son­dern bru­ta­le Rea­li­tät, die bereits aktua­li­siert ist, sehen (und hören) wir tag­täg­lich in der Kirche.

Das Tra­gi­sche dabei ist, daß es bei­na­he para­do­xer­wei­se die (neue) hei­li­ge Mes­se selbst ist, die trotz ihrer prin­zi­pi­el­len sakra­men­ta­len Gül­tig­keit zu die­ser Ent­wick­lung bei­trägt. Sie ist zwar unter einem Aspekt nach wie vor Medi­zin, aber zugleich auch toxi­sches Gift. Das Opfer Got­tes bleibt von des­sen Sei­te her auch in der neu­en hei­li­gen Mes­se das­sel­be per­fek­te Kreu­zes­op­fer Jesu Chri­sti, aller­dings ist das Opfer von kirch­li­cher Sei­te nicht mehr in der Lage, lit­ur­gisch sei­nem eige­nen Wesen zu ent­spre­chen. Das, was durch die neue Lit­ur­gie (je nach Zele­brant mehr oder weni­ger, aber prin­zi­pi­ell immer) unwei­ger­lich ver­mit­telt wird, ist nicht das, was sie eigent­lich ihrem Wesen nach ist und in ihrer Form sein soll und muß. Durch die Dis­kre­panz von Wesen und Aus­for­mung wird zunächst ein Irr­tum imple­men­tiert, der dann zu einem neu­en, ande­ren Glau­ben mutiert. Es scheint bei­na­he häre­sie­ver­däch­tig zu sein, weil es zunächst ein­mal unglaub­lich klingt, daß so vie­le Men­schen über eine so lan­ge Zeit hin­weg in einer so wich­ti­gen Sache so sehr in die Irre geführt wur­den. Aber bei einer ehr­li­chen, genau­en Sicht auf die Sach­la­ge müs­sen wir heu­te lei­der ana­ly­tisch dia­gno­sti­zie­ren: Es ist zwar nicht aus­schließ­lich, aber doch zu einem wesent­li­chen Anteil gera­de die (neue) Lit­ur­gie der Kir­che selbst, wel­che den mas­sen­wei­sen Glau­bens­ab­fall mas­siv begün­stigt und oft­mals auch direkt aus­ge­löst hat. Gera­de dort, wo sich der Mensch zurecht Heil und Wahr­heit erwar­tet, emp­fan­gen ihn Irr­tum und Banalität.

Durch scheinbare Frömmigkeit wird sogar das Übel gerechtfertigt

Dies zu glau­ben und als rea­le, fak­ti­sche Wirk­lich­keit anzu­er­ken­nen fällt aus gut nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den vie­len schwer. Es ist eben kaum zu glau­ben, denn es stellt sich die Fra­ge, wie Gedan­ken, die dem gläu­bi­gen Den­ken der Kir­che eigent­lich völ­lig fremd und sogar ent­ge­gen­ge­setzt sind, den­noch so tief in sie ein­drin­gen und sich so der­ma­ßen in ihr fest­set­zen kön­nen. Die Ana­ly­se der Ereig­nis­se ergibt: Man „über­zeugt“ die From­men durch ihre eige­ne Fröm­mig­keit, d. h. man greift sie dort an, wo sie am besten zugäng­lich sind und sich ger­ne wei­ter­ent­wickeln wür­den. Man fin­det für alles eine from­me Aus­re­de, die alles recht­fer­tigt, man wählt Argu­men­te, die durch ihre trü­ge­ri­sche For­mu­lie­rung ober­fläch­lich betrach­tet zunächst fromm und aus dem Glau­ben genährt klin­gen, es aber in ihrem Kern nicht sind, ähn­lich wie der berühm­te Wolf, der als Schaf ver­klei­det daher­kommt, um als Freund zu erschei­nen, in Wirk­lich­keit jedoch dar­auf aus ist, sie auf­zu­fres­sen. Gott sei´s geklagt, eines müs­sen wir ganz klar und ehr­lich sagen: Es gibt sehr wohl ver­ein­zel­te Aus­nah­men, aber auf das Gan­ze gese­hen sind Theo­lo­gen, Prie­ster, Bischö­fe und sogar die Orga­ne des Hei­li­gen Stuh­les der­zeit nicht unse­re Freun­de, von denen wir etwas erwar­ten kön­nen. Schon gar nicht in Fra­gen des Glau­bens. Es ist ein ganz offen dekla­rier­tes Ziel, die Tra­di­ti­on in Glau­ben und Pra­xis, in Dog­ma und Lit­ur­gie zu ver­nich­ten und end­gül­tig der Ver­gan­gen­heit zuzu­rech­nen. Es darf den tra­di­tio­nel­len Katho­li­zis­mus ein­fach nicht mehr geben, in all sei­nen zen­tra­len und mar­gi­na­len Facet­ten, wir gel­ten als die Indiet­ri­sten, die es mit fromm daher­kom­men­den Sprü­chen und Dekre­ten aus­zu­rot­ten gilt. Wir dür­fen nicht wei­ter­exi­stie­ren, wenn es nach dem Wil­len der der­zei­ti­gen Kir­chen­lei­tung, diö­ze­san wie uni­ver­sal, geht.

Die­ses Ziel wird sehr ener­gisch ver­folgt, einer­seits durch fak­ti­sche Ent­schei­de und Geset­ze, aber auch durch fromm anmu­ten­de, aber in Wirk­lich­keit per­fid-mani­pu­la­ti­ve Wor­te. Wer sich etwa wei­gert die Hand­kom­mu­ni­on zu neh­men, dem macht man ein schlech­tes Gewis­sen, er wür­de Chri­stus nicht auf­neh­men. Man sagt vor­wurfs­voll-süß­lich, „Chri­stus wol­le in Dein Herz und Du emp­fängst ihn nicht, weil Du die Form des Kom­mu­nion­emp­fangs über Chri­stus und sei­ne Gna­de stellst“. Wer dar­auf beharrt, in die alte Mes­se zu gehen anstatt in die neue, dem wirft man vor, es wäre „unge­hor­sam“ – und fügt hin­zu „Jesus will nicht, daß wir unge­hor­sam sind“. Auch Argu­men­te wie „hät­te Jesus es nicht gewollt, hät­te er es nicht zuge­las­sen“ sind eben­so theo­lo­gisch falsch und mani­pu­la­tiv wie „wenn es die Kirche/​der Bischof/​der Papst/​der Pfarrer/​das Kon­zil sagt, dann muß es rich­tig sein: Der Hei­li­ge Geist spricht immer aus ihnen“. Oder man sagt den Leu­ten (wie man es auch in Prie­ster­se­mi­na­ren immer ger­ne den Alum­nen sagt): „Wer gehorcht, der sün­digt nie“. Und so gibt es noch zahl­rei­che ande­re ähn­li­che Schein­ar­gu­men­te, die fromm und gläu­big klin­gen, wel­che die from­men und gläu­bi­gen Men­schen auch leicht bei ihrer „schwa­chen“ Stel­le packen, die sich aber bei einer ehr­li­chen Betrach­tung nicht als Argu­men­te, son­dern als Mani­pu­la­ti­on ent­pup­pen, weil sie sich nicht auf theo­lo­gi­sche Tat­sa­chen stüt­zen, son­dern auf die Gefüh­le der Men­schen zie­len, mit denen man ihr Han­deln, Reden und Den­ken ändern möchte.

Anstatt sich auf Sach­ar­gu­men­te ein­zu­las­sen (immer­hin ist der Glau­bens­akt eine wil­lent­li­che Zustim­mung des Ver­stan­des zu einer erkann­ten Wahr­heit und kei­ne sen­ti­men­ta­le Ange­le­gen­heit!), zieht man es lie­ber auf eine emo­tio­na­le Ebe­ne, um mit Argu­men­ten, die zwar fromm klin­gen, aber inhalt­lich ver­dreht sind und wich­ti­ge Aspek­te ein­fach außer acht las­sen, from­me See­len zu ver­un­si­chern, indem man ihnen sug­ge­riert, sie wären unfromm und hät­ten eine gebro­che­ne Bezie­hung zu Chri­stus. Das, was sie tun und glau­ben, gera­de weil sie eine inni­ge Chri­stus­be­zie­hung pfle­gen, auf­bau­en und erhal­ten wol­len, wird ihnen als schäd­lich ver­mit­telt. Es wer­den die Tat­sa­chen also voll­kom­men umgedreht.

Die Mehrdeutigkeit der Messe wirkt wie eine Anästhesie

Die Mehr­deu­tig­keit der neu­en Lit­ur­gie und ihre prin­zi­pi­el­len Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­räu­me, die sie inhä­rent in sich trägt, wir­ken wie ein Anäs­the­ti­kum, das Geist und See­le des Men­schen ein­schla­fen läßt. Wir gewöh­nen uns das rech­te, ein­deu­ti­ge Ver­ständ­nis ab, und tau­schen es gegen ein unde­fi­nier­tes oder fal­sches Ver­ständ­nis ein. Man beru­higt sich sehr schnell damit zu sagen: „Naja, man kann es ja eh auch rich­tig ver­ste­hen“. Aber genau hier liegt der Feh­ler: Man kann – man kann aber auch nicht. Die­ser Ein­druck, daß ohne­dies alles unsi­cher und nicht wirk­lich klar und ein­deu­tig ist, wird durch ein stän­di­ges Abän­dern geför­dert. Man gewöhnt sich an den Gedan­ken, daß nichts defi­ni­tiv wahr ist und alles letzt­lich einem stän­di­gen Wan­del unter­le­gen, denn „der Hei­li­ge Geist weht, wo er will, und macht alles neu“. Objek­ti­ve, geof­fen­bar­te Wahr­heit löst sich somit auf und wird im Den­ken der Men­schen zur aus­ver­han­del­ba­ren Über­ein­kunft. Ist der mensch­li­che Geist erst ein­mal der­ar­tig sediert und ein­ge­schlä­fert, ist es leicht, ihm alles Mög­li­che unterzujubeln.

Die gewoll­te Mehr­deu­tig­keit wird gezielt dazu ein­ge­setzt, um das, was zunächst legi­ti­mer­wei­se mehr­heit­lich abge­lehnt wird, am Ende nicht nur zu einer Mög­lich­keit, son­dern gar zu einer Ver­pflich­tung für alle wer­den zu las­sen. Bei­spie­le dafür haben wir oben bereits ange­führt, etwa die Hand­kom­mu­ni­on, oder zahl­rei­che wei­te­re ande­re Neue­run­gen, die sich anfüh­ren lie­ßen. Die Dyna­mik der Ent­wick­lung ist dabei immer die­sel­be und erfolgt in sie­ben klei­nen Ein­zel­schrit­ten, die wie ein Sche­ma stets gleich ablaufen.

Zunächst gibt es etwas, das eine all­ge­mei­ne legi­ti­me Ableh­nung erfährt und des­halb auch ver­bo­ten ist, bei­spiels­wei­se Volks­al­tä­re, Mini­stran­tin­nen oder Hand­kom­mu­ni­on. Möch­te man die­ses Ver­bot bzw. die­se Ableh­nung auf­bre­chen, so beginnt man damit, die­ses Ver­bot da und dort zu über­tre­ten. Anfangs wird es viel­leicht als skan­da­lös und uner­hört abge­lehnt, aber es wird sich häu­fen. Somit kommt es zu einer Gewöh­nung. Wird man müde sich dage­gen zu weh­ren, etwa weil es immer häu­fi­ger wird oder man nicht als der Schwar­ze Peter daste­hen möch­te, der immer das­sel­be kri­ti­siert. Wird die Kri­tik weni­ger und lei­ser, begin­nen Geist und Gewis­sen ein­zu­schla­fen: Nach der Gewöh­nung kommt die Tole­rie­rung. Man nimmt es wohl noch als Übel wahr, aber arran­giert sich irgend­wie damit. Dies ist eine mehr­deu­ti­ge Situa­ti­on: Es ist viel­leicht mit einem Übel ver­bun­den, aber gilt nach und nach den­noch als eine (wenn auch schlech­te­re) Mög­lich­keit. Dar­aus wird dann die Akzep­tanz: Viel­leicht ist es nicht gera­de das, was man per­sön­lich bevor­zu­gen wür­de, aber es wird nun als prin­zi­pi­ell mach­bar und legi­tim ange­se­hen. Wenn es aber als mög­lich und legi­tim ange­se­hen wird, dann muß es kon­se­quen­ter Wei­se auch offi­zi­ell erlaubt sein: Die Erlaub­nis ist also dann der näch­ste Schritt. Prin­zi­pi­ell kann und darf man, es besteht aber noch kein eigent­li­ches Recht dar­auf. Die­ses kommt dann im dar­auf­fol­gen­den Schritt: Es wird zu einem Recht, das man gegen­über allen ande­ren bean­spru­chen kann. Am Ende der Ket­te steht dann die schwe­re Pflicht, wo ursprüng­lich das strik­te Ver­bot stand. Da Pflicht und Ver­bot an sich gleich, nur mit unter­schied­li­chem Vor­zei­chen sind, geht der Weg auch die umge­kehr­te Rei­hen­fol­ge von der Ver­pflich­tung zum Ver­bot stets über den Weg der Anäs­the­ti­sie­rung von Geist und Gewissen.

Durch die neue Messe ging der Glaube verloren

Wenn wir uns von jeg­li­cher Ideo­lo­gie befrei­en und ganz nüch­tern und emo­ti­ons­be­freit ana­ly­sie­ren, dann kom­men wir nicht umhin anzu­er­ken­nen: Der Glau­be in den Men­schen wur­de aus­ge­rech­net durch die neue Lit­ur­gie, spe­zi­ell die neue Mes­se zer­stört. Es war sicher nicht der ein­zi­ge Grund, ist aber als der wesent­li­che, zen­tra­le Haupt­grund zu sehen. Denn wenn die Hei­li­ge Mes­se als das Kern­stück des katho­li­schen Glau­bens benannt wird (was sie an sich auch ist), dann ist es nur logisch und fol­ge­rich­tig, daß die Men­schen das Maß für ihren Glau­ben an die­sem Kern­stück anle­gen. Wo auch sonst? Wenn nun aber die­ses Kern­stück selbst sich ändert, mehr­deu­tig wird und durch Wort, Gestus und Selbst­ver­ständ­nis neue, ande­re Inhal­te ver­mit­telt, dann muß zwangs­läu­fig auch der Glau­be sich die­sen Mehr­deu­tig­kei­ten und Ände­run­gen nach­for­men und anpas­sen. Der Mensch ten­diert dazu, die Din­ge sehr unmit­tel­bar wahr­zu­neh­men und dar­aus den nahe­lie­gend­sten Schluß zu zie­hen, auch auf einer nicht-intel­lek­tu­el­len Ebe­ne. Kom­pli­zier­te theo­lo­gi­sche Erklä­run­gen, wie man eine Mehr­deu­tig­keit even­tu­ell doch recht ver­ste­hen kann, wenn man denn will, kön­nen weder die Ände­run­gen recht­fer­ti­gen, noch sind sie für den Glau­ben erbau­lich. Es ist undenk­bar, daß sich die Hei­li­ge Lit­ur­gie ändert, der Glau­be aber der­sel­be bleibt. Das mag sehr gele­gent­lich für ein­zel­ne funk­tio­nie­ren, durch ein ganz beson­de­res Gna­den­wir­ken des lie­ben Got­tes oder weil man sich ent­spre­chend selbst woan­ders geist­lich nährt. Aber sozu­sa­gen auf sta­ti­sti­scher Grö­ße ist es ein Ding der Unmöglichkeit.

Die neue Lit­ur­gie folgt einem voll­kom­men ver­än­der­ten Kon­zept, das den Men­schen ins Zen­trum rückt: dort, wo einst der Herr­gott stand. Sie lenkt den Men­schen von Gott ab und rich­tet ihn auf den Men­schen aus, und behin­dert gera­de­zu das per­sön­li­che, inni­ge Gebet wäh­rend der Mes­se, indem sie den Men­schen gar nicht erst zur (Gebets)Ruhe kom­men läßt und ihn stän­dig gleich­sam „beschäf­tigt“. Dadurch wird aber bestimmt kein Glau­be genährt. Er wird folg­lich ver­trock­nen und ver­dun­sten. Und genau das ist es, was wir heu­te tag­täg­lich sehen und was Aus­ma­ße ange­nom­men hat, die sich nicht mehr beschö­ni­gen, ver­leug­nen oder klein­re­den lassen.

So para­dox und bei­na­he häre­tisch es klin­gen mag: Aber die Män­gel im Glau­ben der Men­schen, die Irr­tü­mer und der Glau­bens­ab­fall haben zu einem wesent­li­chen Anteil ihren tie­fen Grund in der nach­kon­zi­lia­ren lit­ur­gi­schen Glaubenspraxis.

Ergebnis ist die heutige Situation

Wir kön­nen die Kon­se­quen­zen einer jahr­zehn­te­lan­gen Ver­stüm­me­lung und Ver­wäs­se­rung der Lit­ur­gie nicht über­se­hen: Es sind auch Schä­den, die die See­len davon­ge­tra­gen haben. Ihr Glau­be ist zumeist ver­wirrt, er ent­spricht in wei­ten Tei­len nicht mehr dem Katho­li­schen, er ist sehr unvoll­stän­dig oder ganz ver­siegt. Die Kon­se­quen­zen des wesent­lich ver­än­der­ten Glau­bens, die wir jeden Tag sehen, bis in die ober­sten Eta­gen des apo­sto­li­schen Pala­stes hin­auf, wer­den ihrer­seits selbst wie­der zur Ursa­che wei­te­ren Glau­bens­ab­falls. Alles wird heu­te gerecht­fer­tigt, alles hat Gül­tig­keit und Berech­ti­gung – außer der Tra­di­ti­on, wie sie die Kir­che über Jahr­hun­der­te hin­weg, geführt vom Hei­li­gen Geist, erkannt, gelehrt und prak­ti­ziert hat.

Wie es um den katho­li­schen Glau­ben in der Kir­che heu­te bestellt ist, zei­gen uns unzäh­li­ge Bei­spie­le: heid­ni­sche Kul­te, auch in Prä­senz des Pap­stes, die auch in offi­zi­el­le Vati­ka­ni­sche Doku­men­te und Anspra­chen Ein­gang fin­den, das unver­zeih­li­che Ver­hal­ten der Kir­che wäh­rend der Lock­downs, in wel­chen ganz klar sicht­bar wur­de, daß die Kir­chen­funk­tio­nä­re den Glau­ben an das Meß­op­fer und die Real­prä­senz ver­lo­ren haben. Meß­si­mu­la­tio­nen durch Lai­en, wie sie immer häu­fi­ger und unver­schäm­ter vor­kom­men, wer­den als neue Nor­ma­li­tät ver­stan­den und auch so behan­delt, Tau­fen, Hoch­zei­ten, Beer­di­gun­gen, Seg­nun­gen und wei­te­re lit­ur­gi­sche Hand­lun­gen wer­den in immer mehr Bis­tü­mern offi­zi­ell an Lai­en über­tra­gen, es gibt Deka­na­te, in denen man ent­schie­den hat: Kein Prie­ster hält mehr ein Begräb­nis und auch kein Requi­em, denn man möch­te den Lai­en nichts wegnehmen.

Die neue Messe ist deshalb auch gefährlich

Die Mes­se ver­kommt immer häu­fi­ger zu einem poli­ti­schen Pro­pa­gan­da­mit­tel für Mas­sen­im­mi­gra­ti­on, Kli­ma­wan­del und ande­re tages­po­li­ti­sche The­men, um die Men­schen auch noch über die geist­lich-mora­li­sche Schie­ne für die poli­ti­sche Links­ori­en­tie­rung zu gewin­nen. Heu­te wählt man ganz weit links, denn man ist ja schließ­lich katho­lisch. Am Ende steht die Syn­oda­li­sie­rung der Kir­che, in wel­cher ihre gött­lich ein­ge­stif­te­te Ver­fas­sung auf­ge­ho­ben wer­den soll: Von einer geist­lich-hier­ar­chi­schen Grund­ge­stalt der Kir­che soll abge­se­hen und in eine lai­kal-syn­oda­le Kir­che über­ge­führt wer­den. Die­se Ent­wick­lung ist nichts ande­res als eine logi­sche, in sich kohä­ren­te Fort­füh­rung und Umset­zung der Anthro­po­zen­trie­rung, wie sie das letz­te Kon­zil ein­ge­lei­tet und die Lit­ur­gie­re­form vor­ge­zeigt hat. Der Syn­oda­le Weg und sei­ne For­de­run­gen sind eine direk­te, fol­ge­rich­ti­ge Kon­se­quenz des Zwei­ten Vati­ka­nums und der damit ver­bun­de­nen Lit­ur­gie­re­form, da er in die­sel­be Rich­tung denkt, nur kon­se­quen­ter ist und einen Schritt wei­ter geht. Es wäre töricht und unlo­gisch zu sagen: „Zwei­tes Vati­ka­ni­sches Kon­zil ja, Syn­ode aber nein“. Denn der Bruch erfolg­te bereits mit dem letz­ten Kon­zil, nicht erst jetzt. Es nicht kon­si­stent zu behaup­ten, das Zwei­te Vati­ka­num stün­de noch ganz in der Tra­di­ti­on. Viel­leicht erschien es man­chen am Anfang so, aber es ist ein Irr­tum. Denn das genu­in Katho­li­sche ist wie eine Rauch­wol­ke: Anfangs erschien es in den Refor­men noch kom­pakt vor­han­den, aber das war ein Trug. Es dif­fun­dier­te immer mehr und mehr, bis es nun schließ­lich sei­ne Gestalt voll­kom­men ver­lo­ren hat und mitt­ler­wei­le so weit dif­fun­diert ist, daß es nur noch in klei­nen Spu­ren wahr­nehm­bar ist. Und die neue Lit­ur­gie hat einen maß­geb­li­chen Anteil daran.

Zwar ist es rich­tig, daß die­se im Moder­nis­mus ver­haf­te­ten Ideen sehr viel wei­ter zurück­ge­hen, und bereits vor dem letz­ten Kon­zil war nicht mehr alles in Ord­nung. Die Reform der Kar­wo­chen­lit­ur­gie ist nur einer von vie­len Bewei­sen, daß es gewiß nicht genügt die Jah­res­zahl zu betrach­ten und zu sagen: Vor 1960 ist gut, nach 1960 ist schlecht. Aber der Unter­schied ist: Mit dem letz­ten Kon­zil hat die Kir­che offi­zi­ell das ver­tre­ten und geför­dert, was sie bis dato zu Recht strikt zurück­ge­wie­sen hat! Hier ist ein Para­dig­men­wech­sel erfolgt, der nicht als Wachs­tum und Ver­tie­fung, son­dern nur als Bruch und Zer­stö­rung ange­se­hen wer­den kann.

Wir sehen, wohin es uns geführt hat: Sogar Bischö­fe und Kar­di­nä­le, ja selbst Päp­ste sind davon betrof­fen. Es gibt Bischö­fe, die ganz offen sagen, die Kir­che müs­se sich ändern, man wol­le ab jetzt „katho­lisch sein, aber anders“. Die­se Ent­wick­lung unab­hän­gig von der Lit­ur­gie­re­form zu betrach­ten (die inzwi­schen selbst wie­der zu alt­mo­disch sei und noch­mals refor­miert wer­den müs­se, wie man immer häu­fi­ger hört!) wäre kurz­sich­tig und ein gro­ßer Irrtum.

Der Ausweg: die neue Messe aufgeben und zur Tradition zurückkehren

Von daher stellt sich die berech­tig­te Fra­ge: Was soll man tun? Wie kom­men wir aus die­ser Kri­se wie­der her­aus? Dabei stel­len sich zwei Grund­op­tio­nen zur Aus­wahl: Ent­we­der ver­su­chen wir das weni­ge, was noch übrig ist, zu ret­ten und dann wie­der zu meh­ren, wie einen Wein­stock, dem man die kräf­te­rau­ben­den Was­ser­trie­be (den Moder­nis­mus) weg­schnei­det, auf daß die Reben her­nach erstar­ken, oder wir gehen wei­ter in die Rich­tung, die uns dahin geführt hat, wo wir jetzt ste­hen, und trei­ben das Gan­ze noch wei­ter an den Abfall, und war­ten somit noch ein Weil­chen, bis die zu Tode refor­mier­ten Tei­le der Kir­che ganz von allei­ne ver­schwin­den, weil sie kei­nen mehr über­zeu­gen und ihr die Leu­te – ganz zurecht – fern­blei­ben. In bei­den Fäl­len steht das­sel­be Ende: Übrig­blei­ben wird nur die Tra­di­ti­on, weil alles ande­re ganz von allein ver­schwin­det und ein­fach aus­ster­ben wird. Wir sehen ja bereits jetzt schon, was am Abster­ben ist und was am Erstar­ken! Auch wenn Zah­len für sich genom­men kein zuläng­li­ches Kri­te­ri­um sind, da nicht die Mehr­heit über Wahr­heit ent­schei­det, so sehen wir den­noch ganz deut­lich einen ver­ständ­li­chen Trend, daß sich die Leu­te von einer Kir­che und ihrer Lit­ur­gie abwen­den, die ihnen doch angeb­lich ent­ge­gen­kom­men woll­te und sich des­halb geän­dert hat und „mensch­li­cher“ und „modern(istisch)er“ gewor­den ist. Die Kir­chen, wel­che hin­ge­gen die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie zele­brie­ren und die katho­li­sche Leh­re voll­stän­dig dar­le­gen, erfah­ren allen Ver­su­chen dies zu unter­drücken zum Trotz einen enor­men Zuwachs. In einer nicht all­zu fer­nen Zukunft wird man ent­we­der tra­di­tio­nell katho­lisch sein – oder eben gar nicht mehr katholisch.

Des­halb wäre es das Ver­nünf­tig­ste, die neue Mes­se auf­zu­ge­ben und wie­der ganz zur klas­si­schen Lit­ur­gie zurück­zu­keh­ren, bevor dies die natür­li­che Ent­wick­lung der Din­ge selbst erle­digt. Denn die neue Lit­ur­gie, und die damit ver­bun­de­ne Theo­lo­gie, sind ein­fach zu ent­kernt und aus­ge­höhlt, um stand­zu­hal­ten. Sie sind bereits jetzt am Implo­die­ren, und wir alle sehen es vor unse­ren Augen.

*Mag. Don Micha­el Gurt­ner ist ein aus Öster­reich stam­men­der Diö­ze­san­prie­ster, der in der Zeit des öffent­li­chen Meß­ver­bots die­sem wider­stan­den und sich gro­ße Ver­dien­ste um den Zugang der Gläu­bi­gen zu den Sakra­men­ten erwor­ben hat.

Bild: Wiki­com­mons

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