Der Indietrismus – auf den Papst Franziskus fixiert scheint

Der Auftrag an die Internationale Theologenkommission

Papst Franziskus empfing heute die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission und erteilte ihnen den Auftrag, darüber nachzudenken, wie man den "Traditionalisten" aus ihrem "Indietrismus" heraushelfen könnte.
Papst Franziskus empfing heute die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission und erteilte ihnen den Auftrag, darüber nachzudenken, wie man den "Traditionalisten" aus ihrem "Indietrismus" heraushelfen könnte.

(Rom) Papst Fran­zis­kus präg­te den Indiet­ris­mus als Wort­neu­schöp­fung, um sein Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des zu ver­tei­di­gen, mit dem er den über­lie­fer­ten Ritus abwür­gen will, vor allem außer­halb der ehe­ma­li­gen soge­nann­ten Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten. Aller­dings sind auch die­se durch über­eif­ri­ge Diö­ze­san­bi­schö­fe von den Restrik­tio­nen betrof­fen, teils schwer.

Indiet­ris­mus, wört­lich am ehe­sten mit Rück­wärts­ge­wandt­heit zu über­set­zen, wird von Fran­zis­kus nicht nur im Ita­lie­ni­schen gebraucht. Das Kir­chen­ober­haupt meint damit nicht so sehr das Ver­har­ren in der Ver­gan­gen­heit, son­dern den Wunsch, in die­se zurück­zu­keh­ren. Es geht nicht um ein pas­si­ves, son­dern ein akti­ves, dyna­mi­sches Ele­ment, das Fran­zis­kus tadelt. Das ist es auch, was Fran­zis­kus so sehr zu fürch­ten scheint, daß er eine spal­ten­de Wir­kung unter­stellt, obwohl von tra­di­tio­nel­ler Sei­te weder die kirch­li­che Ord­nung noch die Glau­bens­leh­re ange­zwei­felt wer­den, ganz im Gegenteil.

Es geht um ein Para­dox, das sich nur dadurch erklärt, wenn jemand, in die­sem Fall nicht die Kir­che an sich, son­dern die „nach­kon­zi­lia­re“ Kir­che, sich um ihre Zukunft sorgt. Die Sache ist San­ta Mar­ta so in Mark und Bein gefah­ren, daß Fran­zis­kus ganz fixiert auf sei­ne Kri­tik am „Indiet­ris­mus“ wirkt. Heu­te kam er (schon) wie­der dar­auf zu spre­chen. Anlaß war sei­ne Anspra­che an die Mit­glie­der der Inter­na­tio­na­len Theo­lo­gen­kom­mis­si­on, die bei der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ange­sie­delt ist. Die Begeg­nung fand im Kon­si­sto­ri­ums­saal des Apo­sto­li­schen Pala­stes statt.

Vor­sit­zen­der der Theo­lo­gen­kom­mis­si­on ist von Amts wegen der Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, der­zeit Kar­di­nal Luis Lada­ria Fer­rer SJ. Gene­ral­se­kre­tär ist seit 2021 der Theo­lo­ge Pie­ro Coda. Einen bei­geord­ne­ten Sekre­tär gibt es nicht mehr, seit sich der letz­te Amts­in­ha­ber, der pol­ni­sche Prie­ster Krzy­sz­tof Cha­ram­sa, 2015 mit sei­nem homo­se­xu­el­len Lieb­ha­ber und gro­ßem Medi­en­rum­mel aus dem Staub mach­te. Der aktu­el­len Kom­mis­si­on (2021–2026) gehört auch ein Deut­scher an, der ursprüng­lich luthe­ri­sche Theo­lo­ge Rein­hard Hüt­ter, der 2004 zur katho­li­schen Kir­che kon­ver­tier­te und Pro­fes­sor für Fun­da­men­tal­theo­lo­gie und Dog­ma­tik an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Ame­ri­ka in Washing­ton D.C. ist.

Den Mit­glie­dern der Inter­na­tio­na­len Theo­lo­gen­kom­mis­si­on sag­te Fran­zis­kus heute:

„Die Tra­di­ti­on, der Ursprung des Glau­bens, wächst oder stirbt ent­we­der. Denn, wie jemand ein­mal sag­te – ich glau­be, es war ein Musi­ker –, die Tra­di­ti­on ist die Garan­tie für die Zukunft und kein Muse­ums­stück. Sie ist das, was die Kir­che von unten nach oben wach­sen läßt, wie ein Baum: die Wur­zeln. Ein ande­rer sag­te, der Tra­di­tio­na­lis­mus sei der ‚tote Glau­be der Leben­den‘: wenn man sich ver­schließt. Die Tra­di­ti­on – das möch­te ich beto­nen – bringt uns dazu, uns in die­se Rich­tung zu bewe­gen: von unten nach oben, ver­ti­kal. Heu­te besteht die gro­ße Gefahr, das ist, in die ande­re Rich­tung zu gehen: der Indiet­ris­mus. Zurück­zu­ge­hen. ‚Das wur­de schon immer so gemacht‘: Es ist bes­ser, rück­wärts zu gehen, das ist siche­rer, anstatt mit der Tra­di­ti­on vor­wärts­zu­ge­hen. Die­se hori­zon­ta­le Dimen­si­on hat, wie wir gese­hen haben, eini­ge Bewe­gun­gen, kirch­li­che Bewe­gun­gen, dazu gebracht, in einer Zeit zu ver­har­ren, in einer rück­wärts­ge­wand­ten Rich­tung. Sie sind die Indiet­ri­sten. Ich den­ke – um einen histo­ri­schen Bezug her­zu­stel­len – an eini­ge Bewe­gun­gen, die am Ende des Ersten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ent­stan­den sind und ver­such­ten, der Tra­di­ti­on treu zu blei­ben, und sich heu­te so ent­wickeln, daß sie die Frau­en wei­hen, und ande­re außer­halb die­ser ver­ti­ka­len Rich­tung, in der das mora­li­sche Gewis­sen wächst, das Gewis­sen des Glau­bens wächst, mit jener schö­nen Regel von Vin­zenz von Lérins: ‚ut annis con­so­li­de­tur, dila­te­tur tem­po­re, sub­li­me­tur aet­a­te‘ (‚damit es sich mit den Jah­ren festi­ge, sich mit der Zeit ent­wick­le, sich mit dem Alter ver­tie­fe‘). Dies ist die Regel des Wachs­tums. Statt­des­sen führt der Indiet­ris­mus dazu, daß man sagt: ‚Das war schon immer so, es ist bes­ser, so wei­ter­zu­ma­chen‘, und läßt einen nicht wach­sen. Zu die­sem Punkt denkt Ihr Theo­lo­gen ein wenig dar­über nach, wie Ihr hel­fen könnt.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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3 Kommentare

  1. Heu­te besteht die gro­ße Gefahr, das ist, in die ande­re Rich­tung zu gehen: der Indiet­ris­mus. Zurück­zu­ge­hen. ‚Das wur­de schon immer so gemacht‘ (…) Die­se hori­zon­ta­le Dimen­si­on hat, wie wir gese­hen haben, eini­ge Bewe­gun­gen, kirch­li­che Bewe­gun­gen, dazu gebracht, in einer Zeit zu ver­har­ren, in einer rück­wärts­ge­wand­ten Rich­tung. Sie sind die Indiet­ri­sten. Ich den­ke – um einen histo­ri­schen Bezug her­zu­stel­len – an eini­ge Bewe­gun­gen, die am Ende des Ersten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ent­stan­den sind und ver­such­ten, der Tra­di­ti­on treu zu blei­ben, und sich heu­te so ent­wickeln, daß sie die Frau­en weihen (…)
    Statt­des­sen führt der Indiet­ris­mus dazu, daß man sagt: ‚Das war schon immer so, es ist bes­ser, so weiterzumachen‘ (…)

    Ganz offen­sicht­lich ver­wech­selt Papst Fran­zis­kus in grob fahr­läs­si­ger Wei­se die Alt­ka­tho­li­ken mit den Alt­ri­tu­el­len. Doch von den Alt­ri­tu­el­len (den soge­nann­ten „Tra­di­tio­na­li­sten“, die an den lit­ur­gi­schen Büchern von 1962 oder 1958 und kirch­li­chen Leh­ren von 2.000 Jah­ren fest­hal­ten) habe ich noch nie sol­che Argu­men­te gehört wie „Das wur­de schon immer so gemacht. Das war schon immer so.“

    Hier eine Defi­ni­ti­on des Begriffs „Tra­di­ti­on“:
    In der römisch-katho­li­schen Kir­che wird unter Tra­di­ti­on die neben der Bibel ste­hen­de, aber genau­so ver­bind­li­che Glau­bens­leh­re seit den Apo­steln und Kir­chen­vä­tern ver­stan­den. Als Tra­di­ti­ons­prin­zip dient die­se Glau­bens­leh­re in der römisch-katho­li­schen Exege­se zur Aus­le­gung der christ­li­chen Hei­li­gen Schrift; nach römisch-katho­li­scher Auf­fas­sung kann die wah­re Aus­sa­ge christ­lich-bibli­scher Tex­te nur durch die Aus­le­gungs­tra­di­ti­on der Kir­che ver­stan­den wer­den. Das Tra­di­ti­ons­prin­zip ergänzt dem­nach das Schriftprinzip.

    Seit der Refor­ma­ti­ons­zeit ist der Bezug auf Tra­di­ti­on zu einem beson­de­ren Merk­mal vor allem des kon­ser­va­ti­ven Katho­li­zis­mus gewor­den. So wid­me­te sich das Triden­ti­num, das als Beginn der Gegen­re­for­ma­ti­on gilt, in sei­ner ersten Sit­zungs­pe­ri­ode von 1545 bis 1547 dem Ver­hält­nis von Bibel und Tra­di­ti­on. Im „Dekret über die Annah­me der hei­li­gen Bücher und der Über­lie­fe­run­gen“ wird der Anspruch der Tra­di­ti­on in Abgren­zung zur pro­te­stan­ti­schen Auf­fas­sung doku­men­tiert. Aller­dings wird zu die­sem Zeit­punkt der Tra­di­ti­ons­be­griff selbst noch nicht aus­drück­lich reflek­tiert. Das geschieht erst mit dem Fran­zö­si­schen Tra­di­tio­na­lis­mus, der eine kon­ser­va­ti­ve, katho­li­sche Reak­ti­on auf die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on dar­stellt, getra­gen von katho­li­schen Adli­gen und Gelehr­ten wie Lou­is-Gabri­el-Ambroi­se de Bonald und Joseph de Maist­re. Der aus­drück­li­che Bezug auf Tra­di­ti­on und die Vor­rang­stel­lung der Tra­di­ti­on gegen­über der Ver­nunft bringt der Bewe­gung die Bezeich­nung „Tra­di­tio­na­lis­mus“ ein, die seit­her für vie­le reform- und auf­klä­rungs­kri­ti­sche, anti-moder­ne Auf­fas­sun­gen steht. Im 20. Jahr­hun­dert steht für sol­che tra­di­tio­na­li­sti­schen Auf­fas­sun­gen des Katho­li­zis­mus ins­be­son­de­re die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. (Wiki­pe­dia)

    Man ver­glei­che die­se Defi­ni­ti­on ein­mal mit der von Papst Franziskus.

  2. Das Bild vom Baum und sei­nen Wur­zeln trifft den Nagel auf den Kopf. Man­che Ast ist bereits abge­stor­ben, nur vom leben­di­gen Stamm kann Wachs­tum aus­ge­hen, auch wenn dies nied­ri­ger ansetzt als die ver­dorr­te Spit­ze. Oder viel­leicht das Bild einer Stra­ße, die in einer Sack­gas­se endet. Um wei­ter zu kom­men muss man wie­der zurück zu einer Durchgangsverbindung.
    Und ja, die Befürch­tung dass Strö­mun­gen in totem Geäst oder in Sack­gas­sen „sich heu­te so ent­wickeln, daß sie die Frau­en wei­hen“, hal­te auch ich für sehr real. Aber lie­ber Fran­zis­kus, glau­ben Sie wirk­lich, dass dies auf tra­di­tio­nel­le Chri­sten zutrifft?

  3. Reform heißt, zurück zum Ursprung. Refor­ma­ti­on ist Revo­lu­ti­on. Eben­so der Geist des Konzils.

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