
(Rom) Was manchen kaum gelingt, gelingt anderen sehr schnell. Am 20. Oktober wird Papst Franziskus die neue Staatspräsidentin von Honduras in Audienz empfangen.
Der Grund für den bevorzugten Einlaß in den Apostolischen Palast ist in der politischen Ausrichtung der Presidenta de la República de Honduras zu suchen, die sie selbst als „demokratischen Sozialismus“ bezeichnet.
Xiomara Castro gewann die Präsidentschaftswahlen vom 28. November 2021 und wurde am 27. Januar 2022 als Staatspräsidentin und – wie in Amerika üblich – zugleich Regierungschefin vereidigt.
Zuvor war bereits ihr Ehemann Manuel Zelaya ab 2005 Staatspräsident, damals als Exponent des linken Partido Liberal (Liberale Partei). Auf Anweisung des Obersten Gerichtshofes wurde er im Zuge eines Verfassungsstreites 2009 vom honduranischen Militär festgenommen und ins Exil geschickt, was die USA unter Barack Obama, unter Verweis auf ein rechtsstaatlich nicht sauber nachvollziehbares Vorgehen, als Putsch bezeichneten. Honduras wurde darauf aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ausgeschlossen.
Zuflucht nahm Zelaya, der vom Militär nach Costa Rica ausgeflogen worden war, beim sandinistischen Staatspräsidenten Daniel Ortega in Nicaragua. Unterstützung fand er auch beim venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chavez und dem damaligen brasilianischen Staatsoberhaupt Luiz Inácio Lula da Silva. 2011 wurde ihm im Gegenzug zur Wiederaufnahme von Honduras in die OAS die Rückkehr in seine Heimat gestattet.
Dort gründete Zelaya, der sich im Zuge seiner Entmachtung von seiner Partei im Stich gelassen fühlte, den marxistischen, antikapitalistischen Partido Libertad y Refundación (Partei Freiheit und Neugründung) für den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Zelaya wurde Parteivorsitzender und brach mit seiner neuen Partei das bisher bestimmende Zweiparteiensystem auf. Zelaya selbst kandidierte seither aber nicht mehr, dafür aber seine Frau Xiomara Castro, so auch bei den Präsidentschaftswahlen 2021.
Castro gewann die Wahl mit 51 Prozent der Stimmen vor den Kandidaten des konservativen Partido Nacional (37 Prozent) und des sozialdemokratisch-linksliberalen Partido Liberal (10 Prozent). Im Parlament verfügt die neue Präsidentin allerdings über keine Mehrheit, da ihre Partei bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen nur 39,5 Prozent der Stimmen erringen konnte.
Bei ihrer Antrittsrede im Januar versprach Xiomara Castro Honduras als „demokratischen sozialistischen Staat“ neu zu gründen.
Am 10. Oktober veröffentlichte die honduranische Staatskanzlei eine Pressemitteilung, mit der das honduranische Volk informiert wurde, daß Staatspräsidentin Xiomara Castro am 20. Oktober um 9 Uhr von Papst Franziskus in offizieller Audienz empfangen wird. Am selben Tag, so die Mitteilung, wird Castro auch mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin zusammentreffen.
Franziskus empfängt gerne und häufig Vertreter der lateinamerikanischen Linken, bevorzugt in Privataudienzen, die nicht auf der offiziellen Tagesordnung stehen, aber von den Empfangenen anschließend in der Öffentlichkeit zur eigenen Unterstützung bekanntgemacht werden können. So besteht kein Zweifel, daß Franziskus für Brasilien auf einen Wahlsieg von Lula da Silva hofft (siehe Lula da Silva: „Papst Franziskus denkt wie wir“).
Am 27. Juni war der vatikanische Außenminister, Msgr. Paul Richard Gallagher, nach Honduras gereist und hatte sich mit Präsidentin Castro getroffen. Bei dieser Gelegenheit wurde die Einladung in den Vatikan ausgesprochen. Die Details wurden anschließend durch den Privatsekretär der Präsidentin, das ist ihr Sohn Hector Manuel Zelaya, und Außenminister Eduardo Enrique Reina vorbereitet.
Auch Xiomara Zelaya, eine Tochter von Manuel Zelaya und Xiomara Castro, ist Parlamentsabgeordnete der Präsidentenpartei. Zunächst war sie als Präsidentschaftskandidatin für 2021 vorgesehen gewesen, bevor man sich doch dazu entschied, noch einmal die Mutter ins Rennen zu schicken.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Presidencia.hn/Twitter (Screenshots)