Katholische Missionare gegen Kolonialismus und Sklaverei

Neuzeitliche Kontroversen zu Staat, Politik und Kirche (1)


Nach der Entdeckung Amerikas kam es zu vielfacher Ausbeutung der indianischen Bevölkerung, gegen die von Missionaren und der Kirche angekämpft wurde.
Nach der Entdeckung Amerikas kam es zu vielfacher Ausbeutung der indianischen Bevölkerung, gegen die von Missionaren und der Kirche angekämpft wurde.

Ein Gast­kom­men­tar von Hubert Hecker

Anzei­ge

Ange­sichts der vom kana­di­schen Staat kolo­nia­li­stisch aus­ge­rich­te­ten Inter­nats­schu­len für Indi­ge­ne noch im 20. Jahr­hun­dert ist eine Refle­xi­on auf die Kon­tro­ver­sen zu den Anfän­gen des früh­neu­zeit­li­chen Kolo­nia­lis­mus eben­so unum­gäng­lich wie erhellend.

Die bei­den See­fah­rer­na­tio­nen Por­tu­gal und Spa­ni­en ent­wickel­ten zu Anfang des 15. Jahr­hun­derts hoch­see­taug­li­che Trans­port­schif­fe, die Kara­vel­len. Die segel­tech­nisch ver­bes­ser­te Take­la­ge sowie neue nau­ti­sche Ori­en­tie­rungs­ap­pa­ra­te und Kar­ten­ma­te­ri­al mach­ten ozea­ni­sche Ent­deckungs­fahr­ten in süd­li­che und west­li­che Rich­tun­gen mög­lich. Ab 1400 besie­del­te Kasti­li­en die Kana­ri­schen Inseln, etwas spä­ter die Por­tu­gie­sen Madei­ra und die Azoren.

Beginn des atlantischen Sklavenhandels

Mit dem Errei­chen von Kap Ver­de um 1450 klink­ten sich Por­tu­gals Händ­ler in den Skla­ven­han­del der afri­ka­ni­schen Mäch­te ein, die seit Jahr­hun­der­ten kriegs­er­beu­te­te Skla­ven in die nörd­li­chen isla­mi­schen Staa­ten lie­fer­ten. Por­tu­gie­si­sche See­händ­ler erwar­ben zunächst Skla­ven, um sie als Tausch­mit­tel für Gold aus Gha­na, der ehe­ma­li­gen Gold­kü­ste, ein­zu­set­zen. Mit dem für Skla­ven erwor­be­nen Gold bezahl­ten sie an der Pfef­fer­kü­ste Gewür­ze für den Hei­mat­markt – ein erster Drei­ecks­han­del. Spä­ter ver­wand­ten die Por­tu­gie­sen eine stei­gen­de Quo­te von afri­ka­ni­schen Skla­ven für ihre eige­nen Zucker­plan­ta­gen auf den Azo­ren und in Bra­si­li­en. Ab 1520 lie­fer­ten por­tu­gie­si­sche Händ­ler das „schwar­ze Gold“ auch an die spa­ni­schen Kolo­nien in Mit­tel- und Südamerika.

Die bei­den ibe­ri­schen Mäch­te ver­folg­ten unter­schied­li­che Kolo­ni­al­stra­te­gien: Die Por­tu­gie­sen kon­zen­trier­ten sich zunächst auf den Skla­ven- und Gewürz­han­del. Zu die­sem Ziel errich­te­ten sie Han­dels­stütz­punk­te von der west­afri­ka­ni­schen Küste bis zu den Regio­nen Hin­ter­in­di­ens. Die Spa­ni­er setz­ten von vorn­her­ein auf Sied­ler­ko­lo­nien, in denen sie die ein­hei­mi­schen Indi­os und spä­ter schwarz­afri­ka­ni­sche Skla­ven in Berg­wer­ken und auf Plan­ta­gen ausbeuteten.

Auf die­sem Hin­ter­grund war die dama­li­ge Kir­che her­aus­ge­for­dert, zu den neu­en Prak­ti­ken von Skla­ve­rei und kolo­nia­li­sti­scher Aus­beu­tung Stel­lung zu neh­men. Die Debat­te dar­um durch­zog das gesam­te 16. Jahr­hun­dert. Sie wur­de mit theo­lo­gi­schen, phi­lo­so­phi­schen und juri­sti­schen Argu­men­ten geführt sowie im Kon­text von Renais­sance und Refor­ma­ti­on. Die Ergeb­nis­se die­ser Aus­ein­an­der­set­zung hat­ten weit­rei­chen­de Fol­gen für den euro­päi­schen Dis­kurs um Men­schen­rech­te, staats­recht­li­che Legi­ti­ma­tio­nen und völ­ker­recht­li­che Fragen.

Anklage der Dominikaner gegen die spanischen Kolonisten

An den bei­den letz­ten Sonn­ta­gen des Jah­res 1511 hielt der Domi­ni­ka­ner­pa­ter Anto­nio de Mon­te­si­nos eine Droh­bot­schafts­pre­digt in der Haupt­kir­che von San­to Dom­in­go, heu­te Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik. Der Pre­di­ger klag­te als „Stim­me eines Rufers in der Wüste“ die spa­ni­schen Kolo­ni­sten an, indem er ihnen ihre „Tod­sün­den an den Indi­os“ vor Augen führ­te: „tyran­ni­sche Grau­sam­keit gegen die unschul­di­gen Indi­os, ent­setz­li­che Skla­ve­rei, bedrücken­de Unter­jo­chung, abscheu­li­che Kriege“.

„Die Indi­os ster­ben an der über­mä­ßi­gen Zwangs­ar­beit, nein, ihr tötet sie mit eurem hab­gie­ri­gen Ver­lan­gen, jeden Tag Gold zu för­dern und euch anzu­eig­nen“ – so der geist­li­che Anklä­ger. Und dann die ent­schei­den­den Sät­ze: „Sind sie kei­ne Men­schen? Haben die Indi­os kei­ne Ver­nunft und kei­ne Seele?“

Die­se Pre­digt war der Auf­takt zu einem lang andau­ern­den Kampf für Men­schen­wür­de und Gerech­tig­keit, Näch­sten­lie­be und christ­li­che Mis­si­on von Sei­ten der kirch­li­chen Orden. Gegen alle Anfein­dun­gen und Erpres­sun­gen erreich­te der Pre­di­ger durch eine Unter­re­dung bei König Fer­di­nand II. von Ara­gón (Regent von Kasti­li­en und León) 1512 erste gesetz­li­che Ein­schrän­kun­gen für die Behand­lung der Indi­os in der Neu­en Welt. Kin­der unter vier­zehn Jah­ren durf­ten fort­an nicht mehr zur Zwangs­ar­beit ver­pflich­tet wer­den. Die Fron­ar­beit für die spa­ni­schen Groß­grund­be­sit­zer wur­de auf neun Mona­te pro Jahr reduziert.

Die spa­ni­sche Kro­ne über­trug den Sied­ler­ko­lo­ni­sten gro­ße Gebie­te samt Ein­woh­nern – Enco­mien­das – mit feu­dal­herr­schaft­li­chen Auf­la­gen: Die Grund­her­ren hat­ten die Pflicht zur Für­sor­ge für die Gebiets­un­ter­ta­nen, dafür konn­ten sie von den Indio-Gemein­den Arbeits­lei­stun­gen for­dern und erzwin­gen. In euro­päi­schen Län­dern war das System von Fron­ab­ga­ben und ‑arbeits­lei­stun­gen von christ­li­chen Unter­ta­nen durch kirch­li­che Ethi­ken und selbst­be­wuss­te Bau­ern aus­ta­riert wor­den. Aber an den Peri­phe­rien ent­ar­te­te das System zu einer schran­ken­lo­sen Aus­beu­tungs- und Unterdrückungsmethode.

In einer wei­te­ren „Advents­pre­digt“ stell­te der Domi­ni­ka­ner­pa­ter den Kolo­ni­sa­to­ren tie­fer­ge­hen­de ethi­sche Ankla­ge­fra­gen: „Mit wel­chem Recht und wel­cher Gerech­tig­keit hal­tet ihr die­se Indi­os in einer so grau­sa­men und schreck­li­chen Knecht­schaft? Mit wel­cher Befug­nis habt ihr die­se Völ­ker blu­tig bekriegt, die ruhig und fried­lich in ihren Län­dern leb­ten, habt sie in unge­zähl­ter Men­ge gemar­tert und gemor­det? Ihr unter­drückt sie und plagt sie, ohne ihnen zu essen zu geben und sie in ihren Krank­hei­ten zu hei­len, die über sie kom­men durch die maß­lo­se Arbeit, die ihr ihnen auf­er­legt, und sie ster­ben – oder bes­ser gesagt: ihr tötet sie, um Tag für Tag Gold zu gewinnen.“

Vom Ausbeuter zum Prokurator für die Indios

Die Domi­ni­ka­ner ver­wei­ger­ten jedem die Abso­lu­ti­on, der Indi­os so trak­tier­te und aus­beu­te­te. Einer der spa­ni­schen Enco­mien­da-Besit­zer, dem um 1514 die Sün­den-Los­spre­chung ver­wei­gert wur­de, war der damals 30-jäh­ri­ge Bar­tho­lo­mé de Las Casas. Als er bei einem Domi­ni­ka­ner die Beich­te able­gen woll­te, wur­de auch ihm die­se ver­wei­gert, was bei ihm einen Umdenk­pro­zess einleitete.

Las Casas hat­te seit 1502 als Sol­dat an ver­schie­de­nen Straf- und Erobe­rungs­feld­zü­gen auf Kari­bik­in­seln teil­ge­nom­men [die erste euro­päi­sche Sied­lung auf dem ame­ri­ka­ni­schen Fest­land ent­stand erst 1510]. Als Beloh­nung hat­te er eine Enco­mien­da samt Indio­sied­lun­gen bekom­men. Nach sei­ner „Bekeh­rung“ setz­te er sich für die Rech­te der Indi­os ein. Spä­ter als Prie­ster und Domi­ni­ka­ner begann er, die Geschich­te der Indi­os, ihrer Aus­beu­tung und Ver­nich­tung zu schrei­ben. Sein bekann­te­stes Werk ist der „Kurz­ge­fass­te Bericht von der Ver­wü­stung der West­in­di­schen Län­der“. Ab 1537 konn­te er als Mis­sio­nar in Gua­te­ma­la ver­trag­lich Schutz­zo­nen für Indi­os ein­rich­ten, in die kei­ne zivi­len spa­ni­schen Kolo­ni­sten und Sol­da­ten ein­drin­gen durf­ten. Die­ses „Ver­a­paz“ [Wah­rer Frie­den] genann­te Indio­ge­biet wur­de Vor­bild für die spä­te­ren Jesui­ten­re­duk­tio­nen in Süd­ame­ri­ka. Als Bischof von Chia­pas in Süd­me­xi­ko hat­te Las Casas einer­seits grö­ße­re Voll­mach­ten, ande­rer­seits über­zo­gen ihn die spa­ni­schen Sied­ler mit Ver­leum­dun­gen und Todesdrohungen.

Mit sei­ner Denk­schrift, dem „Kurz­ge­fass­ten Bericht“, gelang Las Casas 1542 sein größ­ter Erfolg. Sei­ne Vor­schlä­ge wur­den weit­ge­hend in die „Neu­en Geset­ze“ von König Karl IV. (zugleich als Kai­ser Karl V.) über­nom­men. Danach war die Ver­skla­vung der Indi­os grund­sätz­lich ver­bo­ten. Weil aber der spa­ni­sche König und römisch-deut­sche Kai­ser just zu dem Zeit­punkt viel Geld brauch­te für einen Feld­zug gegen die deut­schen Pro­te­stan­ten, konn­te er die Geset­ze nicht gegen den erbit­ter­ten Wider­stand der Sied­ler durch­set­zen. Ab 1556 wie­der in Spa­ni­en, ver­hin­der­te der Domi­ni­ka­ner, dass die neu­spa­ni­schen Sied­ler mit einer Bestechungs­sum­me von neun Mil­lio­nen Pesos bei König Phil­ipp II. zum Erfolg kamen, die Enco­mien­das von zeit­li­chen Lehen in ewi­gen Fami­li­en­be­sitz über­ge­hen zu lassen.

Spa­ni­en unter­sag­te nie ras­sisch oder eth­nisch gemisch­te Ehen

Scholastische Menschenrechte gegen kolonialistische Sklaverei

Las Casas schrieb in sei­nem Testa­ment, er habe dafür gekämpft, „die ursprüng­li­chen Frei­hei­ten der Indi­os wie­der­her­zu­stel­len, die man ihnen unrecht­mä­ßig genom­men hat“. In die­sem Anlie­gen konn­te sich der könig­li­che Pro­ku­ra­tor aller Indi­os in West­in­di­en auf die wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en der Uni­ver­si­tät von Sala­man­ca stüt­zen. Der dort wir­ken­de Domi­ni­ka­ner­pa­ter Fran­cis­co de Vito­ria (+1546) beton­te in sei­nen „Vor­le­sun­gen über die Indi­os“ aus dem Jah­re 1532 auf Grund­la­ge der Leh­re von Augu­sti­nus und Tho­mas von Aquin, dass alle Men­schen nach der Schöp­fungs­ord­nung – also „von Natur aus“ – gleich sind. Wenn aber die Indi­os im natur­recht­li­chen Sta­tus auf der glei­chen Stu­fe stan­den wie die Spa­ni­er, dann waren und blie­ben sie auch Eigen­tü­mer ihres bewohn­ten Lan­des – so die Fol­ge­rung des Theo­lo­gen. Mit die­ser Argu­men­ta­ti­on bestritt de Vito­ria die Rechts­grund­la­ge für die spa­ni­sche Zutei­lung von India­ner­land und damit das Encomienda-System.

Als Schü­ler des hl. Tho­mas von Aquin bekräf­tig­te der spa­ni­sche Domi­ni­ka­ner die kirch­li­che Leh­re, dass der Glau­be vom Wil­len abhängt und daher die Glau­bens­an­nah­me nur ein frei­heit­li­cher Akt ohne jeg­li­chen Zwang sein kann. Auf die­ser Argu­men­ta­ti­ons­ba­sis ver­ur­teil­te de Vito­ria die Zwangs­be­din­gun­gen des Encomienda-Systems.

Das Neue an de Vito­ri­as Rechts­dis­kurs bestand außer­dem dar­in, dass er den natur­recht­li­chen Gleich­heits­sta­tus der Ein­zel­men­schen auch auf die Für­sten­tü­mer und Staa­ten anwand­te – gleich ob christ­lich oder heid­nisch. Damit waren aber auch die Staa­ten an die natur­recht­li­chen Prin­zi­pi­en gebun­den – etwa die gegen­sei­ti­ge Rech­te-Respek­tie­rung oder die ein­schrän­ken­den Regeln vom gerecht­fer­tig­ten Krieg.

Mit die­sen Grund­sät­zen des moder­nen Völ­ker­rechts stell­te sich de Vito­ria in schar­fen Gegen­satz zu der Staats­macht­theo­rie des Renais­sance-Poli­ti­kers Nic­colò Machia­vel­li (+1527). Der Diplo­mat und Schrift­stel­ler aus Flo­renz lehr­te, dass der Staat an kei­ne mora­li­schen Prin­zi­pi­en gebun­den sei sowohl im Han­deln gegen­über den Bür­gern wie auch gegen­über den ande­ren Staa­ten. Die­ser unmo­ra­li­sche Anspruch staat­li­cher Selbst­herr­lich­keit und auto­kra­ti­scher Staats­rai­son soll­te bis ins 20. Jahr­hun­dert viel Leid und Krieg über die Völ­ker brin­gen. Der Theo­lo­ge Fran­cis­co de Vito­ria dage­gen hat als ‚Vater des moder­nen Völ­ker­rechts’ zur Ver­recht­li­chung und Befrie­dung der Völ­ker­be­zie­hun­gen beigetragen.

Päpstliche Verkündigung der Menschenrechte

Bedeut­sam war auch der Ein­fluss des Domi­ni­ka­ners auf Theo­lo­gie und Kir­che. In der berühm­ten Bul­le Sub­li­mis Deus (1537) folgt Papst Paul III. der scho­la­sti­schen Argu­men­ta­ti­on de Vito­ri­as, die er in sei­nen „Vor­le­sun­gen über die Indi­os“ von 1532 ent­wickelt hatte:

Die Men­schen sei­en als Geschöp­fe des voll­kom­me­nen Got­tes nicht nur Teil­ha­ber am Guten, son­dern dazu bestimmt, das höch­ste Gut unmit­tel­bar zu sehen in der ewi­gen Glückseligkeit.

Da das ewi­ge Leben nur durch den Glau­ben erlangt wer­den kann – so der Papst –, muss die geschöpf­li­che Natur des Men­schen so beschaf­fen sein, dass er den Glau­ben emp­fan­gen und besit­zen kann.

Es sei eine List des Teu­fels und sei­ner Hel­fers­hel­fer zu behaup­ten, die Völ­ker Ame­ri­kas und ande­rer Erd­tei­le sei­en kei­ne wirk­li­chen Men­schen und hät­ten des­halb nicht die Fähig­keit zur Glau­bens­an­nah­me. Mit die­ser Begrün­dung wür­den sie die genann­ten Völ­ker „wie Tie­re zu Skla­ven­dien­sten“ ein­span­nen, tat­säch­lich aber begehr­ten sie nur, mit der Skla­ven­hal­tung ihre Hab­sucht zu befriedigen.

Wir dage­gen – so der Papst – erklä­ren in Über­ein­stim­mung mit der Leh­re Chri­sti, dass die Indi­os „als wirk­li­che Men­schen die Fähig­keit zum christ­li­chen Glau­ben besitzen“.

„Kraft unse­rer apo­sto­li­schen Auto­ri­tät bestim­men wir“:
1. Die Indi­os und alle ande­ren Völ­ker, ob heid­nisch oder gläu­big, dür­fen nicht ver­sklavt werden.

2. Die heid­ni­schen Völ­ker dür­fen ihrer Frei­heit und ihres Besit­zes nicht beraubt werden.

3. „Viel­mehr sol­len sie unge­hin­dert und erlaub­ter­wei­se das Recht auf Besitz und Frei­heit ausüben.“

Der Papst bekräf­tig­te den Mis­si­ons­auf­trag der Kir­che in der Form, dass die heid­ni­schen Völ­ker „zum Glau­ben an Chri­stus ein­ge­la­den (sind) durch die Ver­kün­di­gung des Wor­tes Got­tes und das Bei­spiel eines guten Lebens“.1 Mit die­ser Enzy­kli­ka waren zugleich alle päpst­li­chen Doku­men­te aus dem 15. Jahr­hun­dert zur Recht­fer­ti­gung von kolo­nia­li­sti­schen Erobe­run­gen, Ver­skla­vung und Aus­beu­tung obso­let geworden.

Aufrufe zur kolonialen Landnahme waren Missbrauch der päpstlichen Vollmachten

Papst Niko­laus V. hat­te 1452 in sei­ner Bul­le Dum Diver­sas dem König Alfons von Por­tu­gal erlaubt, sara­ze­ni­sche und heid­ni­sche Län­der und Rei­che in West­afri­ka anzu­grei­fen, zu erobern und zu unter­jo­chen, die ungläu­bi­gen Per­so­nen für immer in Knecht­schaft zu hal­ten sowie deren Besitz­tü­mer und Güter als Eigen­tum in Besitz zu neh­men. Der in mehr­fa­cher Hin­sicht mora­lisch kor­rup­te Bor­gia-Papst Alex­an­der VI., gebür­ti­ger Spa­ni­er, über­trug in sei­ner Gefäl­lig­keits-Bul­le „Inter Cae­te­ra“ von 1493 alle damals neu ent­deck­ten Län­der „West­in­di­ens“ jen­seits eines mit­tel­at­lan­ti­schen Län­gen­gra­des den spa­ni­schen Herr­schern zum Eigentum.

Autoren aus dem eng­li­schen Sprach­raum ver­brei­ten seit eini­ger Zeit die Behaup­tung, die­se renais­sance-päpst­li­che „Doc­tri­ne of Dis­co­very“ hät­te nicht nur die Kolo­ni­sa­ti­on der ibe­ri­schen Staa­ten Por­tu­gal und Spa­ni­en begrün­det, son­dern auch die nicht-katho­li­schen Kolo­ni­al­mäch­te wie die Nie­der­lan­de und Eng­land maß­geb­lich bei ihren Kolo­ni­al­er­obe­run­gen und ‑ent­eig­nun­gen ab dem 17. Jahr­hun­dert beein­flusst – bis hin zu den spät­ko­lo­nia­li­sti­schen Heim­schu­len in Kana­da. Daher müss­te Papst Fran­zis­kus end­lich die oben genann­ten Bul­len für ungül­tig erklären.

Deut­sche Medi­en wie die ARD-Tages­schau oder die FAZ vom 9. 8. 2022 beten das neue Deko­lo­nia­li­sie­rungs­nar­ra­tiv nach – mit der Schluss­fol­ge­rung, dass letzt­lich die Kir­che an der neu­zeit­li­chen Kolo­nia­li­sie­rung schuld wäre. Die histo­ri­sche Wahr­heit ist eine ande­re: Kai­ser Karl V. beton­te gegen die päpst­li­che Kri­tik an kolo­nia­ler Land­nah­me ein „kai­ser­li­ches (Eigen-) Recht auf Kolo­ni­sa­ti­on“.2 Und dass die eng­li­schen Kolo­ni­sten der römisch-katho­li­schen Erlaub­nis eines spa­ni­schen Pap­stes mora­li­sche Bedeu­tung zuge­mes­sen hät­ten, wider­spricht jeder histo­ri­schen Logik. Im Gegen­teil erwies sich deren Kampf gegen die päpst­li­che Auf­tei­lung der Kolo­ni­al­welt zwi­schen Spa­ni­en und Por­tu­gal als Bedin­gung ihrer eige­nen Kolonisation.

Inner­kirch­lich war die Ungül­tig­keit der genann­ten Bul­len schon zu Anfang des 16. Jahr­hun­dert klar gewor­den, da Päp­ste kei­ne „apo­sto­li­sche Voll­macht“ haben, Erobe­rungs­krie­ge, Land­ent­eig­nung und Ver­skla­vung zu erlau­ben. Allein zur Mis­si­on der Völ­ker kön­nen sie beauf­tra­gen. Die­se Argu­men­ta­ti­on der spa­ni­schen Domi­ni­ka­ner über­nahm Papst Paul III. in sei­ner oben beschrie­be­nen Enzy­kli­ka von 1537. Seit mehr als 480 Jah­ren ist die Doc­tri­ne of Dis­co­very nicht mehr gel­ten­de Leh­re der Kirche.

Rückschrittliche Theorien von Humanisten zur Unterjochung der Völker …

Gegen die­se scho­la­stisch begrün­de­ten Posi­tio­nen, die zugleich die Grund­la­gen der neu­zeit­li­chen Frei­heits­phi­lo­so­phie leg­ten, wand­ten sich Renais­sance-Gelehr­te. Die stütz­ten sich auf die Phi­lo­so­phie der anti­ken Skla­ven­hal­ter­ge­sell­schaf­ten. Der in Paris leh­ren­de Ari­sto­te­li­ker schot­ti­scher Her­kunft John Mayor (+1550) hat­te schon 1509 das fol­gen­de Ver­gleichs­mu­ster vor­ge­ge­ben: Die zivi­li­sier­ten Spa­ni­er hät­ten über die Indi­os das glei­che Herr­schafts­recht wie die gebil­de­ten Grie­chen über die Bar­ba­ren, da jene Völ­ker „Skla­ven von Natur aus“ seien.

Der spa­ni­sche Huma­nist und Renais­sance­ge­lehr­te Juan Ginés de Sepúl­ve­da (+ 1573) ver­brei­te­te eine aus­ge­feil­te Recht­fer­ti­gungs­ar­gu­men­ta­ti­on für den Kolo­nia­lis­mus in drei Begrün­dungs­schrit­ten:
• Die Indi­os sei­en bar­ba­risch-unzi­vi­li­sier­te Men­schen, von ihrer kör­per­li­chen und gei­sti­gen Kon­sti­tu­ti­on von Natur aus für die Skla­ve­rei bestimmt.
• Die bar­ba­ri­sche Reli­gi­on der Göt­zen­die­ner kön­ne nicht gedul­det wer­den, Tau­sen­de von Unschul­di­gen sei­en vor Unter­drückung und dem Men­schen­op­fer­kult zu bewah­ren.
• Daher hät­ten die euro­päi­schen Kolo­ni­sten das Recht und die Pflicht, mit der welt­li­chen Herr­schaft über die Indi­os bis hin zur Ver­skla­vung den Boden für die Ver­kün­di­gung der christ­li­chen Heils­leh­re zu bereiten.

Die­se Begrün­dungs­mu­ster für Kolo­nia­lis­mus wur­den von den spä­te­ren Kolo­ni­al­mäch­ten West- und noch spä­ter auch Mit­tel­eu­ro­pas in den Grund­zü­gen über­nom­men. Dabei ließ man viel­fach die Argu­men­ta­ti­ons­schrit­te gegen Göt­zen­die­ner und Schutz vor patho­lo­gi­schen Reli­gi­ons­ent­ar­tun­gen sowie für christ­li­che Mis­si­on weg.

… erzeugten rassistische Ideen der europäischen Aufklärer

Der erste Punkt zu den unzi­vi­li­sier­ten, bar­ba­ri­schen Men­schen wur­de von vie­len Phi­lo­so­phen der Spät­auf­klä­rung sogar noch ver­schärft. Sie erklär­ten die nicht-wei­ßen Völ­ker zu unter­mensch­li­chen Wesen, den Tie­ren näher als den Men­schen. Die Auf­klä­rer begrün­de­ten deren Infe­rio­ri­tät mit kör­per­li­chen, psy­chi­schen und gei­sti­gen Merk­ma­len, also ras­si­stisch. Man lese dazu die Aus­sa­gen von Vol­taire über die „Hot­ten­tot­ten“. Von Imma­nu­el Kant wer­den die Völ­ker der Welt in eine Ras­sen­py­ra­mi­de gepresst, deren unter­ste Stu­fe die Schwarz­afri­ka­ner bil­de­ten. Die wei­ßen Völ­ker Euro­pas als Her­ren­ras­se hät­ten dage­gen das Recht und die Pflicht, im Namen huma­ner und uni­ver­sa­ler Wer­te die wil­den Völ­ker in zivi­li­sa­to­ri­scher Mis­si­on zu befrie­den. Lite­ra­risch ist die­se Herr­schafts­ideo­lo­gie, bei der die kolo­nia­li­sti­sche Aus­beu­tung als huma­ni­tä­rer Akt hoch­sti­li­siert wird, in Rudy­ards Kipli­ngs Gedicht von 1899 aus­ge­drückt: ‚Nehmt auf euch die Bür­de des Wei­ßen Man­nes, indem ihr die ver­schreck­ten Wil­den, eure neu­ge­fan­ge­nen fin­ste­ren Völ­ker, halb Teu­fel, halb Kin­der, aus der Knecht­schaft befreit und ins Licht führt!

Nicht ras­si­stisch, aber nicht weni­ger demü­ti­gend glaub­te der deut­sche Phi­lo­soph Georg Fried­rich Wil­helm Hegel Schwarz­afri­ka von mensch­li­cher Frei­heit und Geschich­te ganz aus­schlie­ßen zu sol­len. Er schrieb den Afri­ka­nern einen Zustand der blo­ßen sinn­lich-vege­ta­ti­ven Exi­stenz im vor­ge­schicht­li­chen Sein zu. Daher wür­de die Pha­se der Skla­ve­rei „die Zunah­me des mensch­li­chen Gefühls unter den Negern“ mar­kie­ren, somit Fort­schritt bedeu­ten auf dem Weg zur Teil­ha­be an der höhe­ren Moral, Bil­dung und Kul­tur von frei­en Bür­gern in einem gerech­ten Staat.3

Bei den Kon­tro­ver­sen um die Behand­lung der Indi­os im 16. Jahr­hun­derts konn­ten sich in Euro­pa die welt­li­chen Befür­wor­ter von kolo­nia­li­sti­scher Aus­beu­tung und Unter­drückung weit­ge­hend durch­set­zen. Erst seit der Jahr­tau­send­wen­de hat die brei­te­re Refle­xi­on der Deko­lo­nia­li­sie­rung dar­über begon­nen, dass das neu­zeit­li­che Bür­ger­tum mit sei­nen herr­schen­den Mei­nungs­füh­rern von Renais­sance-Huma­ni­sten, Auf­klä­rern und Frei­mau­rern über 400 Jah­re ein welt­wei­tes Unrechts­sy­stem auf­bau­te und davon pro­fi­tier­te. Man­che Kom­men­ta­to­ren bezeich­nen den atlan­ti­schen Skla­ven­han­del mit mehr als elf Mil­lio­nen Ver­sklav­ten als ein Jahr­tau­send­ver­bre­chen. Das kann auch nicht dadurch rela­ti­viert wer­den, dass die isla­misch indu­zier­te Skla­ve­rei in etwa 1000 Jah­ren mehr als 14 Mil­lio­nen Skla­ven gene­rier­te und verbrauchte.

Würdigung der kirchlichen Vorkämpfer der Menschenrechte

Auf die­sem Hin­ter­grund sind die frü­hen Vor­kämp­fer für Frei­heit und Gleich­heit der Men­schen und Völ­ker aus der Ver­ges­sen­heit zu holen, um ihre Ver­dien­ste zu wür­di­gen. Die Domi­ni­ka­ner­pa­tres Anto­nio de Mon­te­si­no, Fran­cis­co de Vito­ria und Bar­tho­lo­mé de Las Casas ste­hen für vie­le wei­te­re Ordens­leu­te und Mis­sio­na­re, die auch im 17. und 18. Jahr­hun­dert dort am segens­reich­sten wirk­ten, wo der Zugriff von aus­beu­te­ri­schen Kolo­ni­sten und hab­gie­ri­gen Skla­ven­jä­gern, geschützt von auf­ge­klär­ten Staats­füh­rern, am gering­sten war – etwa in den jesui­ti­schen Reduk­tio­nen in Südamerika.

In der berühm­ten Dis­pu­ta­ti­on von Val­la­do­lid 1550 zwi­schen Las Casas und Sepúl­ve­da ent­fal­te­te der Domi­ni­ka­ner sei­ne „Apo­lo­gia“, die in einem ‚Mani­fest der Mensch­heit’ gip­felt:
Die Indi­os sind eben­so zivilisations‑, ver­nunft- und glau­bens­fä­hig wie die Spa­ni­er. „Alle Men­schen sind ein­an­der gleich, was ihre Schöp­fung und natür­li­chen Bedin­gun­gen betrifft“, denn sie sind mit Ver­stand und frei­em Wil­len ausgestattet.

Um die Aus­rich­tung der spa­ni­schen und por­tu­gie­si­schen Kolo­ni­al­po­li­tik voll­zog sich im gesam­ten 16. Jahr­hun­dert die Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den Kolo­ni­sten, regio­na­len Kolo­ni­al­be­hör­den und der könig­li­chen Staats­re­gie­rung auf der einen Sei­te und den kirch­li­chen Pro­te­sten auf der ande­ren Sei­te. Das Kon­flikt­mu­ster ent­fal­te­te sich in zwei For­men, hier bei­spiel­haft erläutert:

• Nach der Ankla­ge­pre­digt des Domi­ni­ka­ner­pa­ters Mon­te­si­no 1511 wur­de der Pre­di­ger auf Betrei­ben der Kolo­ni­sten nach Spa­ni­en zurück­ge­ru­fen und vor König Fer­di­nand ange­schwärzt. Doch er konn­te den König von sei­ner recht­schaf­fe­nen Agen­da über­zeu­gen. Der spa­ni­sche Regent erließ dar­auf­hin die ersten Schutz­ge­set­ze für die Indi­os. Die tra­fen aber auf den erbit­ter­ten Wider­stand der spa­ni­schen Kolo­ni­sten. Die­sem Druck beug­ten sich die Kolo­ni­al­gou­ver­neu­re vor Ort, so dass die neu­en Schutz­re­geln für die Indi­os nur unzu­rei­chend umge­setzt wur­den. Ähn­lich erging es Bar­tho­lo­mé de Las Casas und den von ihm ange­reg­ten ‚neu­en Geset­zen‘ von 1542.

• Unter dem Ein­fluss der Domi­ni­ka­ner-Pro­fes­so­ren der Uni­ver­si­tät Sala­man­ca ver­fass­te Papst Paul III. 1537 ein apo­sto­li­sches Schrei­ben, in der er jedem Kolo­ni­sten die auto­ma­ti­sche Exkom­mu­ni­ka­ti­on androh­te, der indi­ge­ne Ame­ri­ka­ner ver­sklavt oder aus­raubt. Gegen die­se kirch­li­che Straf­an­dro­hung beschwer­ten sich wie­der­um die Kolo­ni­sten bei Kai­ser Karl V. Der sah in dem päpst­li­chen Doku­ment das kai­ser­li­che Recht auf Kolo­ni­sa­ti­on ver­letzt und droh­te sei­ner­seits dem Papst. In Erin­ne­rung an die Plün­de­rung Roms durch kai­ser­li­che Trup­pen zehn Jah­re vor­her sah sich der Papst gezwun­gen, sein Schrei­ben zurück­zu­zie­hen, um aber in der noch im glei­chen Jahr fol­gen­den Enzy­kli­ka Sub­li­mis Deus sei­ne Posi­ti­on von der Gleich­wer­tig­keit und Frei­heit aller Men­schen zu erneu­ern (sie­he oben).

Trotz des ener­gi­schen Ein­sat­zes von Ordens­leu­ten und Papst für die Men­schen­rech­te der Indi­os festig­te sich in der zwei­ten Hälf­te des 16. Jahr­hun­derts der staat­li­che Schutz für Skla­ven­hal­tung der Schwar­zen und Aus­beu­tung der Indi­os. Die Ent­wick­lung wur­de dadurch beför­dert, dass der Haupt­ver­tre­ter der Kolo­nia­lis­mus­theo­rie, Ginés de Sepúl­ve­da, zum Erzie­her von König Karls IV. Sohn und Nach­fol­ger Phil­ipp II. bestellt wurde.

So eta­blier­ten sich in der Kir­che im 16. bis 18. Jahr­hun­dert zwei wider­sprüch­li­che Ebe­nen:
An der kirch­li­chen Mis­si­ons­ba­sis enga­gier­ten sich die Domi­ni­ka­ner, Jesui­ten, Fran­zis­ka­ner und ande­re Mis­si­ons­or­den wei­ter­hin uner­müd­lich für die Rech­te der Indi­os, lern­ten ihre Spra­chen und inte­grier­ten deren Tra­di­tio­nen in ihre Mis­si­ons­be­mü­hun­gen. Die kirch­li­che Hier­ar­chie dage­gen war dem stän­di­gen Gegen­druck der spa­ni­schen und por­tu­gie­si­schen Kolo­ni­sten sowie deren Regie­run­gen aus­ge­setzt, so dass sich Bischö­fe und Ordens­obe­re frei­wil­lig oder gezwun­gen mit den kolo­nia­li­sti­schen Aus­beu­tungs­ver­hält­nis­sen arrangierten.

Unter die­sem Zwie­spalt stan­den auch noch die Mis­sio­na­re im 19. und 20. Jahr­hun­dert in Kana­da: Die Obla­ten-Patres des Ordens der Unbe­fleck­ten Jung­frau Maria (OMI) mis­sio­nier­ten in den 1880er Jah­ren in den kana­di­schen Land­ge­bie­ten die Stäm­me der India­ner und Inu­it. In ihren ab 1884 gegrün­de­ten Inter­nats­schu­len woll­ten sie den Kin­dern der ver­arm­ten und in Reser­va­te abge­scho­be­nen indi­ge­nen Stäm­men die Fähig­kei­ten ver­mit­teln, die sie für die Teil­ha­be an der moder­nen Welt brauch­ten. Sie leg­ten aber gro­ßen Wert dar­auf, die ein­hei­mi­schen Spra­chen der Kin­der zu erler­nen und zu pfle­gen. Doch der kana­di­sche Staat unter­sag­te genau das in sei­nen Schul­ge­set­zen. Die Schul­be­hör­den ver­bo­ten den indi­ge­nen Schü­lern sogar in der Frei­zeit, sich in ihrer Mut­ter­spra­che zu unter­hal­ten. Der Gene­ral­obe­re des OMI-Ordens, Pater Labou­ré, eröff­ne­te den Schul­lei­tern der ordens­ei­ge­nen Inter­na­te bei einer Kon­fe­renz 1936: „Das Ver­bot ist so streng, dass der gering­ste Ver­stoß streng bestraft wird“ – mit der Fol­ge, „dass Kin­der glaub­ten, dass das Spre­chen in ihrer Spra­che ein schwer­wie­gen­der Feh­ler wäre und sie sich bei der Rück­kehr nach Hau­se schäm­ten, mit ihren Eltern in ihrer Mut­ter­spra­che zu spre­chen.“4

Für die­se oktroy­ier­te sprach­li­che und kul­tu­rel­le Ent­wur­ze­lung der Indi­os durch staat­li­che Lehr­plä­ne, die schlech­te Bil­dung und medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung auf­grund von staat­li­cher Unter­fi­nan­zie­rung und Man­gel an Per­so­nal mit der Fol­ge von schlech­ten Abschlüs­sen und erhöh­ten Todes­ra­ten waren voll­um­fäng­lich die staat­li­chen kana­di­schen Behör­den ver­ant­wort­lich. Nach umfang­rei­chen Unter­su­chun­gen hat die kana­di­sche Regie­rung 2008 die vol­le Ver­ant­wor­tung für den kul­tu­rel­len, eth­ni­schen und sprach­li­chen Kolo­nia­lis­mus ras­si­sti­scher Art an den indi­ge­nen Schü­lern über­nom­men. In einer ersten Mar­ge wur­den 78.500 ehe­ma­li­ge indi­ge­ne Inter­nats­schü­ler pau­schal mit je 28.000 US-Dol­lar ent­schä­digt, für sexu­el­le und kör­per­li­che Miss­hand­lun­gen jeweils mit bis zur zehn­fa­chen Sum­me.5

Anläss­lich der apo­sto­li­schen Rei­se von Papst Fran­zis­kus nach Kana­da wird von den Medi­en der Ein­druck ver­mit­telt, dass die katho­li­sche Kir­che mit ihrer Mis­si­ons­ar­beit die Haupt­schul­di­ge an den kolo­nia­li­stisch aus­ge­rich­te­ten Inter­nats­schu­len für Indi­ge­ne gewe­sen wäre. Das ist grund­falsch, was auch die histo­ri­sche Ana­ly­se zeigt, nach der die katho­li­sche Mis­si­on grund­sätz­lich auf das Wohl­erge­hen und Heil der als gleich­wer­tig ange­se­he­nen Men­schen aus­ge­rich­tet war.

Aller­dings hat­ten katho­li­sche Orden ihren Anteil an dem fehl­ge­lei­te­ten Inter­nats­schul­sy­stem für indi­ge­ne Kin­der in Kana­da. Kirch­li­che Insti­tu­tio­nen lie­ßen sich in die­sem Fall wie auch teil­wei­se bei frü­he­ren Mis­si­ons­pro­jek­ten all­zu stark in staat­lich-kolo­nia­li­sti­sche Bestre­bun­gen einbinden.

Bild: Wiki­com­mons


1 Vgl. Sub­li­mis Deus v. 2. Juni 1537.

2 Wiki­pe­dia: Pasto­ra­le Offi­ci­um von 1637

3 Har­rel­son, Kevin: Was hat Hegel mit Ras­sis­mus zu tun?, FAZ 24.11.2021.

4 Camil­le Piché OMI: Obla­te Mini­stry among Abori­gi­nal Peo­p­les of Cana­da, auf der Sei­te: omi​usa​jpic​.org.

5 Wiki­wand: Indi­an Resi­den­ti­al Schools Sett­le­ment Agree­ment.

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