(Seoul) Südkorea zählt einen Kardinal, 16 Diözesen, 37 Bischöfe (14 davon emeritiert) und 5.538 Priester. Nur 123 von ihnen stammen aus dem Ausland. Zwei davon wurden am 8. Dezember 2021 zu Priestern geweiht. Es handelt sich um P. James Sahaya Arul Selvan und P. Xavier Sahaya Arul Selvan. Die beiden Franziskanermissionare sind Zwillinge und stammen aus Indien.
Die beiden 32 Jahre alten Patres wurden im Wallfahrtsort Solmoe in der Diözese Dangjin zu Priestern geweiht. Das Heiligtum gilt als „Geburtsort“ der Kirche in Korea. Hier wurde der heilige Andreas Kim Dae-geon (auch Taegon) geboren, der erste koreanische Priester. Drei Generationen der Familie Kim erlitten das Martyrium, der Priester Andreas Kim Dae-geon, sein Vater Ignatius Kim Je-jun, sein Onkel Andreas Kim Jong-han und sein Urgroßvater Pius Kim Jin-hu. Die Eltern waren Konvertiten.
Andreas Kim Dae-geon wurde 1836, im Alter von 15 Jahren, von einem französischen Priester getauft. Er studierte anschließend in Macau Theologie, missionierte zwischendurch als Diakon in seiner Heimat und wurde 1845 in Shanghai zum Priester geweiht. Im selben Jahr kehrte er als erster koreanischer Priester in seine Heimat zurück. Dort wurde er verhaftet und dreizehn Monate nach seiner Priesterweihe in Seoul, im Alter von erst 25 Jahren, gefoltert und enthauptet. In seinem Testament schrieb er:
„Ich wurde auf den Namen Christi gebunden. Ich bete zu Gott, er möge mir helfen, die schweren Strafen bis zum Ende mutig zu ertragen. Ich sterbe für Gott, aber dies ist der Beginn eines ewigen Lebens.“
Das Christentum wurde von der Führung des damaligen Königreichs Korea als Bedrohung ihrer Macht gesehen, da dieses lehrte, daß vor Gott alle gleich sind.
Zwei indische Brüder
Ausländische Seminaristen absolvieren ihr Studium meist bereits in Südkorea und werden dann auch dort zu Priestern geweiht. Der Grund ist die nicht unerhebliche Schwierigkeit beim Erlernen der koreanischen Sprache. So machten es auch die indischen Zwillinge, die sich im Einvernehmen mit ihrem Orden für ein Wirken in Südkorea entschieden haben. Sie wurden in einer katholischen Familie in Tamil Nadu geboren. Die Eltern, Lehrer an der katholischen Schule in ihrer Heimat, haben sie im katholischen Glauben erzogen. Obwohl sie nicht miteinander darüber sprachen, reifte in beiden der Wunsch nach dem Priestertum.
„Als wir Kinder waren, ahmten wir die Priester unserer Kirche nach, indem wir die Messe in einem Gewand feierten, das wir aus Handtüchern gemacht hatten.“
Lachend fügt P. James im Gespräch mit einem Journalisten der Korea Times hinzu:
„Da wir soviel Zeit in der Kirche verbrachten, mußten die Eltern im Pfarrhaus anrufen, wenn sie uns erreichen wollten.“
In Indien lernten sie Sr. Heide Brauckmann kennen, eine deutsche Ordensfrau, die 1943 in Paderborn geboren wurde. Sie gründete den Orden der Franziskaner-Missionsschwestern (FMSS) und lebt seit den 60er Jahren in Südkorea, wo sie auch ein Medizinstudium absolvierte. Die Ordensgründerin besuchte ein Kloster ihres Ordens in Indien. Die beiden Brüder wußten nach der Begegnung und einem längeren persönlichen Gespräch, daß sie sich dem männlichen Zweig des Ordens, den Franciscan Missionary Brothers of Service (FMBS), anschließen wollten.
Am 30. Juni 2010 wurden sie als Postulanten in den Orden aufgenommen und der Ordensniederlassung in Indien zugewiesen. Nach zwei Jahren schickte sie der Orden für ein Jahr nach Sambia und 2013 nach Südkorea. Von dem ostasiatischen Land wußten sie kaum etwas. „Was wir kannten, waren die Namen einiger internationaler Industriekonzerne.“
„Wir sind aber am 13. August, unserem Geburtstag, in Korea angekommen, was uns sehr besonders vorkam.“
Zunächst erlebten sie einen Kulturschock. In ihrer Heimat trinken Priester keinen Alkohol und rauchen nicht. Das Erlernen der Sprache gehörte auch dazu. Sie wurden zudem ständig gefragt, wer der ältere von ihnen sei. „Wir lernten, daß das in der koreanischen Kultur eine wichtige Rolle spielt. Aber wir wissen es wirklich nicht. Wir sind aufgewachsen, ohne daß das eine Rolle spielte. Selbst unsere Eltern wissen es nicht mehr, da wir eineiige Zwillinge sind. Wir haben also einfach entschieden, wer von uns der ‚Ältere‘ ist und solche Fragen zu beantworten hat.“
Zunächst erlernten sie ein Jahr lang an der Chungnam National University die Sprache ihres Gastlandes, bevor sie an der Katholischen Universität Daejon zugelassen wurden. So einfach war es aber noch nicht, den Vorlesungen auf koreanisch wirklich folgen zu können. Sie beschlossen daher, weder ihre Muttersprache noch das an der Schule in Indien erlernte Englisch zu verwenden und nur mehr Koreanisch zu sprechen. „Wir lesen die heilige Schrift und beten auf koreanisch.“ Auch ihre Mentalität habe sich dadurch angepaßt: „Wir werden jetzt auch schon ungeduldig mit Menschen, die langsam handeln, genau wie viele Koreaner, die es vorziehen, die Dinge schnell zu machen“, lacht P. James.
„Der Herr hat mich gesalbt“
Nach ihrer Priesterweihe erhielten sie die Erlaubnis, ihre Familie in Indien besuchen zu dürfen, ehe sie ihren ersten Dienst als Priester antreten werden. Heute ist der Tag, an dem sie ihr erstes Meßopfer in Indien zelebrieren werden. Ein weiterer Bruder bereitet sich an einer katholischen Universität in Indien auf das Priestertum vor und der jüngste Bruder setzte seine Hochzeit so an, daß seine Brüder anwesend sein können.
Beide wählten den Leitspruch ihres Priestertums aus dem gleichen Bibelvers (Lukas 4,18). P. Xavier: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ und P. James: „Der Herr hat mich gesalbt, den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden“.
Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Lebensstandard in Südkorea sehr hoch, wie die Brüder schnell feststellten. Sie machten aber auch die Erfahrung, daß viele junge Menschen dennoch unglücklich sind. Die jungen Menschen haben Schwierigkeiten eine Arbeit zu finden, heiraten zu können, verheiratet inmitten explodierender Immobilienpreise ein Zuhause zu finden. Diese Probleme des alltäglichen Lebens lösen ernste Sinnkrisen aus. Hier sehen sie ihre Aufgabe, helfend zur Seite zu stehen.
Auch ihren Weiheort empfinden sie als Anregung. Der heilige Andreas Kim Dae-geon wurde wegen seines Glaubens verhaftet und hingerichtet, weil dieser Glaube zeigt, daß vor Gott alle Menschen gleich sind. Er wollte nicht das damals herrschende Klassensystem umstürzen, dennoch erkannte dieses in ihm, wegen seines Glaubens, eine Bedrohung. Die Wahrheit über den Menschen, seine Natur und seine Würde, war die Bedrohung. „In Indien haben wir noch heute eine ähnliche Situation wie damals in Korea.“ Es sei noch nicht lange her, daß die Menschen in Indien in Kategorien eingeteilt wurden, und manche Kategorien nicht als Menschen betrachtet wurden. Inzwischen habe sich viel getan, dennoch gebe es noch viel Mißhandlung. „Es ist möglich, den Menschen Liebe zu zeigen, damit sie erkennen, daß sie Menschen sind, die Liebe verdienen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Wikicommons/Flickr