
(Rom) Mauro Olivieri, der Direktor des Vatikanischen Philatelischen und Numismatischen Amtes, war in Rom mit dem Motorrad unterwegs, als ihm ein kleiner Mural, eine Wandmalerei, am Straßenrand auffiel. Es zeigte den Auferstandenen und ist dem Bild des deutschen Kunstmalers Heinrich Hofmann (1824–1911) nachempfunden. Olivieri hielt an und fotografierte den Mural. Die Sache hat nun ein unerwartetes rechtliches Nachspiel.
Olivieri ließ aus dem Foto der Pop-Art-Wandmalerei den Entwurf für eine Briefmarke anfertigen. Zum Osterfest 2020 brachte die Päpstliche Philatelie die Briefmarke im Wert von 1,15 Euro für den Vatikanstaat heraus. 80.000 Exemplare wurden gedruckt und seit Februar 2020 angeboten. Gesamtwert: 92.000 Euro. Der Urheber der Straßenkunst war unbekannt, das illegal an einer Hausmauer angebrachte Werk nicht signiert. Versuche den Urheber ausfindig zu machen, blieben erfolglos. Die Briefmarke zeigt die dem Werk Hofmanns nachempfundene Christus-Darstellung, auf der ein anatomisches Herz nachempfunden ist mit der Aufschrift „Just use it“. Da dem Briefmarkenmotiv Olivieris Foto zugrunde liegt, wird deutlich, daß es sich um ein Mural handelt. Die vatikanische Philatelie wollte, so Olivieri, der Street Art Aufmerksamkeit verschaffen.

Inzwischen ist dessen Identität geklärt. Dafür sorgte die Klage, die von zwei Rechtsanwälten bei der römischen Gerichtsbehörde eingebracht wurde. Kläger ist die italienisch-südafrikanische Künstlerin Alessia Babrow. Die 42jährige verlangt vom Vatikan 36.800 Schadensersatz für immateriellen und 92.000 Euro für materiellen Schaden. Mit anderen Worten: Die Künstlerin fordert den gesamten Verkaufswert der Briefmarken, da ihr Name darauf nicht erwähnt wurde. Zudem würden die Briefmarken seit deren Ausverkauf auf dem philatelischen Markt um bis zu 4 Euro je Stück gehandelt. Ihre Anwälte betonen, daß das alleinige Vermarktungsrecht an ihrer Kunst Babrow zustehe. Es sei „keine Frage des Geldes“, sagt die Künstlerin. Sie könne auch kostenlos arbeiten, aber sie wolle nicht, daß „andere sich bereichern, indem sie ohne meine Zustimmung meine Arbeit vermarkten“.
Von einer Freundin aufmerksam gemacht, habe sie sich zu erkennen gegeben und an den Vatikan gewandt, dort aber kaum Aufmerksamkeit gefunden, sodaß sie sich an eine Rechtsanwaltskanzlei wenden habe „müssen“. Ihr mißfalle zudem, daß ihre Arbeit in so direkten Zusammenhang mit der katholischen Kirche gebracht wurde, denn ihre Botschaft sei eine „kritische Reflexion über dogmatische Wahrheiten“.
Vom Gericht wurde für den kommenden 7. Dezember eine Verhandlung anberaumt.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL