Von einer Katholikin
Anbetung der Könige: Das Originalgemälde (um 1760) des französischen Malers Charles André (Carle) van Loo zeigt die Heiligen Drei Könige, die dem Jesuskind ihre Geschenke bringen. Man sieht auf Knien König Melchior, der dem Jesuskind ehrfürchtig huldigt und ihm die eigene Krone zu Füßen legt. Seine heilige jungfräuliche Mutter hält ihren Sohn liebevoll denen entgegen, die kamen, um ihn als König anzubeten. Sie hat gerade die weißen Tücher vorsichtig angehoben, damit alle das in Windeln gewickelte göttliche Kind sehen können, das sie durch die Gnade Gottes, des Vaters, auf und in die Welt bringen durfte. Alle Blicke, auch die des Betrachters, konzentrieren sich auf das Kind in der unteren Bildhälfte, alles neigt sich ihm zu, Christus, dem König, dessen Offenbarwerden und Einzug in die Welt die Kirche feiert.
Doch die Wertigkeiten haben sich schon seit Langem verschoben. Die „Coronapandemie“ macht es nur vor aller Augen sichtbar.
Nein, das Titelbild des Magazins „Stern“ ( 23.12.2020), ist keine Satire wie seinerzeit der gekreuzigte Osterhase der heute-Show. Es ist schlimmer! Denn was hier pädagogisierend die Covid-19-Impfkampagne unterstützen soll, bedient sich in blasphemischer Weise der christlichen Heilsbotschaft von Weihnachten und instrumentalisiert Jesu Gebot der Nächstenliebe: Impfen zählt a priori als „Akt der Nächstenliebe“ und der Impfstoff ist eines der königlichen Geschenke:
„Die Weihnachtsgabe. Corona wütet in Deutschland so schlimm wie nie zuvor. Nur der neue Impfstoff gibt Hoffnung. Aber damit sie wahr wird, braucht es viel Nächstenliebe.“
So die Titelgeschichte des „Stern“.
Das Eintreten des Erlösers in die Welt, dem wir unsere Liebe, unsere Arbeit und auch unsere Leiden darbringen, ist nicht mehr genug. Das Jesuskind, unser Heiland, wird aus dem kompositorischen Zentrum des Bildes verdrängt und wirkt winzig hinter einer prädominanten überdimensionalen Flasche mit dem Covid-19-Impfstoff von BioNTec, die Melchior dem Kinde hinhält. Die goldene Krone trägt er selbst wieder auf dem Kopf, der Mensch, der Schöpfer der Impfstoff-Wunderwaffe, mit der er die Leben der Menschen retten wird im Kampf gegen das vernichtende Virus. Die Rettung der Seelen durch den Heiland hat Zeit.
„Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird“ (Lukas 2,10).
Der Autor kennt seine (Luther)bibel. Er kennt die Weihnachtsgeschichte und die Botschaft von der Hoffnung durch das Kind. Verstanden hat er sie nicht, denn „das Weihnachtsfest im Corona-Lockdown brauchte jedenfalls dringend eine zusätzliche frohe Botschaft“: die Impfung.
Immerhin weiß der Autor um die Versäumnisse der Politik und deklariert auch nicht jeden „ehrlich Besorgten“ (die es ja durchaus auch im Gesundheitsbereich gebe) gleich zum „gewissenlosen Leugner“.
Andere sind da brutaler. Ausgerechnet ein Mitglied des Ethikrats der Bundesregierung tat sich voller Empörung mit unethischen Forderungen hervor. Die „Bild“-Zeitung zitiert aus einem Schreiben, in dem der Humangenetiker Prof. Wolfram Henn zu einer Stigmatisierung von Impfverweigerern aufruft:
„Wer partout das Impfen verweigern will, der sollte, bitte schön, auch ständig ein Dokument bei sich tragen mit der Aufschrift: Ich will nicht geimpft werden. Ich will den Schutz vor der Krankheit anderen überlassen. Ich will, wenn ich krank werde, mein Intensivbett und mein Beatmungsgerät anderen überlassen.“
Immerhin widerspricht der Intensivmediziner Uwe Janssens, Vorsitzender der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin), diesem Ansinnen energisch und hält eine solche Meinung für ethisch (sic!) nicht vertretbar und betont, man werde natürlich allen die gleiche Versorgung zukommen lassen.
Unterstützung erhält der „Ethiker“ dagegen von Christian Drosten. Drosten hatte schließlich in seiner Marbacher Schillerrede, die er zu Ehren des Dichters über Freiheit und Verantwortung gesprochen hatte, den „pandemischen Imperativ“ in die Welt gesetzt:
„Oder brauchen wir – frei nach Immanuel Kant – einen eher strengen Hinweis auf Pflicht und Verantwortung? Eine Art pandemischen Imperativ: ‚Handle in einer Pandemie stets so, als seist Du selbst positiv getestet und Dein Gegenüber gehörte einer Risikogruppe an‘?“
In einer Twitternachricht vom 19. Dezember schreibt er:
„Wolfram Henn und Ralf Bartenschlager wollen Menschenleben retten, sonst nichts. Die nicht endenden Angriffe auf seriöse Wissenschaftler und die stetige Verballhornung ihrer Aussagen werden in diesem Winter noch Tausende das Leben kosten. #SchwereSchuld [sic!].“
Die Gleichung Impfen = Nächstenliebe hat sich im politischen und auch kirchlichen Diskurs bis hin in den Vatikan durchgesetzt. Doch auch wenn eine permanente polit-mediale Gehirnwäsche suggeriert, dass alle Impfstoffe unbedenklich seien (NB: Der BioNTec-Entwickler war allerdings nicht unter seinen 22 000 freiwilligen Testpersonen), muss es doch wohl einem frei denkenden Menschen, der der Erforschung von Impfstoffen zum Wohle der Menschen grundsätzlich positiv gegenübersteht, erlaubt sein, die Covid-19-Vaccine zu hinterfragen, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, wo viele entscheidende Fragen noch völlig offen sind. Damit er zu gegebener Zeit eine vernünftige freie Entscheidung treffen kann, die ggf. aber eben auch eine Ablehnung der Impfung bedeuten können muss.
Das Schwingen der Nächstenliebekeule ist auf jeden Fall unlauter. Es unterstellt Kritikern, die ja nicht alle Aluminiumhüte tragen und mit Coronapartys provozieren, sondern ein umsichtiges Verhalten zur zumindest erhofften Senkung des Infektionsrisikos mittragen, die Inkaufnahme des Todes ihrer Mitmenschen. Und schlimmer noch: Ein Verstoß gegen eine solchermaßen säkular definierte Nächstenliebe legitimiert weiterhin den Freiheitsentzug durch den Staat, wie es uns schon seit Monaten eingehämmert wird:
„Je unbedachter und egoistischer ich aber handle, desto eher muss der Staat meine Freiheit beschränken, um das Gemeinwesen wie auch das Wohlergehen der anderen Menschen wirksam zu schützen.“ (Drosten in seiner Schillerrede)
Eine Impfdiskussion, in der zudem die einzig politisch korrekte ethische Fragestellung die nach der „gerechten“ Verteilungsreihenfolge für die lebensrettende Impfdosis ist, bringt nicht zuletzt gläubige Christen, Katholiken allzumal, in arge Gewissensnöte.
Zwar kam aus der Glaubenskongregation am 21. Dezember eine moraltheologische Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Inanspruchnahme von Impfstoffen, die in Forschung und Herstellung auf die Verwendung von Zelllinien aus abgetriebenen Föten zurückgreifen, sofern andere Impfstoffe uns aus unterschiedlichen Gründen nicht zugänglich sind.
Die Pflicht zur Vermeidung einer auch nur passiven Kooperation an etwas Bösem ist aufgehoben bei notwendiger Gefahrenabwehr, wenn z. B. eine Pandemie durch Impfungen eingedämmt werden kann.
Aber: Ist weniger schlecht besser als nicht gut?
Wir müssten kein „schlechtes Gewissen“ haben, heißt es. Ganz im Gegenteil: Im Zweifel gehe Gemeinwohl vor Gewissen und Impfen werde zur moralischen Pflicht.
Sobald ich auf das unsägliche Titelbild des „Stern“ schaue, überkommt mich kaltes Grauen, wenn ich mir vorstelle, ein weiteres Bild könnte folgen, das die Heilige Familie beim Impfen zeigt. Und das Schlimme ist: Wir können in dieser immer dunkleren Welt keine Perversion mehr ausschließen und keine Auflehnung gegen Gott.
Umso dringender ist es, den Blick auf das Jesuskind in den Armen seiner Mutter zu richten, von dem uns Licht, Hilfe und Heil kommt. Nein, wir fürchten uns nicht.
Bild: Wikicommons