
(Rom) Bereits zwei Tage nach der Veröffentlichung der jüngsten Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus kam Jubel von Seiten der Freimaurerei auf. Die Großloge von Spanien/Spanischer Großorient erklärte begeistert, daß sich die neue Enzyklika von Papst Franziskus „die universelle Brüderlichkeit, das große Prinzip der modernen Freimaurerei“, zu eigen mache. Nun legten die Logenbrüder nach.
Die Großloge von Spanien/Spanischer Großorient tönte am 5. Oktober in ihrem Organ El Oriente, daß die neue Enzyklika zeige, wie weit sich heute „die gegenwärtige katholische Kirche von ihren früheren Positionen entfernt“ habe.
Inzwischen meldete sich auch der Großorient von Italien zu Wort. Er ist die größte Freimaurerobödienz Italiens und blickt auf eine radikal kirchenfeindliche Tradition zurück. In der Oktober-Ausgabe seiner Zeitschrift Erasmo schreiben die Freimaurer, daß es in der neuen Enzyklika „nicht wenig Analogien mit den Grundsätzen und der Sichtweise der Freimaurerei“ gebe. In der Praxis habe Franziskus mit der Enzyklika den Wahlspruch der Freimaurerei „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ anerkannt und übernommen.
Der Großorient widmet der Enzyklika den Leitartikel samt Titelbild und Abdruck von Schillers „Ode an die Freude“ (1785), die in der Vertonung Beethovens von 1824 zur Europahymne wurde. 1972 wurde sie als solche vom Europarat und 1985 für die EG, nunmehr EU, beschlossen. Den Vorschlag dazu hatte 1955 Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi gemacht.
„Neue und bisher nicht gekannte Dimension“
Wörtlich schreibt der Großorient von Italien im Artikel „Kirche & Freimaurerei: Ein freimaurerischer Wert“, daß Papst Franziskus das Thema der „Brüderlichkeit“ und der „sozialen Freundschaft“ in einer „neuen und bisher nicht gekannten Dimension“ behandle.

„In seiner jüngsten Enzyklika ‚Frattelli tutti‘, die am 3. Oktober veröffentlicht wurde, brachte Papst Franziskus apertis verbis, in einem bisher absolut beispiellosen Schlüssel, eine Idee der universellen Brüderlichkeit als Verbundenheit zum Ausdruck, die alle menschlichen Wesen eint unabhängig von ihrem Glauben, ihrer Ideologie, ihrer Hautfarbe, sozialer Herkunft, Sprache, Kultur und Nation. Es handelt sich um ein Denken, das den Idealen nahesteht, die seit den Anfängen auch die Fundamente der Freimaurerei bilden. Seit über 300 Jahren ist das Prinzip Brüderlichkeit unauslöschlich Teil des freimaurerischen Dreiklangs, der in den Tempeln im Osten zusammen mit jenen von Freiheit und Gleichheit angebracht ist.
Die Verwirklichung einer universellen Brüderlichkeit ist seit den Ursprüngen die große Mission und der große Traum der Freimaurerei. Das haben in ihren Kommentaren einige Philosophen, Journalisten und auch einige hohe Prälaten der Heiligen Römischen Kirche unterstrichen, indem sie sich vorbehaltlos zur Botschaft äußerten, die aus der bergoglianischen Enzyklika hervorgeht.
Eine theologische Grenze, die der Papst offenbar überwinden wollte, indem er sich erneut vom hl. Franziskus inspirieren ließ, der sich ‚als Bruder der Sonne, des Meeres und des Windes‘ fühlte und ‚der sich noch viel tiefer eins wußte mit denen, die wie er von menschlichem Fleisch waren. Er säte überall Frieden aus und ging seinen Weg an der Seite der Armen, der Verlassenen, der Kranken, der Ausgestoßenen und der Geringsten.‘ Von dem armen Heiligen möchte der Papst auch an eine Begebenheit in seinem Leben erinnern, ‚die uns sein Herz ohne Grenzen zeigt, das fähig war, den Graben der Herkunft, der Nationalität, der Hautfarbe und der Religion zu überspringen’, sein Besuch bei Sultan Malik-al-Kamil in Ägypten.“
„Öffnung“ gegenüber dem Islam und Tadel für christlichen Fanatismus
Als weiteren Punkt hebt der Artikel positiv die „Öffnung gegenüber dem Islam“ hervor. Papst Franziskus habe sich vom Denken des Großimams von Al-Azhar, Ahmad al-Tayyib, beeindrucken lassen, mit dem er im Februar 2019 in Abu Dhabi ein Dokument „über die Brüderlichkeit aller Menschen“ unterzeichnete.
Die Zeitschrift stellt Aussagen von Großmeister Stefano Bisi und Papst Franziskus gegenüber und betont eine „nie dagewesene“ Übereinstimmung.
Der Artikel endet mit einem Hoch auf den freimaurerischen Dreiklang „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, der von der Freimaurerei ausgehend zum Wahlspruch der Französischen Revolution, der Republik Frankreich und der UNO wurde. Nun habe auch Papst Franziskus diesen Dreiklang übernommen, so die Logenbrüder, die dazu die Enzyklika Fratelli tutti zitieren:
„Die Brüderlichkeit fügt der Freiheit und Gleichheit noch positiv etwas hinzu.“
Ein Kapitel der Enzyklika ist mit dem Wahlspruch der Freimaurerei überschrieben und umfaßt die Paragraphen 103–105. Dabei wird von der Logenzeitschrift nicht vergessen, zu erwähnen, daß Papst Franziskus in der Enzyklika den „Fanatismus“ anprangert, von dem „auch Christen und katholische Kreise befallen sind“.
Der Grundtenor lautet, die Kirche übernehme jetzt, was die Freimaurerei seit „über 300 Jahren“ vertritt.
Franziskus habe mit der Enzyklika jedenfalls eine ganze Reihe von Themen angesprochen und Argumente genannt, die „für die Brüder des Großorients von Italien zwischen den Säulen des Tempels und außerhalb Alltag sind“:
„Um den großen Traum einer wirklichen globalen Brüderlichkeit zu verwirklichen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Grande Oriente d’Italia/Erasmo (Screenshot)