
Zweiter Teil
Von Clemens Victor Oldendorf
Die Gemeinsamkeit, die im ersten Teil dieses Beitrags zwischen dem Laacher Volksmessbuch und der Editio Lacensis des Missale Romanum aufgezeigt worden ist, war – vielleicht um einen oder zwei Monate verzögert – ein zeitliches Zusammentreffen. Im Juli 1925 nämlich erhielt Papst Pius XI. ein Buch der Bremer Presse, eine lateinische Ausgabe Über das Bürgerrecht in der Gottesstadt des Augustinus, zum Geschenk.1 Dieser Papst (Achille Ratti, 1857–1939, Papst seit 1922) war vor seinem Pontifikat zunächst selbst vor allem Bibliothekar gewesen. Zuerst ab 1888 an der Mailänder Bibliotheca Ambrosiana, deren Präfekt er seit 1907 war. 1911 kam er nach Rom und war dort ab dem Herbst des Jahres 1914 Präfekt der Vatikanischen Bibliothek. Er kannte sich also mit Büchern aus. Bei der Übergabe von De Civitate Dei Libri XXII soll er es gewesen sein, der die erste Anregung dazu gab, dass die Bremer Presse doch auch eine Ausgabe des Missale Romanum herausbringen solle.
Die Anfänge der Editio Lacensis und der Zusammenarbeit von Bremer Presse und Laacher Abtei
Im Oktober 1926, Pater Urbanus Bomm (1901–1982) musste also wohl gerade das Manuskript zum Volksmessbuch abgeschlossen und abgeliefert haben, war es Benno Filser (1887–1939), Eigentümer und Leiter des Augsburger Filser-Verlages, der brieflich Verbindung mit dem Laacher Abt Ildefons Herwegen (1874–1946) herstellte und ihn und seine Abtei dafür gewinnen konnte, eine bibliophile Ausgabe des Römischen Messbuchs für den gottesdienstlichen Gebrauch liturgisch zu betreuen.2 Wie Bomm für das Volksmessbuch, so wurde im August 1927, als übrigens die erste Auflage des Volksmessbuches gerade erschienen war3, für die Editio Lacensis Pater Athanasius Wintersig OSB (1900–1942)4 vom Vater Abt beauftragt und freigestellt.
Ein weiterer Berührungspunkt ist, dass die Verlage Herder und Benziger, die sich beim Schott und Bomm als Konkurrenten gegenüberstanden, durch das Missale Romanum, Editio Lacensis als Herausgeber gemeinsam in eine Verlagskooperation eingebunden waren, zu der neben dem initiativen Augsburger Filser-Verlag zeitweilig noch der Regensburger Verlag Friedrich Pustet hinzukam.5 Dessen Einbezug war sicherlich deshalb besonders erwünscht, da er im deutschen Sprachraum der einzige, zum Druck liturgischer Bücher autorisierte Typograph des Heiligen Apostolischen Stuhles und der Heiligen Ritenkongregation war. Was Benziger betrifft, galt dasselbe nämlich nur für dessen, heute noch selbständig existierenden, nordamerikanischen Verlagszweig mit Sitz in New York.6 Dass Pustet im Juli 1928 als Mitherausgeber ausschied7 und obendrein mit dem sogenannten Gottwald-Missale8 in einem äußerst ungünstigen Moment auch noch ein Konkurrenzprodukt auf den Markt brachte, muss selbst heute noch als sehr unglücklich bedauert werden.
Ein ursprünglich leider nicht beherzigter Rat
In einem am 30. Mai 1927 datierten Brief, den Steffens in seinem Buch auszugsweise und mit Auslassungen zitiert9, für diese Rezension aber freundlicherweise vollständig zur Verfügung gestellt hat, schreibt der Priester Wilhelm Hohn (1871–1954)10, ein Mitarbeiter des Filser-Verlages, an den Verlagschef Benno Filser:

„In einer Besprechung, die ich mit unserem Herrn Dr. Rabeneck in Gegenwart seines Bruders, des Jesuitenpaters Rabeneck gestern hatte, kam auch die Rede auf die Meßbuch-Ausgabe.
P. Rabeneck machte darauf aufmerksam, daß Meßbuch-Ausgaben in etwa 20 Jahren veraltet sind, weil nämlich so viele neue Messen erscheinen, daß in den Drucken jährlich mehrere Einklebungen gemacht werden müssen. In zwanzig Jahren sieht ein solches Buch dann sehr schlecht aus und wird nicht mehr gekauft. Daher sei es besser, nur eine Ausgabe für Sonn- und Festtage zu machen. Diese haben natürlich große Schwierigkeiten, weil bei manchen Sonntagen auch Heilige zu erwähnen sind, deren Ovationen [sic, gemeint sind offensichtlich die Orationen der zu kommemorierenden Heiligen, Anm. CVO]11 dann im Meßbuch fehlen. Ich komme daher zu folgenden Vorschlägen: 1.) Es erscheint zunächst das Totenmeßbuch. 2.) Dann erscheint ein Meßbuch, welches nur die Hauptfeste enthält, in denen keinerlei Veränderungen und keinerlei Kommemorationen vorkommen. Also würde das Meßbuch enthalten: Die Messen für die Weihnachtsoktav bis zum Ende der Dreikönigs-Oktav; die Messen von Palmsonntag bis Weißen Sonntag, einschließlich etwaiger Kommemorationen und Heiligenfeste in der Zeit; die Messen von Christihimmelfahrt12 bis Dreifaltigkeit, bzw. bis zum Ende der Fronleichnams-Oktav mit allen Heiligen, die hineinfallen können. Dann die Feste Peter und Paul, Mariahimmelfahrt, Allerheiligen, die Kirchweihmesse, Herz-Jesu-Fest, die Brautmesse und noch einiges Andere. Dieser Meßbuchauszug würde ein sehr großes Verbreitungsgebiet haben, ziemlich unveränderlich sein und würde für die kirchlichen Feste das Meßbuch sein, das bei diesen Festen gebraucht wird. 3.) Dann brächten wir ein Epistel- und Evangelienbuch heraus, das auch unveränderlich ist. 4.) Wenn das geschehen ist, sind wohl die Schriften und die Schnittkosten amortisiert. Dann ließe sich das Gesamt-Meßbuch viel billiger herausbringen als wie bei unserer Kalkulation und wir könnten dann das tägliche Gebrauchs-Meßbuch schaffen. 5.) Von dem Auszug unter Nr. 2 läßt sich auch eine photo-chemisch verkleinerte Ausgabe herstellen, die viel gekauft werden könnte und in etwa Schotts Sonntags-Meßbuch entspräche.“
Es wurde also damals vorgeschlagen, nicht sogleich das vollständige Missale Romanum herauszugeben. Das an erster Stelle genannte Totenmissale ist keine Besonderheit. Es erschien auch in der Editio Lacensis.13 Dieser Auszug mit Ordo Missae, der Präfation, dem Canon und den Messformularen und Orationen für Requiemmessen ist vielmehr sehr gebräuchlich, da diese Ausgaben auch in Ausstattung und Gestaltung der Trauerstimmung des Anlasses angepasst sind, zum Beispiel stets schwarze Einbände haben. Nicht genannt wird der Canon Episcoporum, ein dem Totenmissale ähnliches Exzerpt aus Missale und Pontificale Romanum zum Gebrauch von Bischöfen und Prälaten. Einen solchen Canon Missae ad usum Episcoporum et Praelatorum umfasste die Editio Lacensis durchaus.14 Nie jedoch kam das in Hohns Brief an Benno Filser unter 3.) angeführte „Epistel- u. Evangelienbuch“ zustande, erst recht nicht das unter 2.) genannte und inhaltlich umrissene Festtagsmissale.
Der Bonner Verlag nova & vetera nahm Anlauf zu einer Ausgabe der liturgischen Bücher auf dem Stand von 1962 ad mentem Editionis Lacensis
Wenn gerade behauptet wurde, das Lektionar sei nie herausgekommen, so entspricht das nicht ganz den Tatsachen, denn wohl unter dem euphorisierenden Impuls des Motuproprio Summorum Pontificum vom 7. Juli 2007 brachte der Bonner Verleger Benedikt Trost, wie Wiegand und Wolde an sich Jurist, von nova & vetera zwei Jahre darauf ein Lectionarium heraus, das erstmals dem Stand der im Motuproprio vorausgesetzen Editio typica von 1962 entspricht und die – übrigens von Helmut Steffens rekonstruierten und dem Verlag am Rhein zur Verfügung gestellten – Lettern und sonstigen Zeichen der ursprünglichen Editio Lacensis verwendet.15 2014 folgte auch ein Canon Episcoporum, leider allerdings nicht nach dem Vorbild der Editio Lacensis gestaltet.
Die angekündigte Edition weiterer liturgischer Bücher auf dem Stand von 1962 und in dieser Ausstattung wurde von nova & vetera seitdem nicht weiterverfolgt.
Es gibt zwar noch wunderbare Ausgaben des Breviarium und des Rituale Romanum des Bonner Verlages von 2008 und 2012, deren Ausstattung exzellent ist. Wegen ihres Formates wären diese Bücher auch nicht wirklich geeignet gewesen, ad mentem Editionis Lacensis gestaltet zu werden.

Warum nicht auch das Bomm-Messbuch neu auflegen?
Als Hohn Ende Mai 1927 seinen Brief an Benno Filser richtete, gab es noch nicht einmal die Erstauflage des Volksmessbuches auf dem Buchmarkt, welches wir im ersten Teil dieses Beitrages mit dem Missale Romanum in der Maria Laacher Edition der Bremer Presse in Beziehung gesetzt haben. Heutzutage wäre es durchaus denkbar, eine Neuauflage des vollständigen lateinisch-deutschen Bomm zu veranstalten. Entsprechend verkleinert, könnten die lateinischen Textspalten in der für das Lektionar verwendeten Schrift gesetzt, textlich könnte von der letzten Auflage 13196116 ausgegangen17 und das Buch ansonsten wie das Brevier und Rituale von nova & vetera ausgestattet werden.18 Das würde dann gewissermaßen die von Hohn unter 5.) angeführte Anregung sehr verspätet aufgreifen, wenn auch durch die Zweisprachigkeit eines Laienmessbuchs leicht abgewandelt.19
Wäre ein Festtagsmissale einer Plenarausgabe vorzuziehen?
Vor allem aber sollte sich nova & vetera doch noch entschließen, in der Gestaltung und Ausstattung des 2009 herausgebrachten Lektionars a) ein Totenmissale (in schwarzem Einband), b) seinen Canon Episcoporum, c) das vorher niemals verwirklichte Festtagsmissale pro diebus sollemnibus vorzulegen. Nach der neuformulierten Karfreitagsfürbitte für die noch nicht zu Jesus Christus als ihrem Messias bekehrten Juden von 2008 und den Ergänzungsoptionen, die sich aus den am 25. März 2020 publizierten Dekreten der Glaubenskongregation vom 22. Februar 2020 ergeben20, sind nun an der Editio typica von 1962 keine weiteren Änderungen oder Zusätze mehr zu erwarten, was sich auch der dem Dekret Quo magis beigegebenen Note entnehmen lässt, die eindeutig vom Abschluss der Arbeiten spricht21, die noch auf dem Auftrag Papst Benedikts XVI. beruhten, das Messbuch von 1962 um einige zusätzliche Präfationen zu bereichern und dieses Messbuch hinsichtlich mittlerweile neu kanonisierter Heiliger zu ergänzen. Die im fünften Absatz der Note zu Cum Sanctissima in Aussicht gestellte spezielle Beilage steht zwar im Moment noch aus, doch würde sie für ein Festtagsmissale keine Auswirkungen haben.22
Die wirklich sehr wünschenswerte Fortführung dieser Edition durch den Verlag nova & vetera könnte außerdem ein Karwochenbuch einschließen.23 Außer dem Totenmissale sollten alle Ausgaben einheitlich in rotes Leder gebunden sein, die Kreuzesprägung auf Vorder- und Rückseite sollte bei allen Bänden der Edition grundsätzlich einheitlich sein, beim Totenmissale eventuell blind- statt goldgeprägt.
Das originale Missale Romanum, Editio Lacensis kannte mehrere verschiedene Einbände zur Auswahl24, die von Frieda Thiersch (1889–1947)25 entworfen und gestaltet wurden, welche auch die Initialen schuf. Letztere werden in einer zeitgenössischen Rezension besonders gewürdigt und für den Ersten Advent und Ostersonntag wird hervorgehoben: „Der erste Adventssonntag als Beginn des Kirchenjahres und der Ostersonntag als sein beherrschender Mittelpunkt heben sich durch die Größe der Initiale und des Druckes (Majuskel) klar heraus.“26 Die erwähnte Initiale des Introitus Ad te levavi befindet sich unter den, für die Vorstellung von Steffens‘ Buch gezielt ausgewählten, Beispielabbildungen innerhalb dieses Beitrags.

Die Einbände einst und jetzt: Plädoyer zugunsten wohldosierter Feierlichkeit in der Liturgie
An der Abbildung zweier der originalen Einbände erkennt man weiters unschwer, dass der Verlag nova & vetera sich beim Lektionar vom links gezeigten Einband hat inspirieren lassen, den man leicht reduziert übernommen hat. Für das Totenmissale könnte man erwägen, die schlichtere, rechts abgebildete Kreuzesprägung zu wählen. Wenn man wie beim Originalmissale der Editio Lacensis das vollständige Missale Romanum von 1962 in gleicher Ausstattung wie das Lectionarium herausbringen wollte, müsste man seitens des Verlages überlegen, ob man es nicht zusätzlich zum festlichen Einband wahlweise mit einem schlichteren Prägemotiv anbieten sollte oder einen Festtagseinband entweder alternativ oder additiv zu Varianten in der Prägung mit Schließen und Beschlägen versieht.
Ohne wenigstens eine solche Abstufung in der Ausstattung ergäbe sich einerseits fast ein Gegenargument gegen ein 62er-Vollmissale ad mentem Editionis Lacensis. Denn dem Geist der Liturgie entspricht es sicherlich gerade nicht, an einem gewöhnlichen Ferialtag das identische, prächtig ausgestattete Missale am Altar zu verwenden, das man in der Christmette oder am Ostersonntag benutzt. Andererseits ist mit den Dekreten der Glaubenskongregation, die an Mariä Verkündigung dieses Jahres erschienen sind, das Argument entkräftet, das sich ebenfalls in Hohns Brief von 1927 findet, dass nämlich ein Messbuch in zwanzig Jahren wieder überholt sei.

Das scheinbar unveränderliche tridentinische Messbuch und seine fast rasante Wandlungsfähigkeit
Während viele Traditionalisten mit der überlieferten Liturgie tatsächlich die geschichtsfremde Vorstellung einer quasi unantastbaren Statik und Starre seit 157027 verknüpfen, gab es nicht nur immer wieder neue Editiones typicae, sondern auch zwischendurch fast ohne Unterlass Aktualisierungen zum Beispiel infolge neu hinzukommender Messformulare. Das wirkte sich in den von Pater Rabeneck SJ28 angesprochenen Einklebungen aus, die in relativ kurzer Zeit notwendig werden, vor denen aber bei einem Buche wie der Messbuchausgabe der Editio Lacensis eigentlich jeder zurückscheut, nicht nur Menschen von ausgesprochener Bücherliebe und besonderem Feingefühl oder Kunstsinn.
An dieser Stelle lässt sich das Missale Monasticum ansprechen, das man Abt Ildelfons immer wieder in Aussicht gestellt hatte, das aber nie gedruckt wurde.29 Dabei hätte es sich um ein Spezialmissale für den Gebrauch in Abteien und Klöstern, die der Regula Sancti Benedicti folgen, handeln sollen. Man kann sogar sagen, dass dieses potentielle30 Messbuch für den Benediktinerorden eine Art Lockmittel war, um die Abtei Maria Laach überhaupt für eine Mitarbeit am Projekt der Bremer Presse zu gewinnen.
Dass gerade dieses Missale Monasticum immer fiktiv geblieben ist, ist eigentlich verwunderlich, denn als 1884 von Leo XIII. eine neue Editio typica des Missale Romanum promulgiert wurde, konnte Pater Suitbert Bäumer OSB (1845–1894) schon 1885 ein solches Missale Monasticum vorlegen.31 Nach der Rubrikenreform von 1911, durch die ja wieder eine neue typische Ausgabe des Messbuchs erforderlich wurde, hatte das benediktinisch-monastische Missale vor dem Missale Romanum sogar einen Vorsprung von fünf Jahren, als nämlich bereits 1915 das diese Reform berücksichtigende Missale Romano-Monasticum herausgegeben werden konnte.32 Diese Ausgabe hätte man textlich zwar sicherlich nicht unbedingt deckungsgleich übernommen, sich aber rubrizistisch zweifelsohne darauf verlassen und für ein Missale Monasticum in der Editio Lacensis relativ bequem davon ausgehen können. Freilich hatte Benedikt XV. noch knapp vor der Editio typica von 1920 eine Eigenpräfation vom heiligen Joseph hinzugefügt, außerdem in das Römische Messbuch eine Totenpräfation aufgenommen.33
Die Editio typica des Missale Romanum von 1962 und diejenige von 1920
Speziell die Missaleausgabe von 1920 wurde von den Fachleuten als nur vorübergehend eingeschätzt, Geistlicher Rat Franz Xaver Brehm (1872–1937), nebenbei bemerkt jahrzehntelang zuständiger Redakteur der Pustet-Messbücher für den liturgischen Gebrauch, schrieb etwa im Vorwort zu seinem erschöpfend instruktiven Buch über die mit der Editio typica von 1920 verbundenen Änderungen: „Mit der neuen Editio typica ist nun auch die interimistische Reform des Missale zum Abschluß gebracht. Die definitive Reform von Brevier und Missale wird im günstigsten Fall erst in drei bis vier Jahrzehnten erfolgen.“34
Diese zeitliche Eingrenzung trifft ziemlich passgenau den Codex Rubricarum von 1960. Johannes XXIII. promulgierte ihn mit dem Motuproprio Rubricarum instructum, das er ganz bewusst auf den 25. Juli 1960 datierte, genau vierzig Jahre nach dem Inkrafttreten der Editio typica von 1920. Er betrachtete also seinen Codex Rubricarum als den definitiven Abschluss der von Pius X. initiierten Reform.
Freilich könnte man dagegen einwenden, dass auch im Missale Romanum von 1962 die textlichen Abweichungen vom Graduale Romanum fortbestehen, deren Beseitigung Brehm von der zukünftigen definitiven Reform erwartet hatte.35 Außerdem kann man hier das Proprienproblem einflechten, also die Schwierigkeit erwähnen, für die Editio Lacensis die Messbuchanhänge mit den Eigenmessen diverser Diözesen (oder auch Ordensgemeinschaften) anzubieten. Zu Recht spricht Steffens in einem eigenen Kapitel über die Proprienfrage von einer „Sisyphusarbeit“36 und ein Proprium Germaniae an. Dabei übersieht der Autor, dass man ein solches natürlich nicht eigenmächtig zusammenstellen konnte, dass jedoch darüber gesprochen wurde, entsprach einer Tendenz und Stimmung der Zeit. Brehm plädierte ebenfalls für ein solches, gemeinsames, vor allem aber in den Messtexten übereinstimmendes Proprium aller deutschen beziehungsweise deutschsprachigen Diözesen, erwartete es indes ebenso von „der endgültigen, liturgischen Reform“37. Er bezog sich dabei zustimmend auf die einschlägigen Veröffentlichungen des Breslauer Domherrn Rudolf Buchwald (1858–1933)38. Wie eine Angleichung des liturgischen Wortlauts im Missale an denjenigen des Graduale, beinahe überflüssig zu sagen, so blieb bei der Editio typica des Missale Romanum von 1962 auch dieses Desiderat eines interdiözesanen Missale-Anhangs mit Eigenmessen unerfüllt.
Der einzigartig geeignete Augenblick für bibliophile Ausgaben der liturgischen Bücher der Editio typica von 1962 ist: Jetzt!

Positiv gewendet heißt das, dass es keinen günstigeren Zeitpunkt geben könnte als jetzt, die liturgischen Bücher von 1962 in der Ausstattung der Epistolae et Evangelia totius Anni des Bonner Verlagshauses nova & vetera neu herauszubringen: Die mit den Dekreten Quo magis und Cum Sanctissima ermöglichten Optionen bleiben fakultativ und könnten als solche in einem Appendix ad libitum celebrantis zusammengestellt und dem Missale Romanum beigebunden werden. Ferner gibt die Note zu Quo magis die Gewissheit, dass jetzt für den Geltungs- und Anwendungsbereich des Motuproprio Summorum Pontificum in Zukunft tatsächlich keine liturgischen Erweiterungen oder Änderungen mehr zu erwarten sind. Auf ein Missale Festivum pro diebus sollemnibus blieben beide Dekrete zusätzlich – wie vorhin schon vermerkt – ohnehin wohl ohne jede Auswirkung.
Ob in einem solchen Messbuchexzerpt für die wichtigsten Feste die Besonderheit des originalen Laacher Missale unbedingt übernommen werden müsste, den Canon Missae für die Gelegenheiten39, die im Communicantes Varianten haben und in der Oster- und Pfingstoktav zusätzlich ein spezielles Hanc igitur aufweisen, bis zur Konsekration jeweils vollständig abzudrucken40, wäre sicher diskutabel.
Ein Pontificale Romanum auf dem Stand von 1962 und in einer Ausstattung ad mentem Editionis Lacensis würde diese Reihe von Ausgaben der liturgischen Bücher auf dem Stand von 1962 stimmig abrunden, könnte aber wohl in Anbetracht eines Canon Episcoporum auch entbehrlich sein, jedenfalls als Kür gelten.
Was lange währt: Kanontafeln und eine späte Chance auf das Missale Monasticum
Hier ist der Punkt erreicht, wo ein Hinweis gegeben werden kann bezüglich der Kanontafeln, die eigentlich geplant waren41, aber im Rahmen der originalen Editio Lacensis beziehungsweise von der Bremer Presse niemals hergestellt wurden. Steffens schreibt deshalb einmal sogar von den „ominösen Kanontafeln“42, die ästhetisch den Anspruch hätten haben müssen, zu den „furchtbaren Kanontafeln“ (Wintersig)43, die zum Gottwald-Missale des Regensburger Pustet-Verlages passend gestaltet worden waren, in lichtvollen Gegensatz zu treten.
Während das Epistel- und Evangelienbuch nachträglich von nova & vetera immerhin ad mentem Editionis Lacensis realisiert wurde, kann man inzwischen im irischen Silverstream Priory, einem selbständigen, diözesan anerkannten Benediktinerkloster, das der liturgischen Tradition verpflichtet ist, Kanontafeln, die von der Editio Lacensis inspiriert sind, beziehen.
Falls die hier gegebene Anregung bei nova & vetera niemanden erreichen sollte, die 2009 mit dem Epistel- und Evangelienbuch begonnene Edition der liturgischen Bücher der Editio typica von 1962 nach langer Pause wieder aufzugreifen, wäre es vielleicht wenigstens denkbar, dass im Silverstream Priory ein Missale Monasticum oder zumindest das Festtagsmissale im Geiste von Laacher Abtei und Bremer Presse doch noch entsteht.
Helmut Steffens hat mit seinem Buch Die Geschichte der Bremer Presse ein wichtiges Werk vorgelegt. Diese Buchvorstellung hat nicht nur seinen Fleiß und sein Durchhaltevermögen anerkennen wollen, es sollte nicht minder das Missale Romanum der Editio Lacensis (1931)44 in Erinnerung gerufen und neu vorgestellt und die Anregung gegeben werden, den einstigen Genius von Maria Laach und Bremer Presse für Gegenwart und Zukunft der überlieferten Liturgie des Römischen Ritus wieder und weiterhin fruchtbar zu machen.
In diesem Sinne hat die Überschrift meiner zweiteiligen Rezension zwei Zitate zusammengefügt und nebeneinanderstellt. Im Haupttitel von Athanasius Wintersig45, im Untertitel von Benno Filser46 genommen. So sollte gezeigt werden, wie es der Abtei Maria Laach zusammen mit der Bremer Presse gelungen war, der Messliturgie des Römischen Ritus im Missale Romanum, Editio Lacensis „ein würdiges Haus zu bereiten“47, indem dieses Altarmessbuch wie bisher kein anderes in neuerer Zeit vom Geist der Liturgie beseelt ist.
Mehr als alle Worte und Fußnoten zeigen das die Illustrationen, mit denen Steffens sein Buch opulent gespickt hat und von denen einige für diese Rezension verwendet werden durften. Neben manchen kleineren Fehlern48 und Irrtümern, die ein wenig stören, spürt man in Steffens‘ schönem Buch über die Bremer Presse nachteilig lediglich, jedoch recht schmerzlich das völlige Fehlen eines Personen- und eines Stichwortverzeichnisses, die die Orientierung im Buch sehr erleichtert hätten, sobald man darin etwas Bestimmtes nachschlagen will.

Helmut Steffens: Die Geschichte der Bremer Presse. …erlauchten Gästen ein würdiges Haus zu bereiten, Book on Demand, 2020, 584 Seiten, 40 Farbillustrationen, 81,99 EUR, auch als E‑Book für 54,99 EUR erhältlich.
Bild: Privatarchiv Helmut Steffens/Stadtarchiv Mönchengladbach/Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg
1 Vgl. Steffens, H., Die Geschichte der Bremer Presse. „… erlauchten Gästen ein würdiges Haus zu bereiten“, Norderstedt 2020, S. 337, vgl. dazu auch im Werkverzeichnis, ebd., lfd. Nr. 17, S. 537, fortan zitiert als Steffens, Bremer Presse.
2 Vgl. ebd., S. 337f.
3 Vgl. Häußling, A. A., Das Missale deutsch. Materialien zur Rezeptionsgeschichte der lateinischen Meßliturgie im deutschen Sprachgebiet bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Tbd. 1, Bibliographie der Übersetzungen in Handschriften und Drucken, Münster/Westfalen 1984, lfd. Nr. 1211, S. 148; Tbd. 2 ist im übrigens nie erschienen, fortan zitiert als Häußling, Missale deutsch.
4 Vgl. Steffens, Bremer Presse, S. 339, später nahm Wintersigs Leben einen problematischen Verlauf; schließlich außerhalb des Ordens, des Priesterstandes und der römisch-katholischen Kirche, verbunden mit gleich mehrfachem, auch menschlich-charakterlichem Scheitern, und er fand ein viel zu frühes, tragisches Ende, vgl. ebd., S. 325f.
5 Wohl bedingt durch eine Verwechslung mit Filser versetzt Steffens den Verlag Friedrich Pustet zweimal fälschlich nach Augsburg, vgl. ebd., S. 323 und S. 327, korrekt jedoch S. 332. Verzeihlicher noch wäre eine irrtümliche Verlegung nach Salzburg gewesen, denn dort besteht immerhin der Verlag Anton Pustet. Als Verlage voneinander unabhängig, handelt es sich bei den Regensburger und den Salzburger Pustets in der Tat um zwei Zweige ein und derselben Familie.
6 Zu den Typographen der Ritenkongregation zum Stichjahr 1920 vgl. Brehm, F., Die Neuerungen im Missale, Regensburg 1920, S. 6, Anm. 2, fortan zitiert als Brehm, Neuerungen.
7 Vgl. Steffens, Bremer Presse, S. 342.
8 Schon im August 1928 taucht es erstmals in der Korrespondenz auf, vgl. ebd., vgl. auch S. 413f.
9 Vgl. ebd., S. 334.
10 Vgl. zu diesem ebd., S. 327.
11 Ein offensichtlich schon im originalen Brief vorliegender Hör- beziehungsweise Tippfehler, dessen Kennzeichnung oder Korrektur Steffens im Buch allerdings entgangen ist, vgl. ebd., S. 334. Zwar dienen die eingeschalteten, zusätzlichen Orationen der Verehrung der Heiligen, haben insofern schon etwas mit Ovationen gemeinsam; dank der liturgischen Stilisierung und geradezu juristischen Nüchternheit und Strenge des überlieferten Römischen Ritus fehlt ihnen indes in aller Regel deren Überschwang in Inhalt und vor allem im Vortrag durch den Zelebranten. Ein liebenswertes Fehlerchen, das bei der Lektüre schmunzeln lässt.
12 Diese seltsame Schreibweise, die ebenfalls im originalen Brief besteht, wiederholt sich bei der Nennung des 15. August; Steffens lässt die Aufzählung der einzelnen Feste aus und markiert dies korrekt mit „[…]“, vgl. ebd., S. 334. Für diese Rezension wird die Nennung der in ein spezielles Missale Festivum pro diebus sollemnibus aufzunehmenden Messformulare aber noch von Interesse sein.
13 Vgl. Steffens, Bremer Presse, Werkverzeichnis, lfd. Nr. 91, S. 543.
14 Vgl. ebd., Werkverzeichnis, lfd. Nr. 92, a. a. O.
15 Zu den originalen Schriften der Editio Lacensis und ihrer Entstehung vgl. Steffens, Bremer Presse, S. 377–388, zu den Initialen vgl. ebd., S. 453–457, zu den für das Laacher Missale eigens geschaffenen Bildern vgl. ebd., S. 445–451.
16 Vgl. Häußling, Missale deutsch, lfd. Nr. 1260, S. 152, dort allerdings wohl irrtümlich als 8. Auflage gezählt.
17 Höchstens mit Ausnahme der 2008 für Zelebrationen gemäß Summorum Pontificum neugefassten Gebetseinleitung und Oration zur achten der feierlichen Fürbitten während der Karfreitagsliturgie.
18 Die Rechte am Laacher Volksmessbuch liegen bei der Abtei Maria Laach beziehungsweise zusätzlich noch bei der Verlagsgruppe Patmos/Ostfildern.
19 Das Jahr 2022 wäre für eine Neuausgabe dieses Bomm’schen lateinisch-deutschen Volksmessbuches ein passendes Erscheinungsjahr: zugleich sechzig Jahre Missale Romanum von 1962 und der vierzigste Todestag von Altabt Urbanus Bomm am 2. Oktober 2022.
20 Quo magis und Cum Sanctissima, abgerufen am 17. Oktober 2020.
21 Vgl. den zweiten Absatz dieser Note, abgerufen am 17. Oktober 2020.
22 Vgl. dazu, abgerufen am 17. Oktober 2020. Durch den Wegfall einiger Oktaven, neue Regeln zur Kommemoration und zur Feier von Heiligenfesten an Sonntagen auf dem Stand von 1962 würde sich die Anzahl der im Festtagsmissale aufzunehmenden Messformulare gegenüber der in Hohns Brief genannten Aufzählung überdies etwas verringern.
23 Nachdem zwischenzeitlich ein Indult gewährt worden ist, kraft dessen auf Antrag in Feiern gemäß Summorum Pontificum auch wieder die originalen, gregorianisch-tridentinischen Karwochenriten (unter Verwendung freilich der 2008 neuformulierten Karfreitagsfürbitte) angewandt werden dürfen, könnte man sogar an zwei Ausgaben dieses Buches denken, deren eine die von Pius XII. vorgeschriebenen Riten böte, die zweite die mit Indult wieder erlaubten, älteren tridentinischen Riten.
24 Zu diesen Einbänden vgl. Steffens, Bremer Presse, S. 433–443.
25 Vgl. zu ihr ebd., S. 214–219.
26 Vgl. ebd., S. 381. Die Besprechung, die Steffens hier anführt, erschien damals im Trierer Pastor Bonus, dem Vorläufer der heutigen TThZ.
27 Steffens datiert die erste Editio typica des tridentinischen Missale Romanum einmal fälschlich auf das Jahr 1571, vgl. ebd., S. 390.
28 Zu diesem konnten bisher keine Lebensdaten und sonstigen Informationen zu seiner Identität festgestellt werden.
29 Vgl. Steffens, Bremer Presse, S. 467.
30 Vgl. ebd., 371f.
31 Vgl. [Beuroner] Sterbechronik R. P. Superior Suitbert Bäumer, gest. am 12. August 1894, acht unpaginierte Blätter, Bl. 2.
32 Vgl. Engelmann, U., P. Anselm Manser OSB, 1876–1951, in: Innerrhoder Geschichtsfreund, Bd. 9 (1962), S. 41–54, hier S. 49.
33 Vgl. Brehm, Neuerungen, lfd. Nr. 131, S. 286f und lfd. Nr. 146, S. 290f iVm Fn. 1 auf S. 291. Außer 1884 gab es übrigens auch noch im Jahre 1900 eine Editio typica des Missale Romanum. Von dieser geht Brehm aus, um die mit der neuen Editio typica von 1920 insgesamt 617 (!) verbundenen Änderungen darzustellen, vgl. ebd., S. 13. Zu dieser Editio typica von 1900 vgl. ebenso Kunz, Chr., Die liturgischen Verrichtungen des Celebranten [= Handbuch der priesterlichen Liturgie nach dem römischen Ritus], Regensburg 1904, Literaturverzeichnis, S. VIII. Bis das Missale Romanum, Editio Lacensis 1931 schließlich erschien, war 1925 das Christkönigsfest mit Praefatio propria eingeführt und hatte 1928 das Herz-Jesu-Fest eine solche erhalten. Selbst noch im Erscheinungsjahr des Laacher Altarmissale wurde das Fest der Mutterschaft Mariens gesamtkirchlich auf den 11. Oktober fixiert und vorgeschrieben. Nur soviel zur angeblichen Unveränderlichkeit des tridentinischen Messbuchs.
34 Brehm, Neuerungen, S. 4, vgl. auch (mit Bezug auf die Generalrubriken) S. 6 sowie rekapitulierend nochmals S. 435.
35 Vgl. ebd., S. 415–427, er listet minutiös 203 solche Abweichungen auf und möchte sie überwinden durch Angleichung des Missaletextes an den Wortlaut des Graduales, und zwar deshalb, weil sonst Eingriffe in die Choralmelodien erforderlich werden würden: „Daraus folgt auch, daß, wenn überhaupt von einer Adaptierung die Rede sein kann, die Texte des Missales denen des Graduales angepaßt werden müßten, nicht aber umgekehrt. Eine solche Adaptierung des Missaltextes an den Gradualtext mochten wohl manche erwartet haben gelegentlich der Herausgabe der Editio typica des Missales. Diese Erwartung ist nicht in Erfüllung gegangen. Da nämlich die jetzige Missalreform nur eine interimistische ist, und im wesentlichen nur eine rubrizistische, nicht aber eine liturgische, (…), so verzichtete man bei derselben grundsätzlich auf Änderungen im liturgischen Text“, ebd., S. 415.
36 Steffens, Bremer Presse, S. 468.
37 Brehm, Neuerungen, S. 430.
38 Vgl. Buchwald, R., Calendarium Germaniae. Die Sonderfeste der deutschen Diözesen nach der letzten liturgischen Reform. Mit den notwendigen geschichtlichen Erläuterungen, Breslau 1920. Diese Publikation verdankt sich höchstwahrscheinlich einer Anregung durch Franz Xaver Brehm, vgl. Brehm, Neuerungen, S. 431, Anm. 1.
39 Das Communicantes hat eine eigene Formulierung an Weihnachten und während der Oktav, an Epiphanie, am Gründonnerstag, von der Osternacht bis zum Samstag nach Ostern, an Christi Himmelfahrt und von der Pfingstvigil an bis zum Samstag nach Pfingsten. Hinzu kommt die österlich-pfingstliche Variante des Hanc igitur. Dasselbe nimmt zusätzlich bei der Weihe eines Bischofs je einen besonderen Wortlaut im Munde des konsekrierenden und in demjenigen des zu weihenden Bischofs an. Am Gründonnerstag erstreckt sich die Veränderlichkeit im eucharistischen Hochgebet sogar noch weiter, wenn für das Qui pridie ein Eigentext vorgeschrieben ist.
40 Vgl. Steffens, Bremer Presse, S. 481.
41 Vgl. ebd. Vertrag zur Missale-Herstellung, S. 365–369, hier § 1, S. 365.
42 Steffens, Bremer Presse, S. 359.
43 Ebd., S. 342.
44 Vgl. ebd., Werkverzeichnis, lfd. Nr. 90, S. 543.
45 Vgl. ebd., S. 445.
46 Vgl. ebd., S. 480.
47 So ein Bildwort in einer frühen, 1914 verfassten Ankündigung der Bremer Presse, das Steffens seinem Buch als programmatischen Untertitel mitgegeben hat.
48 Etwa übersetzt der Autor bei der Übertragung eines italienisch verfassten Dankschreibens aus dem Vatikan „Sua Santità“ mit „Ihre“ statt „Seine Heiligkeit“, vgl. Steffens, Bremer Presse, S. 331. Im Kontext wird aber über den Papst gesprochen, und dieser ist männlich, in der direkten Anrede hieße es darüber hinaus ebenfalls nicht „Ihre“, sondern „Eure Heiligkeit“.
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