(Rom) Während Kardinal Angelo Becciu auf einer Pressekonferenz seine Unschuld beteuerte, gratulierte Kardinal George Pell aus Australien dem Papst, daß er den Stall auskehrt.
Die provokante Formulierung von Kardinal Pell, dem ehemaligen Präfekten des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, führte zu Zweifeln an der Echtheit der Stellungnahme. Der Vatikanist Edward Pentin konnte diese auf Twitter aber schnell zerstreuen. Die Echtheit wurde von Katrina Lee, der Sprecherin von Kardinal Pell, bestätigt.
Wer kein zu kurzes Gedächtnis hat und weiß, was der australische Kardinal seit seiner Ernennung zum Präfekten des Wirtschaftssekretariats im Jahr 2014 und besonders durch die falschen Anschuldigungen und die Prozesse wegen angeblichen sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger seit 2017 erleiden mußte, kann seine Genugtuung über die gestrigen Ereignisse im Vatikan durchaus verstehen (siehe dazu: Kardinal ohne Rechte – die Detonation eines Finanzskandals).
Pell deutet durch seine Stellungnahme an, daß hinter der Intrige, die ihn bis zum Freispruch im vergangenen Frühjahr für ein ganzes Jahr ins Gefängnis gebracht hatte, auch die Hand von Kardinal Becciu zu stecken scheint.
Kardinal Pell lobte ausdrücklich Papst Franziskus. Auch das ist ein deutlicher Hinweis an das Kirchenoberhaupt, auf die falschen „Freunde“ gesetzt zu haben, indem er ihn fallen und Leute wie Becciu gewähren ließ.
„Was ist daran schlecht?“
Becciu, der erste Kardinal der Kirche, der noch nicht 80 Jahre ist, aber seine Kardinalsrechte verloren hat, versuchte sich heute mit Nachdruck zu verteidigen. Emiliano Fittipaldi, bekannt durch Wikileaks 2 und ein Buch über Korruption im Vatikan, arbeitet heute als Journalist für die neue Tageszeitung Domani. Ihm sagte Becciu, er habe Papst Franziskus gefragt:
„Warum tust Du mir das an? Vor aller Welt?“
Zur Überweisung großer Summen an seinen Bruder sagte der Kardinal:
„Ich habe das Geld meinem Bruder gegeben, weil ich bei seiner Gesellschaft Vorrichtungen für die Nuntiaturen von Kuba und Ägypten gekauft habe.”
Angelo Becciu ist weiterhin Kardinal, aber ohne Kardinalsrechte. Was genau das bedeutet, werden Kirchenrechtler erst noch zu klären haben, denn eine solche Kategorie von Kardinälen gibt es bisher nicht. Fest steht, daß Becciu am nächsten Konklave nicht teilnehmen wird können. Zudem dürfte er den besonderen Rechtsschutz eines Kardinals verloren haben, der ihn vor Ermittlungen der vatikanischen Staatsanwaltschaft bewahrt, aber auch diplomatische Immunität verschafft.
Das Geld an seinen Bruder ist allerdings nur ein Aspekt des Finanzskandals, der Becciu direkt betrifft. Er soll Geld auf einen Offshore-Finanzplatz in Mittelamerika verschoben und an ein Unternehmen zur Herstellung von Türen und Fenstern überwiesen haben.
Die Genossenschaft Spes, die von seinem Bruder Tonino geleitet wird, stellt Brot für Arme her und wurde von der Caritas des sardischen Bistums Ozieri und der Italienischen Bischofskonferenz mitfinanziert. Auf diese Weise habe Angelo Becciu seinem Bruder 600.000 Euro verschaffen können. Das gibt der Kardinal auch zu:
„Was ist daran schlecht?”
Die Ermittler fanden heraus, daß zusätzlich Geld in sechsstelliger Höhe direkt aus Mitteln des vatikanischen Staatssekretariats an die Genossenschaft des Bruders geflossen sei. Der Kardinal widerspricht: Dieses Geld sei an das Bistum Ozieri gegangen.
Als Substitut habe er einen eigenen Fonds zur Verfügung gehabt, über dessen Verwendung er niemand Rechenschaft schuldig war. Damit habe er „verschiedene wohltätige Organisationen und Vereine unterstützen” können:
„Warum hätte ich der sardischen Caritas wie jener von Ozieri nicht unter die Arme greifen sollen?”
Laut Ermittlern habe Becciu aber auch seinem anderen Bruder Francesco unter die Arme gegriffen, der ein Unternehmen zur Herstellung von Türen und Fenstern betreibt. Diesem habe der Kardinal ebenfalls mehrere Hunderttausend Euro überwiesen. Das Geld, so Becciu, habe der Apostolische Nuntius von Ägypten gezahlt, der seinen Bruder gut kenne. Es sei darum gegangen, die Türen und Fenster der Nuntiatur zu erneuern.
„Ich kann darin kein Verbrechen erkennen.”
Der Kardinal sui generis wird energisch:
„Ich habe nie einen Euro gestohlen. Ich weiß nicht, ob gegen mich ermittelt wird. Sollte ich vor Gericht gestellt werden, werde ich mich verteidigen.”
Der Fall der Brüder Becciu sei „nur die Spitze eines gigantischen Eisberges” so Fittipaldi. Der gestern erfolgte „Rücktritt” gehe auf ganz andere Angelegenheiten zurück.
Unterdessen solidarisierte sich die Sardische Bischofskonferenz mit ihrem Landsmann:
„Der sardische Episkopat, immer in Gemeinschaft mit dem Papst, ist Kardinal Angelo Becciu brüderlich nahe.“
In Rom befürchten manche einen gnadenlosen Kampf ohne Rücksicht auf Verluste, sollte Kardinal Becciu mit dem Rücken an die Wand gestellt werden.
Unterdessen empfinden es manche als von Stunde zu Stunde bedrückender, daß der Heilige Stuhl zu den Ereignissen, besonders dem „Rücktritt“ Beccius, nicht Stellung nimmt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Twitter (Screenshot)