„Columbus noster est!“

Gedanken von Prof. Roberto de Mattei zum linksradikalen Bildersturm in den USA


Christoph Kolumbus betritt Amerika
Christoph Kolumbus betritt Amerika.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Colum­bus noster est!“, „Chri­stoph Kolum­bus gehört uns“. Die­se Wor­te von Leo XIII. in der Enzy­kli­ka Quar­to Abe­un­te Sae­cu­lo, die am 16. Juli 1892 anläß­lich des 400. Jah­res­ta­ges der Ent­deckung Ame­ri­kas ver­öf­fent­licht wur­de, errei­chen uns als fer­nes Echo in einem Moment, da sich in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten eine iko­no­kla­sti­sche Wut gegen die Gestalt des ita­lie­ni­schen See­fah­rers entlädt.

Das Unter­neh­men von Chri­stoph Kolum­bus, sagt Leo XIII. in die­ser Enzyklika: 

„(…) ist an sich das größ­te und wun­der­bar­ste von allen, das jemals in der Ord­nung mensch­li­cher Din­ge gese­hen wur­de: Und der­je­ni­ge, der es zum Abschluß gebracht hat, ist nur mit weni­gen ver­gleich­bar, die von so gro­ßer Cha­rak­ter­stär­ke und so noblem Geist waren. Dank ihm ent­stand eine neue Welt aus dem uner­forsch­ten Schoß des Oze­ans. Hun­dert­tau­sen­de von Geschöp­fen tra­ten aus Ver­ges­sen­heit und Fin­ster­nis her­aus, um sich in die Mensch­heits­fa­mi­lie ein­zu­fü­gen. Aus der Bar­ba­rei wur­den sie zu Sanft­mut und Zivi­li­sa­ti­on geführt. Und was unend­lich wich­ti­ger ist: Von den Ver­lo­re­nen, die sie waren, wur­den sie zum ewi­gen Leben wie­der­ge­bo­ren durch die Teil­ha­be an den Gütern, die Jesus Chri­stus ver­schaff­te. (…) Kolum­bus ist unser Mann. So wenig er sich im Haupt­zweck wider­spie­gelt, der dazu führ­te, das dunk­le Meer zu erkun­den, und in der Art und Wei­se, wie es geschah, so wenig besteht ein Zwei­fel, daß der katho­li­sche Glau­be den her­aus­ra­gend­sten Anteil am Plan und an der Durch­füh­rung des Unter­neh­mens hat­te – wes­halb in Wahr­heit die gan­ze Mensch­heit eine nicht gerin­ge Pflicht gegen­über der Kir­che hat. (…) Es steht fest, daß er fol­gen­des beab­sich­tig­te und inten­siv gewollt hat: dem Evan­ge­li­um den Weg in neue Län­der und über neue Mee­re zu öff­nen. (…) Kolum­bus hat­te ent­schlos­sen das Stu­di­um der Natur mit dem Eifer der Fröm­mig­keit ver­bun­den und besaß einen Geist und ein Herz, die tief­grei­fend nach den Grund­sät­zen des katho­li­schen Glau­bens geformt waren. Er war durch astro­no­mi­sche Argu­men­te und alte Tra­di­tio­nen über­zeugt, daß sich im Westen, jen­seits der bekann­ten Welt, gro­ße Land­flä­chen erstrecken muß­ten, die noch nicht erforscht waren. Er stell­te sich zahl­rei­che Völ­ker vor, die von bedau­erns­wer­ter Dun­kel­heit umhüllt und in wahn­wit­zi­gen Zere­mo­nien und göt­zen­die­ne­ri­schem Aber­glau­ben ver­irrt waren. Er hielt es für äußerst bemit­lei­dens­wert, daß man nach wil­den Bräu­chen und grau­sa­men Sit­ten leben konn­te, ja, schlim­mer noch, daß sie die wich­tig­sten Din­ge nicht kann­ten und nichts von der Exi­stenz des wah­ren Got­tes wuß­ten. Daher mach­te er sich, erfüllt von sol­chen Gedan­ken, zum Ziel, mehr als alles ande­re, im Westen den christ­li­chen Namen und die Wohl­ta­ten der christ­li­chen Näch­sten­lie­be aus­zu­brei­ten, wie aus der gesam­ten Ent­deckungs­ge­schich­te offen­sicht­lich wird.“

Prof. Roberto de Mattei
Prof. Rober­to de Mattei

Chri­stoph Kolum­bus gehört daher zur Kir­che, und jede gegen ihn began­ge­ne Belei­di­gung ist gegen die Kir­che gerich­tet, die die Pflicht hat, sein Andenken zu ver­tei­di­gen. Die­ser Geist beleb­te Graf Antoine-Fran­çois-Félix Rosel­ly de Lor­gues (1805–1898), der sein Leben der För­de­rung der Hei­lig­spre­chung von Chri­stoph Kolum­bus wid­me­te. 1856, von Pius IX. ermu­tigt, ver­öf­fent­lich­te Rosel­ly de Lor­gues in Paris ein zwei­bän­di­ges Werk mit dem Titel Cri­sto­phe Colomb. Histoire de sa vie et de ses voya­ges; d’après des docu­ments authen­ti­ques tirés d’Espagne et d’Italie (Chri­stoph Kolum­bus. Geschich­te sei­nes Lebens und sei­ner Rei­sen dar­ge­stellt anhand authen­ti­scher Doku­men­te aus Spa­ni­en und Ita­li­en), das einen welt­wei­ten Erfolg erleb­te. Dar­in brach­te Rosel­ly de Lor­gues zum ersten Mal die Anre­gung vor, den „Admi­ral des Oze­ans“ zu kano­ni­sie­ren. In einem spä­te­ren Werk schreibt er: Er war „der Bot­schaf­ter Got­tes zu unbe­kann­ten Völ­kern, die die alte Welt nicht kann­te“ und „der natür­li­che Legat des Hei­li­gen Stuhls in die­sen neu­en Regio­nen“ (Del­la vita di Cri­sto­fo­ro Colom­bo e del­le ragio­ni per chie­der­ne la bea­ti­fi­ca­zio­ne, ital. Aus­ga­be, Rani­e­ri Gua­sti, Pra­to 1876, S. 83)[1].

Auf die Stu­di­en des fran­zö­si­schen Gra­fen gehen die zahl­rei­chen Bit­ten für die Eröff­nung des Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­rens für Kolum­bus zurück, von denen jene von Kar­di­nal Fer­di­nand Don­net, Erz­bi­schof von Bor­deaux, vom 2. Juli 1866 und von Msgr. Andrea Char­vaz, Erz­bi­schof von Genua, vom 8. Mai 1867 erwähnt sei­en. 1870 rich­te­te eine Grup­pe von Kon­zils­vä­tern des Ersten Vati­ka­ni­schen Kon­zils eine wei­te­re Peti­ti­on an Pius IX. Die Unter­bre­chung der Kon­zils­ar­bei­ten und der Tod von Pius IX. stopp­ten jedoch die Initiative.

1878 inter­pre­tier­te Erz­bi­schof Roc­co Coc­chia, Vikar und apo­sto­li­scher Dele­gat in San­to Dom­in­go, Hai­ti und Vene­zue­la, die Auf­fin­dung der sterb­li­chen Über­re­ste von Kolum­bus in der Kathe­dra­le von San­to Dom­in­go als Zei­chen und nann­te den Admi­ral einen Mann, der von der Vor­se­hung zum größ­ten Werk der Neu­zeit beru­fen wur­de. Der Erz­bi­schof erin­ner­te dar­an, daß die gro­ße, ursprüng­li­che Idee von Kolum­bus ein Kreuz­zug zur Befrei­ung des Hei­li­gen Gra­bes war, und daß er immer als „Mann von tie­fer Fröm­mig­keit und Reli­gi­on“ gese­hen wur­de, der sich mit Glau­ben und Hel­den­mut vie­len Lei­den und Ver­fol­gun­gen stell­te, so sehr, daß die bei­den Pole sei­ner Exi­stenz „der Schmerz und die Gna­de“ waren.

Der Antrag auf Hei­lig­spre­chung zum 31. Janu­ar 1893 wur­de von 904 Prä­la­ten unter­stützt. Neben 264 ita­lie­ni­schen Bischö­fen, 96 fran­zö­si­schen, 64 spa­ni­schen, 27 aus den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka, 19 aus Mexi­ko, 7 aus Por­tu­gal waren es noch vie­le ande­re Bischö­fe und Erz­bi­schö­fe aus aller Welt, dar­un­ter 42 Kar­di­nä­le. Ein ita­lie­ni­scher Gelehr­ter, Alfon­so Mari­ni Det­ti­na, wid­me­te die­sem The­ma eine gründ­li­che Stu­die, auf die ich für die ein­ge­hen­de­re Beschäf­ti­gung mit dem The­ma ver­wei­sen möch­te (Sup­pli­che per la cano­niz­za­zio­ne di Cri­sto­fo­ro Colom­bo, in: C.E.S.C.O.M, Atti del II Con­gresso Colom­bia­no, Turin 2006, S. 659–672)[2].

Es gibt wel­che, die glau­ben, daß es im Leben von Kolum­bus dunk­le Punk­te gibt wie eine ille­gi­ti­me zwei­te Ehe. 1938 ver­öf­fent­lich­te Pater Fran­ces­co Maria Pao­li­ni, Gene­ral­po­stu­la­tor des Fran­zis­ka­ner­or­dens, jedoch ein Buch mit dem Titel Cri­sto­fo­ro Colom­bo nella sua vita mora­le (Chri­stoph Kolum­bus in sei­nem mora­li­schen Leben), in dem er zwölf Argu­men­te dar­leg­te, um die Recht­mä­ßig­keit der zwei­ten Ehe von Kolum­bus mit Bea­tri­ce Enri­quez aus Cor­do­ba zu bewei­sen. Kar­di­nal Euge­nio Pacel­li, damals vati­ka­ni­scher Staats­se­kre­tär, teil­te dem Autor mit Schrei­ben vom 9. Sep­tem­ber 1938 die Freu­de von Pius XI. über die­ses Werk mit, „das präch­ti­ge Licht­strah­len auf die Gestalt des Ent­deckers der neu­en Welt wirft, die eben­so groß­ar­tig und mäch­tig in der Kir­chen­ge­schich­te leuch­tet wie in der zivi­len Geschich­te“.

Ein neu­er Antrag auf Selig­spre­chung von Kolum­bus wur­de 1941 von eini­gen ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fen an Pius XII. gestellt. Alle Bit­ten um die Hei­lig­spre­chung des Admi­rals ersuch­ten den Papst, vom ordent­li­chen Ver­fah­ren zu dis­pen­sie­ren ange­sichts der außer­ge­wöhn­li­chen Natur die­ses Men­schen, des Sie­gels, das sei­nem Werk von der Vor­se­hung gege­ben wur­de, und der außer­ge­wöhn­li­chen Behand­lung, die Kolum­bus zu Leb­zei­ten vom Hei­li­gen Stuhl zuteil­wur­de. Doch weder Pius XII. noch der Fran­zis­ka­ner­or­den betrie­ben das Selig­spre­chungs­ver­fah­ren wei­ter, und nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil setz­te sogar inner­halb der katho­li­schen Welt eine Kam­pa­gne der Ver­un­glimp­fung ein, die 1992 anläß­lich des 500. Jah­res­ta­ges der Ent­deckung Ame­ri­kas ihren Höhe­punkt erreich­te, als Kolum­bus als gie­ri­ger, blut­rün­sti­ger und kolo­nia­li­sti­scher Erobe­rer dar­ge­stellt wurde.

Seit­her sind drei­ßig Jah­re ver­gan­gen und die öko­lo­gi­sti­sche und indi­ge­ni­sti­sche Ultra­lin­ke führt in den USA gewalt­tä­ti­ge Demon­stra­tio­nen an, bei denen die Sta­tu­en von Chri­stoph Kolum­bus umge­stürzt, geköpft, beschmiert und ent­fernt wer­den. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren haben vie­le Staa­ten der USA beschlos­sen, den Colum­bus Day, an dem am 12. Okto­ber die Ankunft des ita­lie­ni­schen See­fah­rers in Ame­ri­ka gefei­ert wird, in einen Tag der Urein­woh­ner Ame­ri­kas umzu­wan­deln. Und Papst Fran­zis­kus, anstatt den Aus­ruf „Kolum­bus gehört der Kir­che“ zu wie­der­ho­len, hebt die „indi­ge­ni­sti­schen“ Bewe­gun­gen in die Höhe, die Kolum­bus beschul­di­gen, eine Ära des Völ­ker­mords und der Skla­ve­rei für die ame­ri­ka­ni­schen Völ­ker ein­ge­lei­tet zu haben.

Chri­stoph Kolum­bus und die Kon­qui­sta­do­ren wur­den wegen des demo­gra­phi­schen Zusam­men­bruchs des Völ­ker­mords bezich­tigt, der die­se Bevöl­ke­rungs­grup­pen seit dem 16. Jahr­hun­dert traf. Wie der Histo­ri­ker Mar­co Tang­he­ro­ni (1946–2004) jedoch anschau­lich auf­zeig­te, kann von Völ­ker­mord nur gespro­chen wer­den, wenn es den kon­kre­ten Wil­len gibt, ein Volk zu ver­nich­ten, wie es für die Kula­ken in Sowjet­ruß­land, für die Juden in Nazi­deutsch­land, die Arme­ni­er im Osma­ni­schen Reich oder noch frü­her, wäh­rend der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on, für die Bewoh­ner der Ven­dée der Fall war. Was die ame­ri­ka­ni­sche Urbe­völ­ke­rung betrifft, war die demo­gra­phi­sche Kata­stro­phe auf den bio­lo­gi­schen Schock zurück­zu­füh­ren, der durch eini­ge Infek­ti­ons­krank­hei­ten aus­ge­löst wur­de, die von den Euro­pä­ern ohne jede Absicht ein­ge­schleppt wur­den, aber mit Sicher­heit nicht auf einen Wil­len zur Ver­nich­tung (Cri­stia­ni­tà, Moder­ni­tà, Rivo­lu­zi­o­ne, Sug­ar­co, Mai­land 2009, S. 125–126)[3]. In den Berich­ten und Auf­zeich­nun­gen der spa­ni­schen Ärz­te, die nach Ame­ri­ka gin­gen, lesen wir im Gegen­teil die Schil­de­rung ihrer Über­ra­schung und Ohn­macht ange­sichts der Epi­de­mien, die unter den Ein­ge­bo­re­nen in einer neu­en und abso­lut unbe­kann­ten Form auf­tra­ten. Im 16. Jahr­hun­dert, genau­so­we­nig wie heu­te, wur­de die Epi­de­mie nicht als bio­lo­gi­sche Waf­fe zur Zer­stö­rung ein­ge­bo­re­ner Völ­ker ein­ge­setzt, und Chri­stoph Kolum­bus ist kein Sym­bol für Unge­rech­tig­keit, son­dern der Urhe­ber und Prot­ago­nist einer Lei­stung, die Fran­cis­co Lopez de Goma­ra in sei­ner Histo­ria Gene­ral de las Indi­as (1552) als „das Größ­te nach der Erschaf­fung der Welt und der Inkar­na­ti­on und dem Tod des­je­ni­gen, der sie erschaf­fen hat“, bezeich­ne­te (Edi­zio­ne Biblio­te­ca Aya­cu­cho, Cara­cas 1979, S. 7).

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobingen2011.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


[1] Titel des Buches in deut­scher Über­set­zung: „Über das Leben von Chri­stoph Kolum­bus und die Grün­de, sei­ne Selig­spre­chung zu erbitten“.

[2] Über­setzt: „Bit­ten um die Kano­ni­sie­rung von Chri­stoph Kolumbus“.

[3] Über­setzt: „Chri­sten­tum, Revo­lu­ti­on der Moderne“.

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!