Midsommar – ein Blick in die heidnische Zukunft

„Nun, da sie wieder angerufen werden, kehren die Dämonen zurück“


Midsommar – der Film, der die heidnische Zukunft als Horror zeigt.
Midsommar – der Film, der die heidnische Zukunft als Horror zeigt.

„Mid­som­mar“ ist ein Hor­ror­film, um genau zu sein, wird er in der Fach­spra­che Mystery-Hor­ror genannt. Regie und Dreh­buch stam­men von Ari Aster. Der New Yor­ker erzählt den Greu­el von einem Euro­pa, das sich vom Chri­sten­tum abge­wen­det und in das Hei­den­tum zurück­ge­fal­len ist. Der Film zeigt, wie die Gesell­schaft in einen regel­rech­ten Hor­ror ein­taucht. Sex ist in jeder Hin­sicht frei, Frau­en herr­schen über die Män­ner, die zu Repro­duk­ti­ons­ma­schi­nen redu­ziert wur­den, die Kin­der sind ver­ge­mein­schaf­tet und wer­den von allen auf­ge­zo­gen und alle sind Vege­ta­ri­er. Nicht alle schei­nen der Über­zeu­gung, daß sich das Sze­na­rio nur auf einen Film beschrän­ken sollte.

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Kann ein Hor­ror­film etwas über unse­re Gesell­schaft leh­ren? „Die mei­sten Hor­ror­fil­me (ein Gen­re, das ich ver­ab­scheue) sind B‑Filme: gro­tesk, unfrei­wil­lig lächer­lich, fast nutz­los. Aber viel­leicht ist Mid­som­mar eine Aus­nah­me“, so Rober­to Mar­che­si­ni auf Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na.

Der Film star­te­te im Juli 2019 in den US-Kinos, in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land Ende Sep­tem­ber. Es ist der zwei­te Film des noch jun­gen, talen­tier­ten jüdi­schen Regis­seurs Ari Aster. Die Hand­lung ist schnell erzählt. Die Stu­den­tin Dani ist schockiert über den Selbstmord/​Mord an ihrer Schwe­ster Ter­ri und ihren Eltern. Dani, ein Opfer von Panik­at­tacken, bit­tet ihren Freund Chri­sti­an, einen Absol­ven­ten der Kul­tur­anthro­po­lo­gie, um Hil­fe. Chri­sti­an zeigt Dani gegen­über wenig Empa­thie: Er ist viel mehr dar­an inter­es­siert, eine Rei­se mit sei­nen Freun­den Josh (auch Anthro­po­lo­ge), Mark (der Witz­bold der Run­de) und Pel­le, einem Schwe­den, der zum Stu­di­um in die USA gekom­men ist, zu orga­ni­sie­ren. Pel­le lädt sei­ne Freun­de nach Schwe­den ein, um eine Gemein­schaft zu besu­chen, in der sein Bru­der Inge­mar lebt. In die­sem Som­mer wird die Gemein­de eine Zere­mo­nie fei­ern, die nur alle neun­zig Jah­re statt­fin­det. Eine Gele­gen­heit, die Anthro­po­lo­gen nicht ver­pas­sen soll­ten. Dani, die jetzt nur noch Chri­sti­an hat, bit­tet an der Rei­se teil­neh­men zu können.

Pla­kat zum Kinofilm

Die Grup­pe kommt also nach Hår­ga, das ihnen wie ein wun­der­ba­rer Ort erscheint. Der Grund dafür: Es ist das Para­dies der Pro­gres­si­ven. Die Gemein­schaft ist eine ein­zi­ge, gro­ße Fami­lie, die alles mit­ein­an­der teilt. Die Kin­der wer­den von ganz Hår­ga groß­ge­zo­gen. Man schläft zusam­men und ißt gemein­sam, was von den Frau­en zube­rei­tet wird. Die Män­ner ver­sor­gen die Fel­der. Alle sind offen­sicht­lich Vege­ta­ri­er und leben von den Früch­ten, die ihnen die Erde gibt. In Hår­ga gibt es kei­nen Strom, kei­ne sozia­len Medi­en oder Tech­no­lo­gie. Sex ist frei und hat nichts mit Repro­duk­ti­on zu tun. Jeder darf mit jedem.

Nicht zu ver­ges­sen: Das Kom­man­do in Hår­ga haben die Frau­en. Män­nern kommt die Rol­le von Brut­droh­nen oder Arbeits­tie­ren zu. Alle tra­gen tra­di­tio­nel­le schwe­di­sche Klei­dung, die aus Natur­fa­ser her­ge­stellt wird. Alles ist streng biologisch.

In Hår­ga wird „Ster­be­hil­fe“ betrie­ben. Die Besu­cher hal­ten es zunächst für einen Scherz, bis sie fest­stel­len müs­sen, daß es den Tat­sa­chen ent­spricht. Im Alter von 72 Jah­ren wer­den die Mit­glie­der der Gemein­schaft eutha­na­siert. Das wird als „das Leben geben“ dar­ge­stellt, „anstatt alt zu wer­den und vor Schmerz und Angst zu sterben“.

Alle in Hår­ga haben aber gro­ßen Respekt vor Bäu­men, über­zo­gen gro­ßen Respekt.

Das ver­steht man, wenn man weiß, daß die Gemein­schaft das Chri­sten­tum auf­ge­ge­ben und zu – angeb­lich alten – heid­ni­schen Kul­ten zurück­ge­kehrt ist. Der wich­tig­ste Ritus ist der Mid­som­mar. Im Deut­schen schwingt die­ses heid­ni­sche Pseu­do­brauch­tum eher in den Vor­stel­lun­gen von der Wal­pur­gis­nacht mit, die wesent­lich jün­ge­ren Datums (und fik­tiv) sind, als die mei­sten meinen.

Es geht im wirk­li­chen Mid­som­mar um die Som­mer­sonn­wen­de, was im Film mehr mit Früh­lings­be­ginn, dem Erwa­chen der Natur und Frucht­bar­keit in Ver­bin­dung gebracht wird. Mehr soll an die­ser Stel­le vom Inhalt nicht ver­ra­ten wer­den. Es wür­de die Gren­zen des­sen über­schrei­ten, was man beschrei­ben will. Kein Zwei­fel: Licht, Foto­gra­fie und Auf­nah­men im Film sind von höch­stem Niveau. Und es sei gewarnt: Der Film zeigt grau­sa­me Sze­nen und expli­zi­te Sex­sze­nen. Die links­li­be­ra­le Wochen­zei­tung Die Zeit nennt ihn einen „mei­ster­haf­ten Horrorfilm“.

Kom­men wir nun zum bemer­kens­wer­ten Teil.

Mid­som­mar stellt die Zukunft dar. Der Film will eine denk­ba­re Zukunft Euro­pas zei­gen. Es ist eine Zukunft, die bestimm­te Kräf­te anstre­ben und in die sie die Euro­pä­er füh­ren wol­len: eine homo­se­xu­el­le und femi­ni­sti­sche Zukunft mit Kreis­lauf­wirt­schaft, streng sozia­li­sti­scher Gesell­schafts­ord­nung, Null­wachs­tum, Frau­en­power, Eutha­na­sie, frei­em Sex und strikt pro­gram­mier­ter Fort­pflan­zung. In die­ser Zukunft gibt es schein­bar alles. Es ist schein­bar das Para­dies auf Erden.

Alle sind ruhig, gelas­sen, lächeln, sind höf­lich und glück­lich. In Hår­ga scheint alles idyl­lisch zu sein. Doch es ist ein Hor­ror­film. Der Greu­el kommt anders als erwar­tet, er ist verlockend.

Mid­som­mar stellt auch die Ver­gan­gen­heit dar. So fik­tiv die Zukunft ist, so real sind die Ver­satz­stücke, aus denen die Ver­gan­gen­heit ist, in die die­se Zukunft zurück­führt. Es ist eine vor­christ­li­che, eine heid­ni­sche Vergangenheit.

Das Chri­sten­tum scheint nur eine vor­über­ge­hen­de Pha­se gewe­sen zu sein, die end­lich über­wun­den wer­den konn­te, um zum alten Hei­den­tum zurück­zu­keh­ren. Die Welt war heid­nisch und sie kehrt, so die Aus­sa­ge des Films, wie­der zum Hei­den­tum zurück. Das gezeig­te Nord­eu­ro­pa hat dem Chri­sten­tum den Rücken gekehrt. In Hår­ga ist man über­zeugt, daß die Skan­di­na­vi­er sich nur ober­fläch­lich chri­stia­ni­siert, sich aber eine heid­ni­sche „Inner­lich­keit“ bewahrt hät­ten. Ein Topos, der einem im soge­nann­ten Kul­tur­schaf­fen häu­fig begegnet.

The Wicker Man und das Beltane Fire Festival

Mid­som­mar ist ein Remake des Films The Wicker Man aus dem Jahr 1973, in dem Chri­sto­pher Lee, ein bekann­ter Schau­spie­ler des Gen­res Hor­ror­film, mit­wirk­te. The Wicker Man spielt auf einer schot­ti­schen Insel und erzählt die Geschich­te einer Grup­pe, die das Kreuz ver­ab­scheut und sich dem Hei­den­tum zuwen­det. Auch in die­sem Film gel­ten frei­er Sex und Frucht­bar­keits­ri­tua­le. Doch auch er ist ein Hor­ror­film, denn der Abfall vom Chri­sten­tum führt in eine hor­ren­de Gegenwart.

Der Schwei­zer Psych­ia­ter Carl Gustav Jung erklär­te, dar­über Bescheid zu wis­sen: Die Erde sei ein­mal von Dämo­nen besie­delt gewe­sen. Die Alten nann­ten sie „Göt­ter“. Dann kam Jesus Chri­stus in die Welt und die „Göt­ter“ flo­hen. Laut Jung flüch­te­ten sie sich in den Men­schen. Die „Göt­ter“, die alten Dämo­nen, sind zu den Krank­hei­ten des Men­schen gewor­den (s. Carl Gustav Jung: Stu­di­en über alche­mi­sti­sche Vor­stel­lun­gen, Gesam­mel­te Wer­ke, Bd. 13, Ost­fil­dern 2011). Um den Gedan­ken wei­ter­zu­spin­nen, könn­te man sagen: Nun, da sie wie­der ange­ru­fen wer­den, man den­ke an Pacha­ma­ma im Peters­dom, keh­ren die Dämo­nen zurück, um die Erde wie­der zu bevöl­kern. Der Schrecken, den Chri­stus ver­trie­ben hat­te, brei­tet sich wie­der aus.

So stellt es jeden­falls der Film Mid­som­mar dar. Nur ein Film! Nur ein Film?

Das Bel­ta­ne Fire Festi­val ist kein Film, son­dern Rea­li­tät. Es fin­det jedes Jahr auf dem Cal­ton Hill im schot­ti­schen Edin­burgh statt und zieht von Jahr zu Jahr mehr Teil­neh­mer an. Behaup­tet wird, man bemü­he sich um kel­ti­sche Brauch­tums­pfle­ge. Gefei­ert wird am 30. April. Es wird das Feu­er ver­ehrt und die Frucht­bar­keit gefei­ert. Kostü­mie­rung und Geha­be der Orga­ni­sa­to­ren wei­sen ein­deu­tig in Rich­tung einer schot­ti­schen Walpurgisnacht.

Kei­ne Film­sze­ne, son­dern Teil des Bel­ta­ne Fire Festi­vals in Edinburgh

Auch der neu­erwach­te Hang zum alpi­nen Perch­ten­lauf hat Zwei­fel­haf­tes an sich, wenn auch er vor­der­grün­dig mit Brauch­tums­pfle­ge gerecht­fer­tigt wird. Das gilt nicht nur dann, wenn er in Gegen­den auf­tritt, für die er nicht belegt ist.

Damit ver­gleich­bar ist das Bur­ning Man Festi­val, das jedes Jahr in Neva­da statt­fin­det und zahl­rei­che Par­al­le­len zum Ritu­al des Wicker Man auf­weist. Dar­an teil­zu­neh­men gilt unter Sili­con-Val­ley-Mil­li­ar­dä­ren und Hol­ly­wood-Grö­ßen als Muß. Wer wis­sen will, was bei die­sem Festi­val in Neva­das Wüste statt­fin­det, muß sich mit zen­su­rier­ten Videobe­rich­ten auf You­tube begnü­gen. Man­cher wird sich den­ken kön­nen, was dort noch geschieht, wenn man auf Wiki­pe­dia lesen kann:

„Alle Foto- und Video­ka­me­ras müs­sen bei der Ankunft regi­striert wer­den, und die­je­ni­gen, die beab­sich­ti­gen, für kom­mer­zi­el­le Zwecke zu fil­men oder zu foto­gra­fie­ren, müs­sen das im Vor­aus mit den Festi­val-Orga­ni­sa­to­ren ver­ein­ba­ren. Nicht alle Ereig­nis­se dür­fen gefilmt werden.“

War­um wohl? Wir wis­sen es nicht.

Bur­ning Man Festi­val in der Wüste Nevadas

Das Resü­mee von Rober­to Mar­che­si­ni: „Wenn sie behaup­ten, die Zukunft der Gesell­schaft wird eine ‚säku­la­re‘ sein, dann glaubt ihnen nicht. Sie wol­len, daß man sich von Chri­stus abwen­det. Die Gesell­schaft der Zukunft, die sie anstre­ben, ist eine heid­ni­sche Zukunft. Und eine heid­ni­sche Zukunft ist der Horror.“

Das Gute an den der­zei­ti­gen Maß­nah­men gegen die Coro­na­vi­rus-Pan­de­mie, die in meh­re­ren Punk­ten zwei­fel­haft sind: Das dies­jäh­ri­ge Bel­ta­ne Fire Festi­val muß­te abge­sagt wer­den. Es wird kei­ne schot­ti­sche Wal­pur­gis­nacht geben.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/​Beltane Festi­val (Screen­shots)

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